Der Journalist Frank Joung wollte schon immer was mit seinem Migrationshintergrund machen. Mit dieser Idee im Hinterkopf setzte er 2016 den Podcast „Halbe Katoffl“ in die Tat um. Joung spricht zweimal monatlich kurzweilig und unterhaltsam mit Menschen, die so sind wie er – „Halbe Katoffln“ nämlich. Theresa Brüheim hat nachgefragt, wie Integration, Identität und Stereotype heute zeitgemäß in den Medien thematisiert werden sollten.
Theresa Brüheim: Sie beginnen Ihren Podcast immer mit der Passkontrolle. Was hat es damit auf sich?
Frank Joung: Das war eine Idee, die spontan in einem Gespräch entstand. Ich spreche nicht immer mit Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Man hat also kein direktes Bild von ihnen. Außerdem hört man die Leute, aber sieht sie nicht. Durch die Passkontrolle bekommt man einerseits eine Vorstellung, wie jemand aussehen könnte. Andererseits ist es ein Gag: Ich checke so, ob die Person deutsch ist. Manche erleben das auch im Alltag: Sie werden am Bahnhof angehalten mit der Aufforderung „Bitte mal den Pass zeigen“.
Wie sind die Reaktionen der Gesprächspartner darauf?
Diejenigen, die den Podcast vorher nicht gehört haben, erkenne ich daran, dass sie überrascht sind. Bisher hat noch niemand den Pass nicht zeigen wollen.
Der Podcast, von dem wir sprechen, heißt „Halbe Katoffl“. Ist das mehr als nur ein griffiger Name?
Für die Benennung des Podcasts war mir wichtig, dass der deutsche Anteil herausgestellt wird. Denn das ist der gemeinsame Nenner, den ich mit all den Gesprächspartnern habe: unsere deutsche Identität – in welcher Weise auch immer. Das Wort „deutsch“ sollte aber nicht im Titel stehen, da es in die falsche Richtung interpretiert werden kann. Also habe ich nach Synonymen gesucht und kam schnell auf die Kartoffel.
2016 ging die Pilotfolge live. Ein paar Jahre, bevor der große Podcast-Hype Deutschland erfasst hat. Wie sind Sie zum Podcasten gekommen?
Angefangen hat es mit amerikanischen Sport-Podcasts, insbesondere Basketball-Podcasts. Ich fand das Medium so toll und dann habe ich mir gedacht: „Das müsste man auch mal machen“. Das Thema kam später dazu. Ich wollte gern mit Menschen sprechen, die so sind wie ich.
Wie kam die Idee zum Thema?
Als Journalist gefiel es mir gar nicht, wie über Menschen mit Migrationshintergrund in den Massenmedien berichtet wird. Entweder war das die Rassismus-Story aus einer Opferhaltung heraus oder die Aufsteigergeschichte. Es gibt noch mehr als diese schablonenartigen Geschichten. Ich habe mich gefragt, weshalb nicht mit Menschen geredet wird, die so sind wie ich. Die „Halben Katoffln“ können sich identifizieren und die „Ganzen Katoffln“ können was aus dieser Welt mitnehmen.
Laut Selbstbeschreibung will „Halbe Katoffl“ lustig, unterhaltsam und kurzweilig über die Themen Integration, Identität und Stereotype sprechen.
Wieso ist gerade das wichtig?
Wenn öffentlich über Integration und Stereotype gesprochen wird, tun dies meistens weiße Menschen – oftmals im politischen Kontext. Jeder versucht, klug zu wirken und besonders viele Fremdwörter einzubringen. Sie sprechen über die anderen, wie man die integrieren kann oder warum die so sind. Das ist eine sehr einseitige Sicht, die auch einfach langweilig ist. Und es erreicht die »Halben Katoffln« gar nicht. Zumindest kommt es bei mir nicht an. Mein Gefühl ist, dass Geschichten und Anekdoten aus dem Leben, die manchmal traurig und manchmal lustig sind, viel mehr bringen und näher an den Menschen sind.
An dieser Stelle muss ich sagen: großes Kompliment. Hört man „Halbe Katoffl“, hat man das Gefühl, mit am Tisch zu sitzen. Es ist sehr nahbar. Wie wählen Sie Ihre Gesprächspartner aus?
Es fängt so an, dass ich jemanden kenne, mit dem ich rede, oder jemand kennt jemanden … über diese Schiene. Dann gibt es Leute, die ich gezielt aussuche. Manche bieten sich selbst an. Das ist für mich schwierig, weil ich, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit stehen, nur bedingt einschätzen kann, ob sie sich für einen Podcast eignen. Auch wenn für mich jeder eine interessante Geschichte hat, kann nicht jeder sie gut rüberbringen.
Jedes Gespräch, jede Podcastfolge ist sehr persönlich. Können Sie in den drei Jahren, die Sie „Halbe Katoffl“ machen, dennoch ähnliche Erfahrungen oder Geschichten feststellen, die die Gesprächspartner miteinander teilen?
Alle beschäftigt die Frage nach Identität. Unterschiede zeigen sich dann dabei, wie man sie angeht. Auch Alter und deutscher Wohn- bzw. Heimatort spielen eine Rolle. Jemand, der auf dem Dorf aufgewachsen ist, hat andere Erfahrungen gemacht als jemand, der in der Stadt groß geworden ist. Aber alle wurden mit ihrer Identität konfrontiert. Das ist eine Gemeinsamkeit. Und ich habe festgestellt, dass es sich interessanterweise bezüglich des Alters sehr ähnelt. 20-Jährige machen sich in der Regel weniger Gedanken darum als 40-Jährige. Mit 20, 25 hat man andere Themen, die einen vordergründig beschäftigen.
Seit diesem Jahr gibt es zusätzlich „Halbe Katoffl Sport“. Das ist ein Kooperationsprojekt mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Für diese Podcastfolgen sprechen Sie mit Sportlerinnen und Sportlern. Inwiefern unterscheiden sich diese Folgen vom klassischen Podcast?
An sich unterscheiden sie sich nicht. Aber was der Sport leisten kann – und das ist ein Klischee, das stimmt – ist, dass während Kindheit, Pubertät und Jugend Sport Selbstbewusstsein bringt. Ein Sportverein oder eine Sportdisziplin ist ein Mikrokosmos, in dem man als Sportler integriert ist und meistens anders gesehen wird. Da zählt Leistung, da zählt das gemeinsame Sporttreiben. Auch für mich war dieser geschützte Raum wichtig. Aus meinen Gesprächen weiß ich, dass das für viele sehr wohltuend ist.