Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Vorschlag der EU-Kommission zur Revision der AVMD-Richtlinie vom 25.05.2016

 

Berlin, den 07.11.2016. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat sich am Konsultationsprozess der letzten Jahre zur Novellierung der AVMD-Richtlinie beteiligt. So hat er zum „Grünbuch über die Vorbereitung auf die vollständige Konvergenz der audiovisuellen Welt: Wachstum, Schöpfung und Werte“ Position bezogen und sich 2015 an der „Konsultation zur Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL). Eine Mediengesetzgebung für das 21. Jahrhundert“ beteiligt. Mit Blick auf den am 25. Mai 2016 von der EU-Kommission vorgelegten „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten“ (COM (2016) 287 final) und den nun erfolgenden Beratungsprozess im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat positioniert sich der Deutsche Kulturrat zu ausgewählten Aspekten der geplanten Novellierung. Dabei nimmt der Deutsche Kulturrat folgende Aspekte in den Blick: Anwendungsbereich der Richtlinie, Herkunftslandprinzip, Europäische Werke, Kommerzielle Kommunikation, Jugendschutz, Auffindbarkeit/Zugänglichkeit/Signalintegration, Nationale Regulierungsstellen.

 

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates muss die Novellierung der AVMD-Richtlinie darauf abzielen, ein Level Playing Field für Anbieter linearer und non-linearer Mediendienste hinsichtlich des Regulierungsniveaus zu schaffen. Bestehende Wettbewerbsnachteile für lineare Mediendiensteanbieter müssen aufgehoben werden. Ebenso sind die kulturelle Vielfalt, der Medienpluralismus, der Schutz der Menschenwürde und der Jugendschutz von allen Mediendiensteanbietern zu sichern. Vorschriften der AVMD-Richtlinie im Hinblick auf die Förderung der kulturellen Vielfalt, insbesondere europäischer Werke und unabhängiger Produzenten, hält der Deutsche Kulturrat nach wie vor für relevant.

 

Anwendungsbereich der Richtlinie

Der Deutsche Kulturrat begrüßt ausdrücklich, dass der Anwendungsbereich der AVMD-Richtlinie auf Videoplattformdienste zum Zweck des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde ausgeweitet werden soll. Unter Videoplattformdienst wird laut AVMD-Richtlinienentwurf eine Dienstleistung verstanden die folgende Anforderungen erfüllt: „i) der Dienst besteht in der Speicherung einer großen Menge an Sendungen oder an von Nutzern erstellten Videos, für die der Videoplattformanbieter keine redaktionelle Verantwortung trägt; ii) die Organisation der gespeicherten Inhalte wird vom Anbieter des Dienstes bestimmt, auch mit automatischen Mitteln oder Algorithmen, insbesondere durch Hosten, Anzeigen, Markieren und Anordnen; iii) der Hauptzweck oder ein trennbarer Teil der Dienstes besteht darin, Sendungen und von Nutzern erstellte Videos für die allgemeine Öffentlichkeit zur Information, Unterhaltung oder Bildung bereitzustellen; iv) der Dienst wird über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG bereitgestellt“.

 

Der Deutsche Kulturrat sieht darüber hinaus bei Videoplattformdiensten eine gesellschaftliche und juristische Verantwortung für verbreitete Inhalte und weist darauf hin, dass sich diese Dienste im Zusammenhang mit Haftungsfragen und bei Urheberrechtsverletzungen nicht darauf zurückziehen können, lediglich die technische Infrastruktur bereit zu stellen. Der Deutsche Kulturrat begrüßt zudem, dass die Definition eines Audiovisuellen Mediendienstes ausgeweitet wird und zukünftig auch Kurzvideos, beispielsweise Angebote kommerzieller Blogger, sowie Unterseiten von Multimedia-Angeboten, wie beispielsweise eigenständige audiovisuelle Teile von Online-Zeitungen, einbezogen werden. Dadurch wird dem Element der Meinungsbildungsrelevanz ebenso wie dem Bestreben nach gleichen Voraussetzungen für alle AV-Anbieter zukünftig stärker Rechnung getragen.

 

Herkunftslandprinzip

Das Herkunftslandprinzip, nach dem die Regulierung sich nach dem Sitz des Mediendiensteanbieters richtet, ist aus Sicht des Deutschen Kulturrates wesentlicher Grundpfeiler der AVMD-Richtlinie, dessen Beibehaltung sie im Anwendungsbereich der AVMD-Richtlinie grundsätzlich unterstützt.

 

Europäische Werke

Der Deutsche Kulturrat begrüßt die Klarstellung, dass Mitgliedsstaaten solche Mediendiensteanbieter, die ihr Angebot auf ihren nationalen Markt ausrichten, auch grenzüberschreitend zu Direktinvestitionen in die nationale Filmproduktion und zu Beiträgen in nationale Filmfonds verpflichten können. Diese Klarstellung dient der Förderung der Vielfalt der Kulturen in der Europäischen Union.

Die in Artikel 13 Absatz 1 und 5 vorgeschlagene Quotenregelung für die Kataloge von audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf begrüßt der Deutsche Kulturrat als Balance zwischen Programmfreiheit und Förderung europäischer Werke. Darüber hinaus wäre eine Klarstellung dahingehend begrüßenswert, dass die Möglichkeit der Mitgliedstaaten für audiovisuelle Mediendienste auf Abruf eine Investmentverpflichtung vorsehen zu können (Art. 13 Abs. 2) als Alternativmaßnahme zu der Quotenregelung implementiert werden kann.

 

Kommerzielle Kommunikation

Die Trennung zwischen Werbung und Programm sollte für alle audiovisuellen Mediendienste gelten. Werbung ist eine essentielle Finanzierungsgrundlage privat finanzierter Medien und somit wichtige Voraussetzung für Medienvielfalt in Deutschland und Europa. Gleichzeitig gilt es die Werkintegrität von Filmen sowie adäquate Jugend- und Verbraucherschutzstandards zu berücksichtigen. Diesen Aspekten ist auch im weiteren Reformprozess Rechnung zu tragen.

 

Jugendschutz

Um die gesellschaftliche Akzeptanz von Jugendschutzbestimmungen nicht zu gefährden und zugleich Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist es richtig, auch für Videoplattformdienste Jugendschutzbestimmungen vorzusehen. Der Deutsche Kulturrat unterstützt daher den Ansatz, dass Mitgliedsstaaten auch gegenüber Videoplattformdiensten angemessene Vorschriften zum Schutz Minderjähriger erlassen können.

 

Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Signalintegrität

Um Meinungsfreiheit, Medienpluralismus und kulturelle Vielfalt zu sichern, müssen in der konvergenten Medienwelt ein diskriminierungsfreier Zugang zu Infrastrukturen, Plattformen und Portalen und die Auffindbarkeit von meinungsbildenden und vielfaltsfördernden Inhalten gewährleistet sein. Der Deutsche Kulturrat begrüßt daher die Möglichkeit für Mitgliedsstaaten, regulierend einzugreifen, um die Auffindbarkeit und Zugänglichkeit von Inhalten nach festgelegten Zielen des allgemeinen Interesses wie Medienpluralismus, Meinungsfreiheit und kulturelle Vielfalt zu gewährleisten. Es sollte daher eine Weiterentwicklung der „must-carry-Regelungen“ zu „must-be-found-Regelungen“ auch für Portale und elektronische Programmführer (EPGs) in Betracht gezogen werden. Daneben sollte die Möglichkeit einer öffentlich-rechtlichen Suchmaschine weiter diskutiert werden. Der Deutsche Kulturrat sieht weiter das Erfordernis, Regeln zur Sicherung der Signalintegrität bei der Revision der AVMD-Richtlinie zu implementieren, damit audiovisuelle Werke nicht durch Überblendungen bzw. Umrahmung mit Werbung gestört werden

 

Nationale Regulierungsstellen

Der Deutsche Kulturrat unterstützt das grundsätzliche Ziel der Kommission, die Unabhängigkeit der nationalen Medienregulierungsstellen und deren Koordinierung zu stärken. Die Medienregulierung sollte dabei jedoch dem Prinzip der Subsidiarität folgen.

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