Möglichkeitsraum für Vernetzung, Offenheit und Interdisziplinarität

Zur Bedeutung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in Deutschland

Wie relevant ist die Dimension der Nachhaltigkeit innerhalb der AKBP, hier weniger auf ökologische Faktoren, vielmehr auf die mittel- bis langfristigen Effekte blickend? Die Akteure der AKBP – allen voran das Goethe-Institut – sind insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern tätig. Lange Zeit sträubte sich die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts die Förderung dieser Länder in kulturpolitischen und künstlerischen Dimensionen als eindeutigen Aufgabenbereich aufzugreifen. Andere Staaten, allen voran die nordischen Länder, sehen es als elementaren Aufgabenbereich ihrer AKBP an, in Partnerländern kulturpolitische Strukturen aufzubauen, den sogenannten Süd-Süd-Austausch auch im Bereich der Künste zu fördern und die Professionalisierung der Kunst- und Kulturlandschaft der Partner zu unterstützen. Neben diversen nicht-staatlichen Initiativen haben sich die gut 80 Goethe-Institute, die in Entwicklungsländern angesiedelt sind, deutlich bewegt. Das Goethe-Institut zeigt mit dem Kulturmanager-Fortbildungsprogramm für verschiedene Weltregionen, dem Bücherbus in Palästina, dem Leseförderprogramm in Südamerika ebenso wie mit der weitläufigen Nutzung der Goethe-Institutsgebäude z. B. in Vietnam oder Ägypten als Räume der zensurlosen Freiheit der Künste, der Meinungen und des Diskurses deutlich, dass Kulturförderung im Partnerland ein sichtbarer Bestandteil der AKBP geworden ist.

 

Doch sind nachhaltige Effekte auf die lokalen Infrastrukturen mit dem letztlich sehr begrenzten Jahresbudget der AKBP überhaupt ernsthaft erreichbar? Viele hier zu würdigenden Projekte und Programme sind Einzelbeispiele, obgleich sie andernorts unmittelbare Anwendung finden könnten. Dass dies nicht passiert, liegt selten allein an der freizügigen auf individuelle lokale Faktoren bezogenen Arbeit des Goethe-Instituts, sondern begründet sich primär aus dem begrenzten Budget gepaart mit Unklarheiten im Auftrag und der Zuständigkeit. Es bleibt zu fragen, ob mehr Mittel aus der Entwicklungspolitik für diese Arbeit bereitgestellt werden könnten oder gar müssten. Auch eröffnet sich die Frage, welcher Mehrwert sich durch einen weiteren Einbezug der facettenreichen zivilgesellschaftlichen und künstlerischen Initiativen böte.

 

Wie relevant ist die Facette der Zusammenarbeit? Viele Jahrzehnte Entwicklungspolitik zeigen, dass auch AKBP in Entwicklungsländern die Entstehung von Abhängigkeiten meiden muss. Auch wenn klar ist, dass heutzutage eine Vielzahl der als bedeutsam geltenden kulturpolitischen Initiativen – z. B. Al Mawred Al Thaqafy in der arabischen Region oder das pan-afrikanische Arterial Network – ohne die langjährige Basisfinanzierung aus Europa und den USA nicht existieren würden. Wie kann Kooperation existenzielle Abhängigkeiten vermeiden und trotzdem Großes bewirken? Wer sind die Partner solcher AKBP? Geht es darum mehr mit deutschen, mehr mit anderen ausländischen, mehr mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten? Und wie kann eine solche Zusammenarbeit zu einer fairen Koproduktion werden? Auch hier gibt es eine Vielzahl an Versuchsinitiativen, vom gemeinsamen deutsch-französischen Kulturinstitut in Ramallah bis zu einer „BangaloREsidency“, die zwar zentral durch das Goethe-Institut gelenkt wird, aber auf künstlerischer Ebene die Koproduktion sucht. Das Ziel einer Kooperationskultur ist bei Weitem nicht erreicht, aber der Weg wird erkundet. Spannend bleibt auch die Frage, was Koproduktion in Ländern wie Frankreich, Kanada oder Japan bedeuten kann.

 

Der Wille lokale Transformationsprozesse zu begleiten ist kein völlig neuer. Doch eine Entscheidung des Auswärtigen Amts und des Goethe-Instituts den Wiederaufbau Afghanistans ab 2002 auch durch eine kulturpolitische Dimension zu bereichern, markierte eine neue Qualität, die AKBP als gleichwertige dritte Säule weiter anzuerkennen. Es wurde eindeutig Position bezogen, der Unterdrückung kultureller Rechte und Freiheiten einer Gesellschaft entgegenzuwirken. Wie erfolgreich dieser Ansatz bisher war, lässt sich aufgrund der Komplexität der Faktoren schwer bestimmen. Mit Blick auf die in vielen Teilen der Welt zunehmende eingeschränkte Meinungsfreiheit und daran umfänglicher werdende Zensur, gerade auch für künstlerisches Arbeiten, wachsen die Aufgaben auch für die AKBP. Die UNESCO weist im 2015 erschienenen ersten Weltberichts zur Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen verstärkt darauf hin, dass der Schutz und die Förderung der Freiheit der künstlerischen Ausdrucksformen auch Aufgabengebiet der Außenpolitik sein muss. Der Fall Böhmermann im März 2016 verdeutlichte – so kontrovers manche Aspekte in diesem Zusammenhang bleiben – wie die in Deutschland im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit geschützt werden muss. Er zeigt auch, welche Rolle dem Künstler innerhalb der deutschen Gesellschaft zugesprochen wird. Doch welche Aufgabe ergibt sich daraus für die Außenpolitik? Trotz bestehender diplomatischer Grenzen, kann AKBP relevantes bewirken – und sie muss es, wenn sie den sich selbst in der Konzeption 2000 bzw. Konzeption 2011 gesteckten Zielen gerecht werden möchte.

 

Wenn man bedenkt, das viele der hier angeführten Beispiele zur Arbeit des Goethe-Instituts genauso, ähnlich und ganz anders von einer Vielzahl weiterer Akteure aus Deutschland, Europa oder direkt im Zielland angegangen werden, öffnet sich ein bei Weitem nicht ausgeschöpfter Möglichkeitsraum. Dieser ruft nach Vernetzung, Offenheit und Interdisziplinarität für eine AKBP als dritte Säule der Außenpolitik eines in seinem gesellschaftspolitischem Grundverständnis global eng verbundenen Deutschlands.

Daniel Gad
Daniel Gad ist Geschäftsführer des UNESCO-Lehrstuhl "Cultural Policy for the Arts in Development" am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim
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