Zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Berlin, den 27.09.2018. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, positioniert sich mit dieser Stellungnahme grundlegend zu Struktur und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Im Dezember 2017 hat er bereits zur Anpassung des Telemedienauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Stellungnahme abgegeben. Auf diese Stellungnahme sowie weitere, die in den vergangenen Jahren vom Deutschen Kulturrat verabschiedet wurden, wird hingewiesen1.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Urteil vom 18.07.2018 auch in Fragen der stabilen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Klarheit geschaffen hat. Im Urteil hat das Bundesverfassungsgericht zugleich aufgezeigt, dass sich die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der konvergenten Medienwelt wandeln und er ein ordnender Faktor sein kann. Weiter weist das Bundesverfassungsgericht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im genannten Urteil weitere Aufgaben wie z.B. die Vermittlung von Medienkompetenz zu.

 

Der Deutsche Kulturrat positioniert sich zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,

 

  • weil er für Qualitätsjournalismus steht,
  • weil er ein zentraler Auftraggeber für die Kultur- und Medienwirtschaft,
    insbesondere für AV-Medien, Serien und Filme, ist,
  • weil er ein bedeutsamer Arbeitgeber im Kultur- und Medienbereich ist,
  • weil er zur Information über und zur Verbreitung von Kunst und Kultur
    einen wesentlichen Beitrag leisten kann.

 

Über den engen Bezug zum Kulturbereich hinaus stellt der Deutsche Kulturrat mit Blick auf die gesellschaftliche Debatte zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk fest,

 

  • dass, wenn vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Rede ist, die Hörfunk- und Fernsehsender einschließlich der Telemedienangebote im Blick zu halten sind,
  • dass es richtig ist, dass der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom Gesetzgeber abstrakt beschrieben und von den Sendern im Programm verantwortungsvoll mit Leben erfüllt werden muss,
  • dass zur Erfüllung des Auftrags entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden müssen,
  • dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine verfassungsrechtliche Entwicklungsgarantie in die digitale Welt hinein hat,
  • dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen wesentlichen Beitrag zur demokratischen Meinungsbildung leistet, wofür die Freiheit der Medien und der Berichterstattung Voraussetzung sind,
  • dass in der konvergenten Medienwelt ein diskriminierungsfreier Zugang zu Infrastrukturen, Plattformen und Portalen und die Auffindbarkeit von meinungsbildenden und vielfaltsfördernden Inhalten gewährleistet sein müssen.

 

Im Folgenden wird der Deutsche Kulturrat zu einzelnen der o.g. Aspekte ausführlicher Position beziehen.

 

Auftrag

 

Im Rundfunkstaatsvertrag ist folgender Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschrieben:

 

㤠11 Auftrag
(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“

 

Die Länder spezifizieren und präzisieren ihrerseits den Auftrag der Landesrundfunkanstalten in den jeweiligen Landesrundfunkgesetzen. Bei Mehrländeranstalten erfolgt dies im Einvernehmen der beteiligten Länder.

 

Kultur im Programm

 

Laut Rundfunkstaatsvertrag und den Landesrundfunkgesetzen haben die öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten insbesondere Beiträge zur Kultur anzubieten. Das gilt sowohl für hochwertige Kulturproduktionen im engeren Sinne als auch für die Kulturberichterstattung. Für die Kulturszene vor Ort ist die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von herausragender Bedeutung. Das gilt aktuell v.a. für die Berichterstattung in Kultursendungen und in regionalen Sendungen. Künftig wäre es wünschenswert, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk, die Kultur in Deutschland, die sich durch eine große Breite und Vielfalt auszeichnet, in seinem Programm vermehrt anregend präsentiert, durchaus auch in den Hauptprogrammen und -sendezeiten.

 

Eine stärkere Präsenz von Kultur in Das Erste und im ZDF könnte darüber hinaus gelingen, wenn jede Hauptnachrichtensendung mindestens eine Kulturnachricht enthält. Kultur würde so zum selbstverständlichen Teil des Informationsprogramms werden. Das fiktionale Programm im Fernsehen kann Zusammenhalt stiften. Es bietet Raum für gesellschaftliche Diskurse und Debatten in Deutschland. Deren Bedeutung ergibt sich auch aufgrund der kulturellen Konflikte in Deutschland. Dies leisten auch in Deutschland geförderte Kinofilme. Für diese Filme sollte es daher mehr und bessere Sendeplätze zur Primetime in Das Erste und im ZDF geben. Filme aus dem europäischen Ausland weiten den Blick auf Diskussionen in Europa. Hier gilt es die technischen Möglichkeiten der Präsentation in der Originalsprache auszuschöpfen.

 

Der Deutsche Kulturrat erkennt an, dass die Mehrheitsfähigkeit des Programms nicht aus dem Blick geraten darf. Dies gilt im Fernsehen für Das Erste und das ZDF. Zugleich gehört zu den Aufgaben des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks nicht nur Bedarfe zu decken, sondern auch Bedarfe zu wecken. Hier muss der öffentlich- rechtliche Rundfunk durch attraktive Platzierung und gezielte Bewerbung öffentlich- geförderter Filme aktiver werden. Dazu gehört auch allen Bevölkerungsgruppen ein Angebot zu machen. Mit Sorge sieht der Deutsche Kulturrat die Schwierigkeiten im linearen Programm des Fernsehens junge Menschen zu erreichen. Er erkennt an, dass FUNK als Angebot für diese Zielgruppe Plattformen nutzt, die junge Menschen ansprechen. Aus Sicht des Deutschen Kulturrates müssen solche Angebote den Qualitätsansprüchen eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung tragen, sich von kommerziellen Angeboten unterscheiden und der Absender öffentlich- rechtlicher Rundfunk muss deutlich erkennbar sein. Diese Angebote auf kommerziellen Plattformen sollten ein Sprungbrett sein, die zu den eigenen Plattformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen.
Die Spartenprogramme wie 3sat, phoenix, arte sowie die Kulturradios haben eine wichtige Ergänzungsfunktion. Ihr besonderer Mehrwert liegt darin, dass sie sich auf Themen und Zielgruppen konzentrieren können, das eröffnet dem öffentlich- rechtlichen Rundfunk weitere Chancen für ein profiliertes Programm.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht die Bedeutung des Radios für die Kultur. Im Radio wird nicht nur über Kultur berichtet, das Radio hat eigene künstlerische Formen hervorgebracht und pflegt diese.

 

Gesellschaftlicher Mehrwert

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk zeichnet sich durch Staatsferne sowie wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit aus. Diese Unabhängigkeit ist ein großer Wert und ein Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das in stärkerem Maße genutzt werden soll. In seinem Programm muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk deutlich vom privaten Rundfunk unterscheiden. Die Hörerinnen und Hörer, die Zuschauerinnen und Zuschauer müssen unmittelbar erkennen, dass sie ein öffentlich-rechtliches Programm nutzen. Dies gilt unabhängig vom Verbreitungsweg.

 

Ein gesellschaftlicher Mehrwert entsteht, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seinem Programm – und zwar sowohl im fiktionalen als auch im nicht-fiktionalen – gesellschaftliche Debatte anstößt, aufgreift und Diskursraum bietet. Damit stärkt der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Demokratie. Hierzu gehört auch die Auslandsberichterstattung. Das differenzierte Netz an Auslandskorrespondenten sowohl im Hörfunk als auch im Fernsehen ist ein Alleinstellungsmerkmal. Der Deutsche Kulturrat fordert, dass der Auslandsberichterstattung im Hörfunk und im Fernsehen breiterer Raum eingeräumt wird.

 

Zum gesellschaftlichen Mehrwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehören auch Angebote zur Vermittlung von Medienkompetenz.

 

Aufsichtsgremien

 

Die Aufsichtsgremien, also Rundfunkräte, Fernsehrat des ZDF und Hörfunkrat von Deutschlandradio, haben die Aufgabe, die öffentlich-rechtlichen Sender zu beraten und zu kontrollieren. Sie sollen die Breite der Gesellschaft wiederspiegeln und die Interessen der Allgemeinheit vertreten. Die Aufgaben und die Verantwortung gerade mit Blick auf die Entscheidung über die Telemedienkonzepte der Sender sind gewachsen. Es besteht daher die Erwartung, dass die entsendenden Institutionen ein besonderes Augenmerk darauf richten, dass die Mitglieder der Aufsichtsgremien die entsprechenden Qualifikationen mitbringen oder sich gegebenenfalls weiterbilden. Einige entsendende Institutionen bieten entsprechende Fortbildungen für ihre Rundfunkratsmitglieder an. Die Länder müssen in ihren Rundfunkgesetzen sicherstellen, dass die entsendenden Organisationen und Institutionen tatsächlich die Gesellschaft wiederspiegeln. Die Landesrundfunkgesetze sollten diesbezüglich regelmäßig überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden. Ebenso sind die Länder gefordert, die geschlechtergerechte Besetzung der Aufsichtsgremien unter Beteiligung von Menschen mit und ohne Behinderungen durch entsprechende Vorschriften sicherzustellen.

 

Angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein wichtiger Arbeitgeber im Kultur- und Medienbereich. Er bietet tarifvertraglich abgesicherte Arbeitsplätze und den Mitarbeitern Chancen zur Weiterqualifizierung. Er gehört zu den stabilen Anbietern von Ausbildungsplätzen im Dualen Ausbildungssystem und wirkt an der Entwicklung von Berufsbildern mit. Zur Mitarbeiterschaft gehören Angehörige aus technischen, aus Verwaltungs- und aus Kulturberufen. Die Qualität des Programms hängt entscheidend von qualifizierten und motivierten Mitarbeitern ab, denen eine dauerhafte Perspektive gegeben wird. In den letzten Jahren hat nicht zuletzt durch den technischen Wandel sowie den seit einigen Jahren stattfindenden Personalabbau die Verdichtung der Arbeit zugenommen. Der Stellenabbau führt dazu, dass weniger junge Mitarbeiter eingestellt werden konnten. Diese Mitarbeiter fehlen mit ihrem jungen Blick auf das Programm schon jetzt, dass wird in einigen Jahren zu einem gravierenden Fachkräftemangel führen. Wenn die Politik neue Programme oder zusätzliche Aufgaben für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorsieht, muss bedacht werden, dass hierfür entsprechende Stellen vorgehalten werden.

 

In der öffentlichen Diskussion um Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks spielen die Leistungen an Versorgungsempfänger oft eine große Rolle. Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass die Vereinbarung solcher Leistungen den Tarifpartnern obliegt und diese in den letzten Jahren bereits reagiert haben.

 

Urheberrecht

 

Über die Mitarbeiterschaft hinaus trägt der öffentlich-rechtliche Rundfunk maßgeblich Verantwortung für die vielen freiberuflichen Urheber und Produzenten, die große Teile seiner fiktionalen und dokumentarischen Radio- und Fernsehsendungen herstellen, die Vielfalt und Qualität des Programms prägen.

 

Der Deutsche Kulturrat geht davon aus, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei Verbreitung eigener Programme oder Programmteile , auch unter Nutzung kommerzieller Plattformen, die Rechte der beteiligten Urheber und Leistungsschutzberechtigten wahrt, insbesondere deren Recht auf angemessene Vergütung.

 

Klangkörper

 

Die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten unterhalten Klangkörper, also BigBands, Chöre und Orchester. Die Aufgaben der Klangkörper haben sich in den letzten Jahren verändert. Fragen der Musikvermittlung haben an Bedeutung gewonnen. Viele Klangkörper haben darauf reagiert und decken nicht nur den Bedarf an Musik, sondern wecken ihn auch. Die Klangkörper haben eine große Bedeutung in der Aufführung zeitgenössischer Ernster Musik. Die Kulturprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vergeben ihrerseits Kompositionsaufträge oder arbeiten mit Komponisten zusammen. Sie leisten damit einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Musiklebens in Deutschland, zum zeitgenössischen Musikschaffen und zur musikalischen Bildung. Von den Klangkörpern aufgeführte Werke sind Bestandteil des Programms und erreichen dadurch eine breite Hörerschaft. Dafür ist es erforderlich, dass sie an attraktiven Sendeplätzen ausgestrahlt werden. Die Klangkörper sollten besonders im gesamten Sendegebiet eines Senders auftreten.

 

Zugleich muss berücksichtigt werden, dass einige Kommunen eigene Klangkörper unterhalten. Die Klangkörper des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden vor Ort daher teilweise auch als Konkurrenz wahrgenommen. Hier ist in der Wahl der Auftrittsorte und des Programms eine hohe Sensibilität von den Verantwortlichen der Klangkörper öffentlich-rechtlicher Sender gefordert, um die Arbeit vor Ort nicht zu konterkarieren. Auch müssen sich die Verantwortlichen der Klangkörper fragen, wie programmrelevant ihre Arbeit ist und welche anderen Akteure in den jeweiligen

 

Arbeitsfeldern bereits aktiv sind. Die Akzeptanz der Klangkörper hängt wesentlich davon ab, mit welchem Selbstverständnis und welcher Sensibilität sie sich in das Musikleben im Sendegebiet einbringen.

Die politisch Verantwortlichen in den Ländern und teilweise auch Kommunen dürfen die Klangkörper des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht als Ausfallbürgen für anderweitig nicht zu finanzierende Musikangebote verstehen. Hier ist mehr Ehrlichkeit erforderlich.

 


 

1Folgende Stellungnahmen und Positionspapiere sind zu nennen:

 

 

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