Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 – Eine erste Einordnung der Antworten

Antworten der Parteien auf die Fragen des Deutschen Kulturrates

Die Bundestagswahl ist auch eine Wahl über die Ausrichtung der Kulturpolitik in der kommenden Wahlperiode 2021 bis 2025. Der Deutsche Kulturrat hat daher auch zu dieser Wahl den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien Fragen zu ihren kulturpolitischen Vorhaben und Plänen vorgelegt. Bereits im Vorfeld hatten Bündnis 90/Die Grünen, CDU und CSU, FDP sowie die SPD mitgeteilt, dass sie jeweils nur acht Fragen à 300 Zeichen beantworten werden. Hierfür hatten die genannten Parteien Portale erstellt, in die die Fragen eingegeben werden mussten.

 

Durch diese Maßnahme wird das Instrumentarium „Wahlprüfsteine“ ausgehöhlt. Einige Parteien sprachen von einer „Inflation“ an Wahlprüfsteinen und sahen in der verordneten Formalisierung eine Art Selbstschutz vor zu vielen Fragen. Es ist schon grotesk, dass sich in einem Wahlkampf konkurrierende Parteien offenbar untereinander abstimmen, um nicht mehr so viele Fragen nach ihrer Politik beantworten zu müssen. Bündnis 90/Die Grünen, CDU/ CSU, FDP und SPD beschädigen mit diesem Vorgehen ein wichtiges Instrumentarium, um ihre Politik in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen ausführlich darzustellen.

 

Im Folgenden werden die Antworten der Parteien auf unsere Fragen, die durch die beschriebenen Vorgaben deutlich beschränkt sind, kursorisch vorgestellt. Auf den nachfolgenden Seiten ist eine Synopse der Antworten zu finden. Wir haben die in der 19. Legislaturperiode im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien um eine Beantwortung unserer Frage gebeten. Alle haben geantwortet.

 

Die kompletten Antworten der Parteien finden Sie auf den Seiten des Deutschen Kulturrates unter: kulturrat.de/thema/bundestagswahl-2021.

 

Kulturpolitische Ziele und Strukturen

 

Alle Parteien stimmen darin überein, dass die Coronapandemie den Kulturbereich stark getroffen hat und daher Maßnahmen erforderlich sind, um Kunst und Kultur wieder auf die Beine zu helfen. CDU/CSU wollen sich auf die Wiedergewinnung der Wachstumsraten der Kultur- und Kreativwirtschaft konzentrieren, die SPD will den Neustart abfedern, die FDP plant, den Kulturetat des Bundes zu erhöhen, und Bündnis 90/Die Grünen wollen insbesondere die Kommunen stärken, da sie die Grundlage für die kulturelle Infrastruktur bilden. Die AfD spricht sich gegen jegliche Einschränkungen des Kulturbetriebs in der Pandemie aus. Als wichtigstes kulturpolitisches Ziel nennt sie den Kampf gegen die „Ideologisierung“ des Kulturbereiches.

 

Für das Staatsziel Kultur im Grundgesetz wollen sich SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen einsetzen. CDU/CSU wollen prüfen, ob die Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz Vorteile bringen würde. Die AfD lehnt das Staatsziel Kultur ab und will die deutsche Sprache als Staatssprache im Grundgesetz festschreiben.

 

Für ein Bundeskulturministerium spricht sich nur Die Linke unmissverständlich aus. Bündnis 90/Die Grünen halten ein Bundeskulturministerium nur dann für sinnvoll, wenn unterschiedliche Zuständigkeiten zusammengefasst werden. CDU/CSU und FDP wollen an der jetzigen Struktur festhalten. Die SPD will, dass der Beauftragte für Kultur und Medien im Kanzleramt Ministerrang erhält. Die AfD stellt die Kulturhoheit der Länder nach vorne und begründet damit die Ablehnung eines Bundeskulturministeriums.

 

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und UN-Agenda 2030

 

CDU/CSU unterstreichen die Bedeutung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) für Völkerverständigung und europäische Integration. Die SPD will die bisherige Arbeit fortsetzen und insbesondere die Verschränkung der Kulturpolitik im In- und Ausland vorantreiben. Ferner soll die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft sowie die deutsch-französische Zusammenarbeit ausgebaut werden. Ein besonderes Augenmerk soll auf die Stärkung der Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent gelegt werden. Weiter will sie sich für die Freiheit von Kunst und Wissenschaft weltweit stark machen. Die Umsetzung der UN-Agenda 2030 soll ein wesentlicher Bestandteil der AKBP werden. Die AfD hält die AKBP im Großen und Ganzen für gut aufgestellt, sie soll pragmatisch und realistisch fortgeführt werden. Das gilt insbesondere für die Auslandsschulen, den DAAD, das Goethe-Institut und die Deutsche Welle als Botschafter Deutschlands in der Welt. Aus Sicht der AfD soll jeder Staat das Recht haben, seine Leitkultur zu stärken. Die UN-Agenda 2030 als solche wird als ideologisch angesehen, sie soll daher in der AKBP keine Rolle spielen. Die FDP will die AKBP als Aushängeschild Deutschlands stärken und speziell die digitalen Angebote der Mittlerorganisationen verstärkt fördern. Zur Gründung von Auslandsschulen soll ein Masterplan vorgelegt werden. Besonders wichtig ist der Einsatz gegen die Beschneidung kultureller Freiheiten. Die Linke will mit der AKBP nationalstaatliches Denken überwinden und damit zu kultureller Vielfalt einen Beitrag leisten. Nachhaltige Produkte sollen gefördert werden. Bündnis 90/Die Grünen wollen die AKBP stärken und die Zusammenarbeit mit der UNESCO und dem Europarat intensivieren. Sie wollen sich bei künftigen Handelsabkommen für Kultur und audiovisuelle Medien einsetzen. Damit gehen sie als einzige Partei auf die wirtschaftspolitische Komponente der UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt ein. Zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele soll ein „Green Culture Fonds“ eingerichtet werden.

 

Kultur-, Medien- und Digital-politik

 

Die Digitalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche hat für die CDU/CSU oberste Priorität. Es soll daher ein Digitalministerium eingerichtet werden, um die Infrastruktur zu modernisieren und Behörden zu bündeln. Die FDP will ein Ministerium für digitale Transformation schaffen, das den Ausbau der digitalen Infrastruktur beschleunigen und die rechtlichen

 

Rahmenbedingungen für die Digitalisierung gestalten soll. Bündnis 90/Die Grünen zeigen sich offen für eine vermehrte Bündelung der Kompetenzen mit Blick auf Kultur-, Medien- und Digitalpolitik. Die SPD will eine agile und projektorientierte Digitalpolitik vom Kanzleramt aus gestalten. Wichtig ist ihr ferner, die Stärkung des Digitalen als künstlerischen Raum sowie die Entwicklung von Erlösmodellen für die Kultur im digitalen Raum. Die Linke will Kultureinrichtungen unterstützen, damit sie Digitalisierungspotenziale nutzen können. Sie planen ein „digitales Kulturportal“, das die Kooperation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Kultureinrichtungen vorantreibt. Die AfD sieht die wachsende Bedeutung der Digitalisierung für den Kulturbereich, weist allerdings auf mangelnde Monetarisierungsmöglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler hin. Auch warnt sie davor, dass die klassischen analogen Kulturangebote durch vermehrte digitale Angebote veröden könnten. Die Meinungsvielfalt sieht sie gefährdet und will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Richtung eines „Grundfunks“ abbauen.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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