Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 – Eine erste Einordnung der Antworten

Antworten der Parteien auf die Fragen des Deutschen Kulturrates

Soziale Lage und Geschlechtergerechtigkeit

 

In der Coronapandemie trat die schwierige soziale Lage speziell von selbständigen Künstlerinnen und Künstlern sowie anderen Soloselbständigen in Kultur und Medien sehr deutlich zutage. Die SPD will die sozialen Sicherungssysteme weiterentwickeln, um die oben genannten Gruppen krisenresilienter zu machen. Die Existenz der Künstlersozialversicherung ist für die SPD nicht verhandelbar. Die Arbeitslosenversicherung soll für Selbständige zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickelt werden. Um mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, sollen Jurys und Gremien quotiert besetzt werden. Weiter soll sich für mehr Diversität im Kulturbereich stark gemacht werden. CDU/CSU wollen prüfen, ob die Arbeitslosenversicherung für Selbständige weiterentwickelt werden kann. Ferner soll der Schutz in der Kranken- und Pflegeversicherung bei nichtkünstlerischer selbständiger Tätigkeit von Versicherten in der Künstlersozialversicherung ausgebaut werden. Dem Gender Pay Gap soll durch Anwendung des Entgelttransparenzgesetzes entgegengewirkt werden. Die Linke spricht sich für eine Einbeziehung aller in die gesetzliche Sozialversicherung aus. Die Beiträge Selbständiger zur Arbeitslosenversicherung sollen sich am tatsächlichen Einkommen orientieren. Weiter plädieren sie für verbindliche Mindeststandards für Künstlerhonorare, branchenspezifische Honoraruntergrenzen und Ausstellungsvergütungen für Bildende Künstler. Der Gender Pay Gap soll überwunden werden. Auch Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich für branchenspezifische Mindesthonorare aus. Sie wollen den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbständige verbessern und die Grundrente zu einer Garantierente weiterentwickeln. Bei Stipendien, Jurys und Intendanzen soll eine Geschlechterquote eingeführt werden. Die FDP spricht sich für maximale Wahlfreiheit in der Altersvorsorge für Selbständige aus, hält allerdings in der Gründungsphase die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Renten- sowie Krankenversicherung für angemessen. Die Beiträge für Selbständige in der gesetzlichen Krankenkasse sollen sich am tatsächlichen Einkommen orientieren und die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbständige erhalten bleiben. In den Kultureinrichtungen soll es mehr Diversität geben, dazu soll eine Begrenzung der Amtszeiten von Jurymitgliedern sowie auf den obersten Leitungsebenen von Kultureinrichtungen beitragen. Gleichstellung bezieht sich für die FDP auch auf Menschen mit Beeinträchtigungen sowie Personen der LSBTI-Community. Die AfD spricht sich dafür aus, dass Selbständige selbst für das Alter vorsorgen. Für Künstler und Publizisten gibt es mit der Künstlersozialkasse bereits Entlastungen. Eine verpflichtende Arbeitslosenversicherung für Selbständige entspricht aus ihrer Sicht  nicht der sozialen Marktwirtschaft. Mit Blick auf eine angemessene Bezahlung im Kulturbereich wird Nachholbedarf gesehen. Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit werden von der AfD abgelehnt.

 

Kultur- und Kreativwirtschaft

 

Die Rahmenbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft plant die CDU/CSU zu verbessern. Sie will sich für eine angemessene Vergütung in Kultur und Medien einsetzen. Die SPD will ordnungspolitische Maßnahmen ergreifen, um der Kultur- und Kreativwirtschaft auf die Beine zu helfen. Dabei geht es um kulturförderliche Maßnahmen im Steuerrecht, Urheberrecht und in der Künstlersozialversicherung. Es wird sich für Mindestgagen und Ausstellungsvergütungen ausgesprochen. Die FDP will ebenfalls die Kultur- und Kreativwirtschaft stärken und setzt dabei insbesondere auf ein Innovationsprogramm für digitale Geschäftsmodelle. Eine angemessene Vergütung wird als essenziell angesehen, um die soziale Lage der Künstler zu verbessern. Die Linke will Mindesthonorare einführen und für die Dauer der Pandemie eine monatliche Pauschale von 1.200 Euro an Künstler zahlen. Diese Pauschale soll rückwirkend zum März 2020 gezahlt werden. Weiter soll die Künstlersozialkasse für weitere Berufsgruppen geöffnet werden. Bündnis 90/Die Grünen wollen ebenfalls ein Investitionsprogramm für die Digitalisierung auflegen, das sich auch an die Kultur- und Kreativwirtschaft richtet. Der Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse soll auf 25 Prozent erhöht werden. Weiter setzt sich die Partei für Mindesthonorare ein. Die AfD ist der Auffassung, dass alle erwerbstätigen Bürger eine faire Vergütung für ihre Leistungen erhalten sollen.

 

Urheberrecht und Steuerrecht

 

Mit der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht, darin besteht weitgehende Übereinstimmung bei den Parteien, wurde ein wichtiger Schritt im Urheberrecht geleistet. Die SPD will mit einem Verbandsklagerecht nachsteuern. Auch Die Linke will sich für ein Verbandsklagerecht einsetzen und Uploadfilter gesetzlich einschränken. Bündnis 90/Die Grünen sehen weiteren Anpassungsbedarf im Urheberrecht, speziell hinsichtlich der angemessenen Vergütung der Urheber und der elektronischen Ausleihe von E-Books zu angemessenen Bedingungen. Die AfD vermisst einen Ausgleich der Interessen der Urheber und der Verbraucher.

 

Das Steuerrecht spielte bei den Antworten nur eine untergeordnete Rolle. Einzig die FDP plant eine Umsatzsteuerreform.

 

Kulturelle Bildung

 

Mit Blick auf das kulturelle Bildungsprogramm des Bundes „Kultur macht stark“ verweisen CDU/CSU, SPD und Die Linke auf die Verlängerung des Programms. Der Kultur im ländlichen Raum wird von den Parteien große Bedeutung beigemessen. Bündnis 90/Die Grünen wollen hierfür eine Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ schaffen. Die Linke spricht sich für ein Bundesprogramm „Digital-Allianz Bildung“ für die schulische und außerschulische kulturelle Bildung aus. Die FDP will einen Digitalpakt 2.0 schaffen und zehn Prozent des Budgets für kulturelle Bildung in Kultureinrichtungen reservieren. Die AfD spricht sich gegen „Kultur macht stark“ aus, da damit die Kulturhoheit der Länder ausgehöhlt wurde. Die digitale Bildung soll verbessert werden, insbesondere durch die Verbesserung der technischen Infrastruktur.

 

Kulturelle Vielfalt und Erinnerungskultur

 

Bis auf die AfD sehen alle Parteien kulturelle Vielfalt als eine Chance und einen Faktor für die Integration. Daher soll allen Bürgern der Zugang zu Kultur ermöglicht werden. Die Erinnerungskultur wird mit Ausnahme der AfD als ein wesentliches kulturpolitisches Handlungsfeld gesehen – auch um Antisemitismus und Fremdenhass entschieden entgegenzutreten. SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich dafür aus, die Erinnerungskultur den Gegebenheiten einer Einwanderungsgesellschaft anzupassen. Die AfD will in der Erinnerungskultur positive Aspekte der deutschen Geschichte nach vorne stellen und der  – aus ihrer Sicht erfolgten falschen – Fokussierung der Erinnerungskultur auf die NS-Diktatur entgegenwirken.

 

Resümee

 

Die Antworten der Parteien auf die Fragen des Deutschen Kulturrates zur Bundestagswahl 2021 zeigen, dass es kulturpolitisch nicht gleichgültig ist, bei welcher Partei die Wählerinnen und Wähler das Kreuz setzen. Trotz einiger Überschneidungen und ähnlicher Vorhaben gibt es auch eine ganze Reihe von Unterschieden.

 

Machen Sie sich also selbst ein Bild von den Plänen, Vorhaben und Anliegen der Parteien. Und vor allem auch bei dieser Bundestagswahl gilt wieder: Gehen Sie wählen!

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 9/2021.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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