Antworten Bündnis 90/Die Grünen auf die Wahlprüfsteine zur Wahl des Europäischen Parlaments 2019

1. Wollen Sie sich für eine weitere Stärkung der Europäischen Union einsetzen? Wenn ja, welche Maßnahmen planen Sie hierzu? Wenn nein, warum nicht? Teilen Sie den Eindruck des Deutschen Kulturrates, dass die Durchsetzung von Partikularinteressen in der Europäischen Union an Bedeutung gewinnt? Wie soll Europa hierauf reagieren? Was wollen Sie unternehmen, um der gemeinsamen Idee von Europa mehr Schlagkraft zu geben und den Zusammenhalt in der Europäischen Union zu verbessern?

 

Die Europäische Union bietet uns als Europäer*innen die Möglichkeit, in der Globalisierung handlungsfähig zu sein und die Entscheidungen über unser Leben demokratisch zu treffen. Dafür wollen wir eine EU mit mehr Stärke und Entscheidungskraft. Die Glaubwürdigkeit dieser Stärkung lebt aber von der demokratischen Rückkopplung an die Bürger*innen der EU. Wächst der Einfluss von Brüssel, muss auch die Mitsprache der Bürger*innen wachsen. Das Europäische Parlament soll in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheiden können und ein eigenes vollwertiges Initiativrecht für europäische Gesetzgebung erhalten. Im Rat der Mitgliedstaaten, dem Entscheidungsgremium der nationalen Regierungen, wollen wir eine noch häufiger drohende Blockade einiger europafeindlich auftretender Regierungen verhindern. Dafür wollen wir im Rat bei Verhandlungen und Mehrheitsentscheidungen, wo es bisher noch Einstimmigkeit braucht, die Positionen der Mitgliedstaaten transparenter machen, z.B. bei Steuern.

 

Die EU-Verträge versprechen, dass die EU-Institutionen allen Bürger*innen gleich zuhören (Artikel 9 EU-Vertrag). Wirtschaftlich starke Interessen können sich aber mehr Einfluss leisten als schlechter finanzierte, aber am Allgemeinwohl orientierte Interessen. Um mehr Schutz gegen das Übergewicht von Einzelinteressen oder gar Korruption zu schaffen, wollen wir Lobbyismus transparenter machen. Weil Kommission und Parlament schon verbindliche Regeln für Lobbytransparenz haben, ist dies besonders dringend im notorisch intransparenten Rat der Mitgliedstaaten und den Ständigen Vertretungen der Regierungen in Brüssel. Am 31.01.2019 hat das Europaparlament zum ersten Mal verbindliche Regeln für Lobbytransparenz beschlossen. Entscheidungsträger*innen unter den Europaabgeordneten müssen ihre Treffen mit Lobbyisten online veröffentlichen. Die Regel greift voraussichtlich zum Beginn der nächsten Legislatur. Die Initiative dafür kam von uns Grünen.

 

81% der Deutschen sind heute für Europa. Diese 81% sind für uns eine Verantwortung. Die Verantwortung, dass in Deutschland Mehrheiten entstehen für ein mutiges Vorrangehen mit Europa. Für ein solidarisches Europa. Für das Ende der Blockadepolitik der großen Koalition gegen mutige Vorschläge etwa aus Frankreich. Europa bedeutet europäische Solidarität, nicht nationales Saldo! Europa bedeutet Stärke durch Zusammenhalt, nicht Schwäche durch Spaltung! Wir wollen kein rechtes Europa, wir wollen ein gerechtes Europa.

 

2. Welche kulturpolitischen Initiativen planen Sie im neuen Europäischen Parlament?

 

Generell setzen wir uns dafür ein, allen Europäer*inen den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen, damit jeder Kultur mitschaffen, miterleben und mitgestalten kann. Wir setzen uns dafür ein, dass die ambitionierte Position des Europäischen Parlaments im Programm Kreatives Europa in den Verhandlungen mit dem Rat verteidigt wird. Wir GRÜNE fordern zudem die Aufnahme von delegated acts in Kreatives Europa, die eine parlamentarische Kontrolle über die jährlichen Arbeitsprogramme ermöglichen. Außerdem gibt es von uns initiierte oder unterstützte Pilotprojekte (z.B. European Houses of Culture), auf deren erfolgreiche Umsetzung wir drängen.

 

3. Welche Bedeutung messen Sie der Sicherung der Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit zu? Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, wenn die Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingeschränkt werden?

 

Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit sind zentrale Pfeiler der Demokratie. Wir GRÜNE lassen es nicht zu, dass Nationalist*innen und Rechtsextreme diese Grundprinzipien der EU attackieren. Wir fordern einen Grundrechts-TÜV: Ein unabhängiges Gremium aus Verfassungsexperten soll alle EU-Mitgliedsländer regelmäßig auf die Einhaltung demokratischer Grundsätze hin überprüfen, Empfehlungen für Verbesserungen machen und wenn nötig Sanktionen vorschlagen. Wir wollen außerdem, dass Fördermittel an die Einhaltung demokratischer Grundwerte gebunden werden: Wir schlagen vor, dass Regierungen, welche Rechtsstaatsprinzipien und europäische Grundwerte fundamental verletzen, die Verfügung über EU-Gelder entzogen wird. In solchen Fällen soll die EU-Kommission die Gelder künftig direkt an Kommunen und andere Fördermittelempfänger ausbezahlen. So wird den nationalen Regierungen die Vergabemacht entzogen, das Geld kommt aber weiterhin dort an, wo es gebraucht und sinnvoll verwendet wird. Und schließlich haben wir gerade durchgesetzt, dass es künftig einen Fonds für Demokratie- und Menschenrechtsverteidiger innerhalb der EU gibt, um den Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume („shrinking spaces“) entgegenzutreten sowie unabhängigen, investigativen Journalismus zu fördern.

 

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