Kultur macht stark II jetzt auf den Weg bringen

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Fortsetzung des BMBF-Programms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung"

Berlin, den 09.12.2015. Mit dieser Stellungnahme positioniert sich der Deutsche Kulturrat für eine Fortsetzung des BMBF-Programms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. Er fordert den Deutschen Bundestag auf, entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen und fordert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf, in bewährter Weise mit Verbänden und Initiativen in der Umsetzung des Programms zusammenzuarbeiten.

 

Im Nationalen Bildungsbericht 2010 wurde herausgearbeitet, dass der soziale und ökonomische Hintergrund der Eltern nach wie vor einen erheblichen Einfluss auf die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen hat. Vor diesem Hintergrund hat das BMBF im Jahre 2012 das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ aufgelegt. Ziel des Programmes ist es, einen Beitrag für mehr Bildungsgerechtigkeit zu leisten und insbesondere Kindern und Jugendlichen, die in Risikolagen aufwachsen, mit kulturellen Angeboten bessere Zugänge zu Bildung und zu gesellschaftlicher Teilhabe zu eröffnen.

 

Für das Programm wurden im Jahr 2012 für eine Laufzeit von fünf Jahren 230 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit ist „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ das bislang finanziell umfangreichste Programm zur Förderung kultureller Bildung in der bundesdeutschen Geschichte.

 

Aus über 160 Bewerbungen wurden 2012 insgesamt 34 Verbände und Initiativen in einem wettbewerblichen Verfahren von einer Expertenjury ausgewählt. Diese Verbände und Initiativen, die Programmpartner, haben im Rahmen der Ausschreibung und der Förderrichtlinie des BMBF eigenständige inhaltliche Konzepte festgelegt, nach denen sie Angebote von lokalen Bildungsbündnissen im Rahmen von „Kultur macht stark“ fördern. Sie bewerben das Programm, beraten und begleiten die Antragsteller und geförderten Bündnisse, bieten Fortbildungen an und sichern so die Qualität des Programms sowie der durchgeführten Maßnahmen. Als Partner des Ministeriums sind sie die Garanten für die Umsetzung der in der Förderrichtlinie formulierten Förderziele.

 

In der vom BMBF in Auftrag gegebenen externen Evaluierung des Programms wurde vom beauftragten Forschungsinstitut Prognos AG herausgearbeitet,

  • dass das Programm auf eine sehr große Akzeptanz stößt und bis Mitte 2015 bereits 4.200 Bildungsbündnisse aus mindestens 3 Partnern entstanden sind,
  • dass in 95% der Kreise, kreisfreien Städte und in allen Bundesländern bereits Maßnahmen des Programms stattgefunden haben,
  • dass insgesamt über 10.000 Maßnahmen durchgeführt wurden und 300.000 Kinder und Jugendliche an Maßnahmen teilgenommen haben,
  • dass mehr als die Hälfte der Maßnahmen dort verortet sind, wo die bildungsbenachteiligten Risikolagen überdurchschnittlich häufig anzutreffen sind,
  • dass 94% der Bündnisse Kinder und Jugendliche erreichen, die sonst nicht an Angeboten kultureller Bildung teilhaben,
  • dass 60% der Bildungsbündnisse auch in Zukunft als Bündnispartner zusammenarbeiten und einen Folgeantrag stellen wollen,
  • dass die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ihre Persönlichkeit und Kompetenzen entwickeln und die deutliche Mehrheit Interesse an weiteren kulturellen Bildungsangeboten hat.

 

„Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ ist damit ein sehr erfolgreiches Programm und entfaltet in der Breite der Gesellschaft seine Wirkung. Maßnahmen mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen waren von Anbeginn Teil des integrativen Ansatzes der Programmpartner. Das BMBF unterstützt angesichts der aktuellen Entwicklungen die Programmpartner mit bedarfsorientierten Lösungen und zusätzlichen Mitteln hierfür.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert,

  • zu Beginn des Haushaltsjahres 2016 die Weichen dafür zu stellen, dass das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ nach 2017 fortgeführt werden kann,
  • das Programm mit einem vergleichbaren Fördervolumen fortzuführen,
    die Potenziale der kulturellen Bildung zur Förderung von Bildungsgerechtigkeit weiterhin zu nutzen und die Vielfalt und Flexibilität der kulturellen Bildung im Programm zu erhalten,
  • weiterhin mit Verbänden und Initiativen zusammenzuarbeiten, um Breitenwirkung, Nachhaltigkeit und eine hohe fachliche Qualität zu erzielen,
  • dabei insgesamt stärker kommunikativ und strukturell mit Ländern und Kommunen zusammenzuarbeiten,
  • Kompetenz der Akteure anerkennen.

 

Für den bisherigen Erfolg des Programms sind maßgeblich die Verbände und Initiativen verantwortlich. Sie tragen neben den bereits genannten Punkten u.a. dafür Sorge, dass Verantwortungsgemeinschaften von kommunalen Trägern und zivilgesellschaftlichen Akteuren, von Fachkräften und ehrenamtlich Engagierten umgesetzt werden. Sie stellen die Erreichung der Zielgruppen und sozialräumliche Verankerung sicher. Hier konnte auf die im Vorfeld bereits vorhandene Kompetenz der Programmpartner und die Leistungsfähigkeit ihrer Strukturen aufgebaut und diese im Laufe der ersten Programmhälfte erweitert werden. Die Expertise der Verbände und Initiativen in Hinblick auf die Programmsteuerung und -umsetzung ist unverzichtbar für den Erfolg von „Kultur macht stark“. Der Deutsche Kulturrat erachtet es als zwingend erforderlich, bei der Fortführung des Programms an der Rolle der Verbände und Initiativen in Hinblick auf die Weiterleitung der Fördermittel sowie der Qualitätssicherung festzuhalten. Für letztere sollten angemessene Mittel bereitgestellt werden. Er fordert zugleich, eine stärkere Einbeziehung der Kommunen und Länder zu gewährleisten.

 

Mit Blick auf ein Folgeprogramm „Kultur macht stark II“ regt der Deutsche Kulturrat an:

 

Zielgruppe
Zielgruppe des Programms sind „bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche“ im Alter von 3 bis 18 Jahren. Diese Fokussierung darf aber nicht zu erneuter Ausgrenzung führen. Vielmehr muss es darum gehen, mit inklusiv ausgerichteten Maßnahmen der kulturellen Bildung bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche zusammen mit anderen zu erreichen. Der Deutsche Kulturrat regt daher an, die Förderrichtlinie um die ausdrücklich erwünschte Zusammenführung unterschiedlicher Zielgruppen im Sinne intergenerationeller, transkultureller etc. Begegnungen zu erweitern, die Zielgruppe junger Erwachsener bis 27 Jahre zu berücksichtigen und den Begriff der „Bildungsbenachteiligung“ auch jenseits sozioökonomischer Hintergründe zu definieren.

 

Kooperationen
Der Deutsche Kulturrat erkennt an, dass mit „Kultur macht stark“ aufgrund des bestehenden Kooperationsverbots ausschließlich Angebote der kulturellen Bildung gefördert werden können, die nicht im Unterricht bzw. nicht im gebundenen Ganztag verortet sind. Eine solch strikte Trennung von schulischen und außerschulischen Aktivitäten lässt sich aufgrund der Zielgruppe oft jedoch nicht aufrechterhalten, weshalb es nach Ansicht des Deutschen Kulturrates ratsam ist, vielfältige Möglichkeiten der Kooperation zu fördern, ohne jedoch als Ersatz für den Regelunterricht, z.B. in den künstlerischen Schulfächern, zu fungieren. Weiter müssen im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Regelungen Kooperationen mit Kindertageseinrichtungen gefördert werden. Um auch weiterhin unter sechsjährige Kinder zu erreichen und gerade in diesem frühen Alter den Zugang zur kulturellen Bildung zu eröffnen, gilt es angepasste praktikable Lösungen in Kooperation mit der Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen umzusetzen und auszuweiten.

 

Finanzielle Ausstattung und Bürokratie
Ziel sollte sein, den Verwaltungsaufwand für das Programm möglichst niedrig zu halten, so dass die vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen primär für die Umsetzung, besonders für die fachliche Qualität und die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden können. Jegliche Möglichkeit zum Bürokratieabbau sollte genutzt werden, um alle Ebenen hier zu entlasten und den Aufwand zu minimieren. Die lokale Ebene benötigt ebenso wie die Verbände und Initiativen eine bessere finanzielle Ausstattung zur Umsetzung ihrer Programmaufgaben. Insbesondere kleinere Strukturen stellt der intensive administrative Aufwand vor große Herausforderungen und geht oft zulasten der fachlichen Arbeit. Der hohe bürokratische Aufwand hindert lokale Akteure daran, sich überhaupt an dem Programm zu beteiligen bzw. erneut Maßnahmen zu beantragen, auch wenn bisherige Vorhaben erfolgreich waren. Aufgrund der festgelegten Verwaltungskostenhöhe von derzeit 5% auf lokaler Ebene müssen zahlreiche Aufgaben als „Eigenleistung“ erbracht werden. Der Deutsche Kulturrat fordert das BMBF auf, Verwaltungsvereinfachungen durchzusetzen. Leistungen, die auf lokaler Ebene für die Koordination und Organisation der Bündnisse wie auch in den Verbänden und Initiativen für die administrativen und fachlichen Aufgaben erbracht werden, müssen angemessen mit Programmmitteln finanziert werden. Denkbar wäre eine sogenannte „Konzeptions- und Koordinationspauschale“ sowohl für beteiligte Verbände und Initiativen als auch für die lokale Ebene.

 

Bürgerschaftliches Engagement und hauptamtliches Personal
„Kultur macht stark“ setzt auf den vielfachen Einsatz von Ehrenamtlichen in den Bündnissen vor Ort. Wenngleich der Deutsche Kulturrat die Förderung bürgerschaftlichen Engagements sehr begrüßt, sollte auf ein angemessenes Verhältnis von Haupt- und Ehrenamt geachtet werden – sowohl in Bezug auf die Art der übertragenen Tätigkeiten als auch deren Umfang. Bürgerschaftliches Engagement muss durch hauptamtliche Strukturen begleitet und qualifiziert werden. Gleichzeitig müssen die Aufgaben der Ehrenamtlichen an deren Interessen, Möglichkeiten und Wünschen orientiert werden. Der Deutsche Kulturrat fordert, dass für diese Anforderung ausreichende Mittel bereitgestellt werden. Die fachliche Arbeit in den Bündnismaßnahmen muss auch für angestelltes, professionelles Personal der Programmpartner ermöglicht werden – unter der Voraussetzung, dass Mittel des Bundesprogramms kommunale/öffentliche Personalfinanzierung nicht ersetzen, sondern zusätzliche Ressourcen für zusätzliche Maßnahmen bereitstellen. Nur eine verstärkte Zusammenarbeit mit hauptamtlichen Fachkräften sichert eine nachhaltige Wirkung des Programms.

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