Berlin am Pazifik

Die Villa Aurora und das Thomas Mann House in Los Angeles

 

Gibt es auch eine Vernetzung zwischen den Stipendiaten des Thomas Mann House und der Villa Aurora?
Ja, es gibt regelmäßig Austauschtreffen zwischen den Fellows – so nennen wir die Bewohner des Thomas Mann House – und den Stipendiatinnen und Stipendiaten der Villa Aurora. Beide Häuser sind interdisziplinär aufgestellt, was für alle Beteiligten sehr bereichernd ist.

 

Worin unterscheiden sich die beiden Stipendienprogramme weiter?
In der Villa Aurora schreiben wir dreimonatige Stipendien für bildende Künstler, Schriftsteller, Komponisten und Filmschaffende aus; zusätzlich gibt es Partnerstipendien, das Feuchtwanger Fellowship für verfolgte Schriftsteller und Journalisten sowie das Ballhaus Stipendium für Bildgestalter beim Film. Die Fellowships im Thomas Mann House richten sich an Vordenker, Intellektuelle unterschiedlicher Disziplinen, die zu den großen Fragen unserer Gesellschaft und Zeit Stellung beziehen. Die Fellowships dauern je nach Vorhaben drei bis zehn Monate.

 

Wie werden sie vergeben?
Die Stipendien und Fellowships werden öffentlich ausgeschrieben. Für jede Sparte gibt es eine Fachjury, die aus den eingereichten Bewerbungen eine Auswahl trifft. In der bildenden Kunst muss man von Expertinnen und Experten nominiert werden. Die Nominierten reichen dann ihre Bewerbungen ein und es entscheidet ebenfalls eine Jury. Die Thomas Mann Fellows werden von einem interdisziplinär besetzten neunköpfigen Beirat ausgewählt.

 

Inwieweit sehen Sie sich als Verein in der Tradition von Feuchtwanger und Mann?
Sehr stark. Beide sind in den 1930er Jahren in die USA gegangen, weil sie aus dem nationalsozialistischen Deutschland fliehen mussten. Das prägt den Geist der Häuser. Das Gedenken an das geistige kulturelle Erbe von Feuchtwanger und Mann ist ein wesentliches Ziel unseres Vereins. In der heutigen Zeit bedeutet dies, sich für eine wehrhafte Demokratie einzusetzen sowie die Meinungsfreiheit und Menschenrechte hochzuhalten.
Die Ausrichtung des Stipendiatenprogramms in der Villa Aurora ist daher auch für Schriftsteller gedacht. Auch das Feuchtwanger Fellowship für verfolgte und bedrohte Autoren nimmt Bezug auf die Exilgeschichte von Lion Feuchtwanger.
Thomas Mann hat sich in seinen amerikanischen Jahren sehr stark gesellschaftspolitisch engagiert und Stellung bezogen – in seinen Romanen und dezidiert vor allem in seinen berühmten 55 Radioansprachen, in denen er sich von 1940 bis 1945 über die BBC an deutsche Hörer wandte. In diesem Geiste gestalten wir unser Programm. Im Oktober ist eine Reihe gestartet, die – sich in Anlehnung an »Deutsche Hörer!« – »55 Voices for Democracy« nennt. Zu dieser laden wir 55 internationale Stimmen – von anderen Literaturnobelpreisträgern wie Orhan Pamuk über Politikwissenschaftler wie Francis Fukuyama bis hin zu Historikern wie Timothy Snyder – ein, die ihre Idee zur Erneuerung und Stärkung der Demokratie vorstellen.

 

Als die Feuchtwangers in der Villa Aurora lebten, war diese ein beliebter Treffpunkt für Künstler im Exil, aber auch für Amerikaner. Inwieweit ist dieser Charakter des Hauses als Begegnungsort auch ein Aspekt, der weitergeführt wird?
Beide Häuser waren Treffpunkte im „Weimar am Pazifik“, dem Ort der aus Deutschland geflohenen geistigen Elite. Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Bertolt Brecht, Bruno Walter und Max Reinhardt – sie alle lebten in Pacific Palisades, Tür an Tür mit den Feuchtwangers und Manns. Man traf sich zum intellektuellen und künstlerischen Austausch mit den amerikanischen Freunden. An diese Tradition knüpfen wir an und veranstalten zahlreiche öffentliche Konzerte, Vorträge und Symposien, bei denen im Anschluss diskutiert und der transatlantische Dialog gepflegt wird.

 

Es gibt vergleichbare Einrichtungen, wie z. B. die Deutsche Akademie Rom Villa Massimo oder die Kulturakademie Tarabya in Istanbul. Inwiefern stehen Sie mit diesen Einrichtungen im Austausch? Gibt es Synergien?
Wir sind Mitglied im Arbeitskreis „Internationale deutsche Residenzprogramme“, Tarabya und Villa Massimo ebenfalls, aber auch noch viele andere wie der DAAD und die Goethe-Institute. Wir treffen uns regelmäßig. Dabei wurden vier Handlungsthemen festgelegt, zu denen wir uns austauschen, um voneinander zu lernen.

 

Vielen Dank.

 

Dieses Interview ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2019.

Heike Catherina Mertens und Theresa Brüheim
Heike Catherina Mertens ist Geschäftsführerin des Vereins Villa Aurora & Thomas Mann House. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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