Postkoloniale Erinnerungskultur

Zu einem transkulturellen Dialog auf Augenhöhe finden

Die politischen Herausforderungen der Debatte über die Aufarbeitung des kolonialen Erbes sind deutlich weitreichender als die Frage der Legitimation von Ausstellungskonzepten für das wiedererrichtete Schloss. Der kultur- und erinnerungspolitische Diskurs darf deshalb nicht auf ein Projekt verkürzt werden.

 

Wie wir mit unserer kolonialen Vergangenheit umgehen und wie mit Beständen in unseren Museen, die in kolonialen Unrechtsverhältnissen geraubt oder erworben wurden, muss mit vielen Partnern diskutiert und verbindlich geklärt werden.

 

Wir haben uns deshalb in der neu gegründeten Kulturministerkonferenz (Kultur-MK) der Länder vorgenommen, bis zum März mit dem Bund zu einer gemeinsamen Positionierung zu kommen – und zwar nicht, weil das Humboldt Forum eröffnet, sondern weil es einfach richtig, notwendig und längst überfällig ist.

 

Das Gleiche gilt für die Arbeit an einem internationalen Rahmen, etwa analog der Washingtoner Prinzipien, der die Restitution von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten strukturiert und erleichtert. Unser Ziel sollte eine postkoloniale Erinnerungskultur sein, die zur Dekolonisierung unserer Gesellschaft beiträgt.

 

Nur im Perspektivwechsel kann es schließlich gelingen, eurozentristische Narrative in Kultur und Gesellschaft aufzubrechen und zu einem transkulturellen Dialog auf Augenhöhe zu finden. In Hamburg haben wir bereits 2014 mit der Senatsentscheidung zur Aufarbeitung der Hamburger Kolonialgeschichte diesen Weg eingeschlagen.

 

Die Restitution kolonial belasteter Kunstwerke ist in diesem Verständnis nicht der Abschluss eines langwierigen und notwendigen Prozesses der Aufarbeitung eigener Verstrickungen, sondern markiert vielmehr den unabdingbaren ersten Schritt auf dem langen Weg hin zu einer transkulturellen Vernetzung, die überall auf der Welt universalen Zugang zu künstlerischen und kulturellen Schätzen in ihrer ganzen Vielfalt ermöglicht.

 

Wenn das Humboldt Forum dazu motiviert, sich diesen Fragen nicht nur wissenschaftlich zu stellen, sondern sie auch praktisch politisch zu beantworten, dann wäre viel erreicht.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.

Carsten Brosda
Carsten Brosda ist Senator für Kultur und Medien in Hamburg und Vorsitzender der Kulturministerkonferenz (Kultur-MK).
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