Von halben und ganzen „Katoffln“

Ein Podcast über das Leben zwischen den kulturellen Stühlen

„Halbe Katoffl“ wurde aufgrund eines Mangels in der massenmedialen Berichterstattung ins Leben gerufen. Wie ist das heute? Fehlt immer noch etwas? Wenn ja, was genau?
Es hat sich auf jeden Fall was getan – allein schon in der Podcast-Szene. Als ich anfing, gab es keinen deutschsprachigen Podcast, der sich mit dem Thema beschäftigt hat. Jetzt haben wir 10 bis 20 Podcasts von People of Colour. Es gibt auch Videoformate wie Germania von funk, es gibt Datteltäter und andere. Aber es kann noch mehr geben und noch selbstverständlicher sein, dass People of Colour (PoC) Moderatoren, Journalisten, vor und hinter der Kamera sind.

 

Was können Medien – über das Format des Podcast hinaus – in Zukunft tun, um Diversität präsenter zu machen?
Erstens Leute mit Migrationshintergrund einstellen: Die Redaktion sollte Vielfalt aufweisen und verschiedene Perspektiven haben. Es muss ja nicht immer das Herkunftsland sein, auch Frauen oder Menschen mit anderem sozialen Background können einer Redaktion nur helfen. Intern sollte die Ausgewogenheit geprüft werden. Ich habe früher bei einer Zeitung gearbeitet. Da war das nicht der Fall. Zweitens sensibler schauen, was man berichtet – gerade bei den Themen Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund, andere Nationalität, auch in Bezug auf Kriminalität. Da wird heute noch sehr viel falsch gemacht. Das liegt nicht daran, dass alle rechts sind, sondern dass man sich damit entweder nicht beschäftigt oder nicht sensibel genug ist. Das könnte schon viel bewirken.

 

Wenn wir bei der Zukunft sind, wie soll es mit „Halbe Katoffl“ weitergehen?
Natürlich soll es noch weiter wachsen – sowohl was die Hörerzahlen als auch die Episodenmenge anbelangt. Ich kann mir vorstellen, „Halbe Katoffl“ auf andere Medien auszuweiten, z. B. ein Buch oder eine Ausstellung zu machen. Wir hatten gerade Gespräche für ein PoC-Podcast-Festival, was bestimmt kommen wird.

 

Inwieweit besteht ein genereller Austausch mit Podcast-Kollegen?
Wir sind sehr stark im Austausch und unterstützen uns vor allem über die sozialen Medien, vornehmlich Instagram. Ich freue mich immer, wenn es einen neuen Podcast gibt, der das Thema behandelt. Wir sind uns alle wohlgesinnt und denken, es kann noch mehr Formate von PoC geben. Egal ob die Sichtweise eine deutsch-vietnamesische, eine muslimische oder afro-deutsche ist: Wir wissen, dass wir alle zusammengehören. Das ist ein gutes Gefühl. Denn es ist wichtig, dass PoC sich trauen, was in ihrem Feld zu machen. Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen: „Hm, ich weiß nicht, ob ich das darf oder ich kenne da niemanden, der das macht.“ Ich habe lange nicht daran geglaubt, dass ich Journalist werden kann. Ich habe damals nie einen asiatischen Menschen in deutschen Zeitungen oder als Lehrer gesehen. Dieses Gefühl sollte jemand, der hier aufwächst, nicht haben.

 

Dieses Gefühl hat Ihnen die Gesellschaft aus Mangel an Vorbildern vermittelt?
Es gab keine Vorbilder. Das heißt, man denkt gar nicht drüber nach. Ich weiß noch, dass mir jemand erzählt hatte: „Der und der hat sich bei der Journalistenschule beworben.“ Und ich dachte: „Krass, Journalistenschule.“ Zu dem Zeitpunkt hätte ich mich nicht getraut, mich zu bewerben. Das ist natürlich meine persönliche Erfahrung, aber es hätte mir geholfen, wenn man in verschiedenen Positionen unterschiedliche Menschen gesehen hätte, mit denen ich mich hätte identifizieren können. Ich habe mich umgeguckt und sah keine Polizisten, keine Richter, keine Lehrer, keine Ärzte, die asiatischer Herkunft oder dunkelhäutig sind. Hinzu kommt, dass ich aus einem nicht akademischen Haushalt komme. Ich habe nicht mal gedacht, dass ich studieren werde. Zu Beginn meines Studiums hatte ich ein Gespräch mit einem Kumpel marokkanischer Herkunft. Er hat Medizin studiert und dachte zu Beginn auch: Hoffentlich fällt es keinem auf, dass ich hier eigentlich nicht hingehöre. Ich glaube, das Gefühl haben die meisten heute nicht mehr, oder zumindest hoffe ich es.

 

Vielen Dank.

 

Dieses Interview ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2019.

Frank Joung und Theresa Brüheim
Frank Joung ist Chefredakteur bei Achilles-Running.de und Gründer des Podcasts "Halbe Katoffl". 2018 war "Halbe Katoffl" für den Grimme Online Award nominiert. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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