Goldgräberstimmung

Kultur- und Kreativwirtschaft als Antriebskraft für eine nachhaltige Entwicklung Afrikas

Das Hauptproblem für Afrikas Wertschöpfungskette der Kultur- und Kreativwirtschaft besteht darin, dass diese kaum mit anderen Wirtschaftssektoren verknüpft ist, dass geeignete Ausbildungsmöglichkeiten sowie die entsprechenden Betreuer fehlen und dass es keine Cluster- bzw. adäquate Netzwerkstrukturen gibt. Dazu kommt, dass viele Länder nicht über die Daten und Statistiken verfügen, mit deren Hilfe sie sich über die Bedeutung ihrer Kultur- und Kreativwirtschaft informieren sowie ihr Verständnis der Branche verbessern könnten. Außerdem sind kulturelle Aktivitäten überdurchschnittlich oft informeller Art, d. h., sie werden weder reguliert, noch besteuert, und sind schwer messbar.

 

Einige wenige Länder wie Burkina Faso, Nigeria und Südafrika haben Sektor-Analysen durchgeführt. In Südafrika hat das Cultural Observatory (SACO) 2015 ermittelt, dass mehr als eine Million bzw. 6,72 Prozent aller südafrikanischen Arbeitsplätze in der „Kulturwirtschaft“ im weiteren Sinne angesiedelt sind.

 

Obwohl in vielen dieser Studien eine Stärkung der kulturellen Wertschöpfungskette gefordert wird, geht es in Afrika weniger um die Notwendigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern um die Schaffung eines Umfelds, das die Menschen in die Lage versetzt, Einkommensquellen zu erschließen, öffentlich-private Partnerschaften zu gründen, regionale und globale Lieferketten aufzubauen, ihren Lebensunterhalt besser zu bestreiten sowie vermehrt am kulturellen Leben in den Gemeinden, Dörfern, Klein- und Großstädten teilzunehmen und sich entsprechend zu engagieren. Die Konzentration auf diesen Schwerpunkt wird eine Situation hervorbringen, in der Künstler, Kulturschaffende sowie alle Bürger aktiv werden und sich kritisch mit ihrem eigenen Leben sowie mit dem Leben in ihrem Land auseinandersetzen.

 

In jedem Abschnitt der Wertschöpfungskette der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es trotz Hindernissen faszinierende neue Entwicklungen, die nicht unerwähnt bleiben dürfen. Kommentatoren sind übereinstimmend der Meinung, dass Afrika Talente und Kreativität in Hülle und Fülle besitzt, und dass der Kontinent über einen enormen Fundus an Kulturgütern, Traditionen und kulturellem Reichtum verfügt. In einigen Ländern gibt es mittlerweile nationale Kulturstiftungen, die kulturelle Ausdrucksformen fördern. Nach Ratifizierung der UNESCO-Konvention akzeptieren viele afrikanische Länder inzwischen, dass zur Förderung von Kreativität das Recht auf freie Meinungsäußerung gehört, und dass es daher in der Öffentlichkeit Möglichkeiten geben muss, sich in offenen, lebhaften Debatten auszutauschen. Innovative Methoden, mit denen Fördermittel für Produktionen beschafft werden, werden erprobt und zunehmend genutzt. Dazu gehört unter anderem der Heva Fonds in Kenia, Afrikas erste Initiative, die sich ganz speziell der Finanzierung und Unterstützung von Unternehmen sowie der Vermittlung von Wissen im Kreativsektor widmet.

 

Das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette der Kultur- und Kreativwirtschaft ist seit jeher der Vertrieb. Dies führt dazu, dass die Kreativität Afrikas in den Ländern der nördlichen Hemisphäre oft gar nicht richtig wahrgenommen wird. In dem Maße, in dem jedoch afrikanische Fernsehsender vor Ort anfangen, in globalen Kategorien zu denken, wie RTI an der Elfenbeinküste, und Netflix beginnt, afrikanische Filme zu kaufen und Investitionen im Filmsektor zu tätigen, wird auch die Weitergabe kultureller Inhalte leichter. Die fehlenden Ausstellungsräume stehen in starkem Kontrast zum Erfolg digitaler Plattformen. Unternehmen wie iROKOtv, der Online-Anbieter von nigerianischen Filmen, oder der Buni+-Streamingdienst in Kenia wissen, dass junge Menschen in Afrika geradezu nach Inhalten lechzen. Obwohl dieser Hunger teilweise mithilfe von Smartphones und Tablets gestillt wird, ist es weiterhin das Radio, das sowohl für die Land- als auch für die Stadtbevölkerung das wichtigste Mittel darstellt, um sich über einheimische Sprachen Zugang zur afrikanischen Kultur zu verschaffen. Mittlerweile gibt es einige erfolgversprechende Entwicklungen wie z. B. die Gründung afrikanischer Produktionsunternehmen, die Filme und lokale Serien produzieren. Die Elfenbeinküste und der Senegal folgen hier dem Beispiel Südafrikas und Nigerias.

 

In jedem Land herrscht enormer Andrang bei Live-Konzerten, Film- und sonstigen Kunst- und Kulturfestivals, wie z. B. MASA in Abidjan, das Fak’ugesi Digital Innovation Festival in Südafrika, Fespaco in Ouagadougou und das EAC Jamafest in Uganda. Ein wichtiger Bereich, in dem Regierungen Engagement zeigen sollten und in dem mehr Aktivität erforderlich ist, ist die Förderung von Veranstaltungen wie Preisverleihungen, Messen, Festivals und Wettbewerben zur Stärkung der Nachfrage nach afrikanischen Inhalten und zur Profilierung der afrikanischen Kulturökologie.

Avril Joffe
Avril Joffe leitet die Fakultät für Kulturpolitik und -management an der Wits School of Arts in Johannesburg in Südafrika.
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