Kolonial-Kultur-Debatte als Katalysator

Bei Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten geht es um mehr als um Museumsbestände

 

Eine Zukunftsperspektive ist, welche Objekte zu welchen Konditionen in Deutschland verbleiben und wie über sie geforscht und sie ggf. präsentiert werden. Eine weitere, wie zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus den Ländern des globalen Südens bei uns Marktzugang finden, wie ihre Werke gezeigt und zu fairen Marktbedingungen verkauft werden. Südafrika hat eine boomende Gameswirtschaft, Nigeria hat die weltweit zweitgrößte Filmwirtschaft, nach Bollywood noch vor Hollywood, die populäre Musik ist ein wichtiger kulturwirtschaftlicher Faktor in verschiedenen afrikanischen Ländern. Es gilt unseren Blick zu befreien von folkloristischen Klischees und von paternalistischen Vorstellungen. Dieser neue Blick würde einen wichtigen und wenig beachteten Aspekt der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in den Mittelpunkt des Interesses rücken, nämlich den Nord-Süd-Dialog.

 

Unseres Erachtens liegt gerade in der Zukunftsperspektive ein wesentlicher Unterschied in der Diskussion um den Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten und der Restitution NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes. Die Restitution NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgutes ist Teil der Aufarbeitung des NS-Unrechts, der Beteiligung des Kultursektors daran und der Rückgabe von Kulturgut an die rechtmäßigen Eigentümer bzw. deren Erben. Es ist gut und war bitter notwendig, dass die Bundesregierung seit einigen Jahren ein besonderes Augenmerk hierauf richtet und Ressourcen zur Provenienzrecherche zur Verfügung stellt.

 

Ebenso positiv ist es, dass die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart haben, sich dem Thema Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten zu widmen und zur Provenienzforschung Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Ebenfalls wichtig ist es, die sogenannten Kleinen Fächer an den Universitäten zu stärken, damit hier die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgebildet werden, die im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen der Herkunftsgesellschaften das Sammlungsgut lesen und interpretieren können. Und genauso kommt es darauf an, den Wissenschafts- und den Museumsaustausch weiter auszubauen. Eine zentrale Herausforderung wird sein, den Blick zu ändern, weg vom Blick auf das Exotische, hin zur gleichberechtigten Betrachtung eines Teiles des Welterbes.

 

Doch um unsere koloniale Tradition wirklich zu beenden, müssen wir Afrika endlich auch politisch und wirtschaftlich gleichberechtigt behandeln. Ein wichtiger erster Schritt muss sein, Afrika deutlich mehr Zugänge zu unseren Märkten zu geben. In der Wirtschaftspolitik Europas und der USA wird besonders deutlich, dass das koloniale Denken noch längst nicht überwunden ist. Die Debatte um die Museumsbeständen aus kolonialen Kontexten werden hier ein wirkungsvoller Katalysator, weit über den Kulturbereich hinaus sein.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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