Antworten der SPD auf die Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021

 

5. Planen Sie Maßnahmen zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft? Wenn ja, welche? Wollen Sie Honorarmindeststandards etablieren? Wie wollen Sie die Vergabepraxis im Kultur- und Medienbereich künftig gestalten? Werden Sie den Künstlersozialabgabesatz weiterhin stabil halten?

 

Die Kultur- und Kreativwirtschaft gehört zu den umsatz- und beschäftigungsstärksten Bereichen unserer Volkswirtschaft. Deshalb gehören ihre Belange für uns auch in den kulturpolitischen Blick. Es gibt herausragende Kunst, die ohne staatliche Förderung zustande kommt. Damit das so bleibt, wollen wir ihre wirtschaftlichen Förderer*innen unterstützen. Wir werden uns daher auch um die entsprechenden Kulturmärkte zum Beispiel in Literatur, Kunsthandel und Musik kümmern, ordnungspolitische Initiativen ergreifen und Marktrahmenbedingungen gerade angesichts der Digitalisierungsumbrüche so gestalten, dass kulturwirtschaftlich inhaltebezogene Geschäfts- und Erlösmodelle gestärkt werden. Dort, wo zunehmendes Marktversagen festzustellen ist – wie beispielsweise bei den kleineren Literaturverlagen – werden wir gezielte Förderinstrumente entwickeln, um kulturelle Vielfalt sicher zu stellen.

 

Entscheidend dafür ist die Gesetzgebung des Bundes, die

„kulturförderlich“ zu gestalten ist. Die sich verändernden kulturellen Wertschöpfungsketten bedürfen einer zeitgemäßen

„kulturellen Ordnungspolitik“, etwa in den Bereichen Steuerrecht, Urheberrecht oder Künstlersozialversicherung.

 

Wir wollen eine Weiterentwicklung bestehender Förderlogiken hin zu inhaltlich strukturbildenden Maßnahmen und Impulsen. In jeder Struktur müssen aber freie Kunstproduktionen möglich sein.

 

Künstler*innen müssen mit ihren Gagen und Erlösen neben dem Lebensunterhalt auch Probe-, Atelier- und Aufführungsräume finanzieren und sind oft in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Die Corona-Pandemie hat viele Kulturschaffende und Kultureinrichtungen wie Theater, Kinos, Clubs und die gesamte Veranstaltungswirtschaft in eine existentielle Krise gestürzt. Sie alle in dieser Krise und danach bestmöglich zu unterstützen, wird eine unserer zentralen Aufgaben in den kommenden Jahren sein. Hierzu gehört auch, dass Kulturförderung eine auskömmliche Finanzierung des Lebensunterhalts zum Beispiel durch Mindestgagen und Ausstellungshonorare für freischaffende Künstler*innen sicherstellt.

 

Der SPD ist die soziale Absicherung von Künstler*innen und Publizist*innen ein besonderes Anliegen und wir haben deshalb in der Corona-Pandemie verschiedene Maßnahmen ergriffen, damit Versicherte der Künstlersozialkasse (KSK) Unterstützung erhalten. So haben wir die KSK mit rund 85 Millionen Euro bezuschusst, damit der Abgabesatz von 4,2 % auch im Jahr 2022 stabil bleibt. Die Künstlersozialversicherung ist für uns unverhandelbar.

 

6. Werden Sie nach der Umsetzung der DSM-Richtlinie in deutsches Recht weitere gesetzgeberische Maßnahmen im Urheberrecht ergreifen? Wenn ja, welche Akzente wollen Sie setzen? Planen Sie Veränderungen im Steuerrecht, insbesondere Umsatzsteuerrecht, für den Kultur- und Medienbereich? Wenn ja, welche?

 

Mit der Umsetzung der EU-Urheberrechtslinie wurde für Künstler*innen viel erreicht: Plattformen sind nun gegenüber den Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern verantwortlich für Rechtsverletzungen und müssen künftig Lizenzen erwerben. Kreative erhalten einen Direktvergütungsanspruch und sie profitieren von neuen Transparenzvorschriften über die gesamte Lizenzkette, mit denen ihre Position insbesondere gegenüber den Streaminganbietern bei der Durchsetzung einer fairen Vergütung gestärkt wird.

 

Um zu verhindern, dass Künstler*innen und Künstler, die Vergütungen einklagen, auf einer schwarzen Liste landen, wollen wir darüber hinaus in der kommenden Wahlperiode mit einem Verbandsklagerecht gegen unangemessene Vergütungen nachsteuern. Eine entsprechende Reglung in dieser Wahlperiode ist leider an unserem Koalitionspartner gescheitert.

 

Die Regelungen, die im Gesetz zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie getroffen wurden, müssen sich für Künstler*innen im Übrigen nun zunächst bewähren. Wir beobachten dies aufmerksam.

 

Das Umsatzsteuerrecht sieht im Einklang mit den verbindlichen Vorgaben des EU-Rechts eine ganze Reihe von Begünstigungen und Steuerbefreiungen für Kulturgüter vor. Daran werden wir festhalten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der finanzielle Spielraum in den Haushalten der Kommunen für den Bereich Kultur erhalten bleibt.

 

7. Wie wollen Sie das Bundesprogramm ,,Kultur macht stark“ weiterentwickeln? Planen Sie Maßnahmen zur Stärkung der digitalen Bildung in der außerschulischen Bildung? Werden Sie sich für Kultur und kulturelle Bildung im ländlichen Raum stark machen? Wenn ja, was planen Sie?

 

Seit 2013 wurden jährlich 50 Millionen Euro in das Programm „Kultur macht stark“ investiert. Damit konnten schon eine Million Kinder und Jugendliche, vor allem aus einkommensschwachen Haushalten, gefördert werden. Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, bereits jetzt die Förderphase bis zum Jahr 2027 festzuschreiben. Dabei werden auch digitale Formate und ländliche Räume berücksichtigt. Darüber hinaus wollen wir die kulturellen Infrastrukturen überall im Land stärken. Die Vielfalt der kulturellen Angebote in den Regionen und gerade auch im ländlichen Raum trägt zur Lebensqualität bei. Hier wird auch die Bundeskulturpolitik weitere Impulse setzen. Wir werden Programme auflegen, mit denen kulturelle Freiräume sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Räumen gesichert und entwickelt werden können.

 

8. Werden Sie sich für die kulturelle lntegration und den Zusammenhalt in Vielfalt in Deutschland einsetzen? Was planen Sie konkret? Welche Relevanz hat in diesem Zusammenhang die Erinnerungskultur für Sie? Was wollen Sie tun, um Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten?

 

Sozialdemokratische Kulturpolitik erhebt den Anspruch, allen Bürger*innen den Zugang zu Kunst und Kultur, unabhängig von Herkunft, Bildung, sozialer Lage und finanziellen Mitteln zu ermöglichen. Teilhabe an Kunst und Kultur ist ein Schlüssel zu Selbstbewusstsein, Persönlichkeitsentwicklung, Bildung und Integration. Ein möglichst flächendeckendes Kulturangebot – offen für alle – ist das Ziel nserer Politik. Wir werden uns mit Nachdruck darum kümmern, dass sich die Kultureinrichtungen weiter öffnen können und Bemühungen um ein diversitätsorientiertes Audience Development stärken. Wir werden Barrieren senken – auch materielle Barrieren. Kulturelle Vielfalt werden wir mit gezielten Unterstützungsprogrammen stärken.

 

Wir brauchen eine Erinnerungskultur, die Wissen vermittelt und Empathie schafft; die Entwicklungen nachvollziehbar macht und hilft, das Damals und das Heute in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit zu verstehen; die zeigt: Unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich, sondern wurde über viele Jahrzehnte erstritten und muss heute und zukünftig verteidigt werden. Wir stehen für eine Erinnerungskultur, die keine Geschichtsbilder vorgibt, sondern zur Reflexion, zum Hinterfragen der eigenen und der Anerkennung anderer Perspektiven anregt. Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland hat sich intensiv mit dem Zivilisationsbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auseinandergesetzt.

 

Das Erstarken von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus stellt uns jetzt vor neue Herausforderungen. Wir wollen auch in Zukunft mit der Aufarbeitung allen Tendenzen zum Desinteresse, Verschweigen und Bagatellisieren von Erfahrungen gesellschaftlicher Ausgrenzung, Benachteiligung und Verfolgung in der Gesellschaft generationsübergreifend entgegenwirken. Damit wollen wir auch die Menschen erreichen, die keinen familiengeschichtlichen Bezug zur Geschichte des NS-Regimes oder dem SED- Unrechthaben, aber durch eigene Migrationsgeschichte Bezüge herstellen können.

 

Aus der Geschichte zu lernen, heißt auch, Schlüsse auf die aktuellen Gefährdungen unserer Demokratie zu ziehen. Hierzu braucht es verstärkte schulische und außerschulische politische Bildungsarbeit, mit der Demokratiebildung und demokratische Partizipation gestärkt werden.

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