Daniel Gad - 1. November 2016 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Auswärtige Kultur- & Bildungspolitik (AKBP)

Möglichkeitsraum für Vernetzung, Offenheit und Interdisziplinarität


Zur Bedeutung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in Deutschland

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) Deutschlands ist die dritte Säule der Außenpolitik. Dieses Politik- und Arbeitsfeld, das weit mehr als Kulturdiplomatie ist, zeichnet sich nach jahrzehntelangen Erfahrungswerten durch eine große Vielfalt an Zielen, Arbeitsfeldern, Akteuren und Projekten sowie Programmen aus. Zu behaupten die AKBP reduziere sich auf das Auswärtige Amt und ein paar wenige Mittlerorganisationen, wie das Goethe-Institut, ist – wenn man von außen darauf blickt – längst überholt. AKBP ist zwar formell eine Aufgabe des Bundes. Trotz der Abhängigkeit von den vorhandenen außenpolitischen Zielen der Bundesregierung wird sie aber ebenso durch die Bundesländer und Kommunen, durch zivilgesellschaftliche und kirchliche Träger und ebensolche Finanzquellen sowie durch vielfältige Akteure aus der Kunst- und Kulturlandschaft realisiert. Ebenso zeigen die Zielsetzungen sowie die vorhandenen Projekte und Programme wie wichtig es ist, AKBP nicht allein im Ausland zu betreiben, sondern stets anzuerkennen, dass die außenpolitischen Ziele nur dann zu realisieren sind, wenn AKBP auch innerhalb Deutschlands im fließenden Übergang zum allgemeinen Geschehen der Kunst- und Kulturlandschaft verstanden wird.

 

Konkret bedeutet dies: Auch AKBP bedarf in erster Linie einer Begründung aus Inhalten und Zielsetzungen. Jedoch steht die Anerkennung von zivilgesellschaftlichem Engagement auch monetär durch öffentliche Mittel an vielen Stellen weiter aus. Darüber hinaus erscheinen die Potenziale einer intensiv vernetzten staatlichen und zivilgesellschaftlichen AKBP hinsichtlich der gesteckten Ziele bei Weitem nicht ausgeschöpft.

 

Wenn Teile der AKBP entwicklungspolitischer Natur sind, wieso tun sich die zwei relevanten Bundesministerien, das Auswärtiges Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), weiterhin so schwer, eng vernetzt miteinander zu agieren – zumal im BMZ die Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen immer ein wichtiges Arbeitsfeld war? Wenn innenkulturpolitisch etwa eine öffentliche Kulturförderung auch eine Gewährleistung von Infrastruktur zur Absicherung der Freiheit der Kunst als klares Selbstverständnis einer Regierung gilt, wenn die Bereiche Kultur und Bildung innerhalb Deutschlands deshalb immer stärker miteinander verzahnt werden, weil dies hochgradig gesellschaftspolitisch relevant ist, wieso ist eine nach außen gekehrte Innenkulturpolitik weiterhin so wenig Grundhaltung einer AKBP, die auf einem nachhaltigen Wandel zu einem mehr an Kultur in der Welt ausgerichtet ist?

 

Die AKBP startete lange vor dem Zweiten Weltkrieg zunächst als ein Format, das den ins Ausland emigrierten Deutschen Nähe zu ihrer Herkunft bieten sollte und wurde daran angeschlossen bis heute eine Rahmung und Begleitung einer Repräsentation Deutschlands im Ausland. Die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik zeigen heute im Rückblick, dass auch die AKBP – insbesondere die Arbeit der Mittlerorganisationen – einen signifikanten Beitrag dazu leistete, die deutsche Reputation im Ausland und das Vertrauen in Deutschland schnell zurückzugewinnen. Die Aufgabe Deutschland als wichtigen Partner für andere zu halten, der auch Impulse in eine Gesellschaft hinein senden will, bleibt bis zum heutigen Tag. Dieser sicherlich am ehesten noch als Kulturdiplomatie zu benennenden Facette der AKBP wurden seit den 1970er Jahren die Ideen der Zusammenarbeit und des Dialogs darstellbar auch in Form der Begriffe „Dialog als Zweibahnstraße“ und „Dialog auf Augenhöhe“ hinzugefügt. Mitte der 1990er Jahre kam auf Grundlage der Erfahrungen mit den Kriegen auf dem Balkan und dem islamistisch geprägten Terror eine weitere Facette zur AKBP hinzu. Zunächst wurde diese mit Konfliktbewältigung und -prävention umschrieben. Heute wird sie eher als Kulturarbeit in Transformationsprozessen betitelt. Die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen kann aufgrund ihres Charakters der innen- als auch außenkulturpolitischen Leitlinie als weitere Facette der deutschen AKBP dargestellt werden.

 

Diese neuen Facetten führten zu einer größeren finanziellen Ausstattung, zumindest mittel- bis langfristig betrachtet. Ihr Breite unterstreicht die Bedeutung und die Anerkennung von kulturpolitischem Handeln innerhalb der Außenpolitik.

 

Doch will Außenpolitik wirken, muss sie kontinuierlich befragt werden: Wie relevant sind Leuchtturmprojekte? Wie lässt sich z. B. Erfolg und Misserfolg des „Operndorf Afrika“ von Christoph Schlingensief bewerten? Sollten Aspekte des Operndorfes zu gegebener Zeit als gescheitert eingestuft werden? Bedeutet dies unweigerlich, dass ein zukünftiges Projekt ähnlicher Natur nicht mit Steuergeldern finanziert werden darf? Scheitern gilt als wichtiges Element des künstlerischen Prozesses. Will AKBP nicht allein über Ansätze der politischen Arbeit, sondern auch über künstlerische Wege agieren, wie relevant ist es dann Momente des Scheiterns zuzulassen und wie transparent muss damit umgegangen werden? Welchen Wert haben große, sichtbare, aber auch teure Einzelprojekte gegenüber kleinen Einzelaktivitäten?

 

Die Idee, deutsche Künstler oder deren Produktionen auf Tournee zu schicken, ist ein weiteres gängiges AKBP-Format. Doch welchen­ Wert hat die Präsentation von Deutschlandbildern? Welche Zielgruppen werden damit erreicht? Sind dies Gruppen, die bereits Deutschland affin sind? Warum könnten dies Indikatoren einer erfolgreichen AKBP sein? Wie könnten neue Zielgruppen erreicht werden? Ist eine Konzentration der AKBP auf urbane Ballungszentren ausreichend?

Wie relevant ist die Dimension der Nachhaltigkeit innerhalb der AKBP, hier weniger auf ökologische Faktoren, vielmehr auf die mittel- bis langfristigen Effekte blickend? Die Akteure der AKBP – allen voran das Goethe-Institut – sind insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern tätig. Lange Zeit sträubte sich die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts die Förderung dieser Länder in kulturpolitischen und künstlerischen Dimensionen als eindeutigen Aufgabenbereich aufzugreifen. Andere Staaten, allen voran die nordischen Länder, sehen es als elementaren Aufgabenbereich ihrer AKBP an, in Partnerländern kulturpolitische Strukturen aufzubauen, den sogenannten Süd-Süd-Austausch auch im Bereich der Künste zu fördern und die Professionalisierung der Kunst- und Kulturlandschaft der Partner zu unterstützen. Neben diversen nicht-staatlichen Initiativen haben sich die gut 80 Goethe-Institute, die in Entwicklungsländern angesiedelt sind, deutlich bewegt. Das Goethe-Institut zeigt mit dem Kulturmanager-Fortbildungsprogramm für verschiedene Weltregionen, dem Bücherbus in Palästina, dem Leseförderprogramm in Südamerika ebenso wie mit der weitläufigen Nutzung der Goethe-Institutsgebäude z. B. in Vietnam oder Ägypten als Räume der zensurlosen Freiheit der Künste, der Meinungen und des Diskurses deutlich, dass Kulturförderung im Partnerland ein sichtbarer Bestandteil der AKBP geworden ist.

 

Doch sind nachhaltige Effekte auf die lokalen Infrastrukturen mit dem letztlich sehr begrenzten Jahresbudget der AKBP überhaupt ernsthaft erreichbar? Viele hier zu würdigenden Projekte und Programme sind Einzelbeispiele, obgleich sie andernorts unmittelbare Anwendung finden könnten. Dass dies nicht passiert, liegt selten allein an der freizügigen auf individuelle lokale Faktoren bezogenen Arbeit des Goethe-Instituts, sondern begründet sich primär aus dem begrenzten Budget gepaart mit Unklarheiten im Auftrag und der Zuständigkeit. Es bleibt zu fragen, ob mehr Mittel aus der Entwicklungspolitik für diese Arbeit bereitgestellt werden könnten oder gar müssten. Auch eröffnet sich die Frage, welcher Mehrwert sich durch einen weiteren Einbezug der facettenreichen zivilgesellschaftlichen und künstlerischen Initiativen böte.

 

Wie relevant ist die Facette der Zusammenarbeit? Viele Jahrzehnte Entwicklungspolitik zeigen, dass auch AKBP in Entwicklungsländern die Entstehung von Abhängigkeiten meiden muss. Auch wenn klar ist, dass heutzutage eine Vielzahl der als bedeutsam geltenden kulturpolitischen Initiativen – z. B. Al Mawred Al Thaqafy in der arabischen Region oder das pan-afrikanische Arterial Network – ohne die langjährige Basisfinanzierung aus Europa und den USA nicht existieren würden. Wie kann Kooperation existenzielle Abhängigkeiten vermeiden und trotzdem Großes bewirken? Wer sind die Partner solcher AKBP? Geht es darum mehr mit deutschen, mehr mit anderen ausländischen, mehr mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten? Und wie kann eine solche Zusammenarbeit zu einer fairen Koproduktion werden? Auch hier gibt es eine Vielzahl an Versuchsinitiativen, vom gemeinsamen deutsch-französischen Kulturinstitut in Ramallah bis zu einer „BangaloREsidency“, die zwar zentral durch das Goethe-Institut gelenkt wird, aber auf künstlerischer Ebene die Koproduktion sucht. Das Ziel einer Kooperationskultur ist bei Weitem nicht erreicht, aber der Weg wird erkundet. Spannend bleibt auch die Frage, was Koproduktion in Ländern wie Frankreich, Kanada oder Japan bedeuten kann.

 

Der Wille lokale Transformationsprozesse zu begleiten ist kein völlig neuer. Doch eine Entscheidung des Auswärtigen Amts und des Goethe-Instituts den Wiederaufbau Afghanistans ab 2002 auch durch eine kulturpolitische Dimension zu bereichern, markierte eine neue Qualität, die AKBP als gleichwertige dritte Säule weiter anzuerkennen. Es wurde eindeutig Position bezogen, der Unterdrückung kultureller Rechte und Freiheiten einer Gesellschaft entgegenzuwirken. Wie erfolgreich dieser Ansatz bisher war, lässt sich aufgrund der Komplexität der Faktoren schwer bestimmen. Mit Blick auf die in vielen Teilen der Welt zunehmende eingeschränkte Meinungsfreiheit und daran umfänglicher werdende Zensur, gerade auch für künstlerisches Arbeiten, wachsen die Aufgaben auch für die AKBP. Die UNESCO weist im 2015 erschienenen ersten Weltberichts zur Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen verstärkt darauf hin, dass der Schutz und die Förderung der Freiheit der künstlerischen Ausdrucksformen auch Aufgabengebiet der Außenpolitik sein muss. Der Fall Böhmermann im März 2016 verdeutlichte – so kontrovers manche Aspekte in diesem Zusammenhang bleiben – wie die in Deutschland im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit geschützt werden muss. Er zeigt auch, welche Rolle dem Künstler innerhalb der deutschen Gesellschaft zugesprochen wird. Doch welche Aufgabe ergibt sich daraus für die Außenpolitik? Trotz bestehender diplomatischer Grenzen, kann AKBP relevantes bewirken – und sie muss es, wenn sie den sich selbst in der Konzeption 2000 bzw. Konzeption 2011 gesteckten Zielen gerecht werden möchte.

 

Wenn man bedenkt, das viele der hier angeführten Beispiele zur Arbeit des Goethe-Instituts genauso, ähnlich und ganz anders von einer Vielzahl weiterer Akteure aus Deutschland, Europa oder direkt im Zielland angegangen werden, öffnet sich ein bei Weitem nicht ausgeschöpfter Möglichkeitsraum. Dieser ruft nach Vernetzung, Offenheit und Interdisziplinarität für eine AKBP als dritte Säule der Außenpolitik eines in seinem gesellschaftspolitischem Grundverständnis global eng verbundenen Deutschlands.


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