Freiheit der Kunst sichern – Antisemitismus und Rassismus im Kulturbereich bekämpfen!

Berlin, den 01.07.2024. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat sich in einem breit aufgesetzten Diskussionsprozess mit der Gemeinsamen Erklärung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden „Freiheit und Respekt in Kunst und Kultur. Strategien gegen antisemitische, rassistische und andere menschenverachtende Inhalte im öffentlich geförderten Kulturbetrieb“auseinandergesetzt. Er positioniert sich mit dieser Stellungnahme zur genannten Erklärung und macht eigene Vorschläge, wie Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bekämpft werden können. Weiter positioniert sich der Deutsche Kulturrat gegen Boykottaufrufe gegenüber Künstlerinnen, Künstler und Kulturinstitutionen.

 

In der genannten Gemeinsamen Erklärung „Freiheit und Respekt in Kunst und Kultur“ vom 13.03.2024 haben sich Bund, Länder und Kommunen auf folgende Eckpunkte verständigt:

 

Förderbedingungen präzisieren: Länder, Bund und Kommunen werden – soweit noch nicht erfolgt – rechtssichere Regelungen erarbeiten, die darauf abzielen, dass keine Projekte oder Vorhaben gefördert werden, die antisemitische, rassistische oder menschenverachtende Ziele verfolgen.“

 

Der Deutsche Kulturrat geht davon aus, dass Projekte, die Antisemitismus, Rassismus oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verfolgen, schon jetzt von der Vergabe öffentlicher Mittel bzw. der Jurierung oder anderweitigen Auswahl ausgeschlossen sind. Fördermittelnehmer müssen sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, d. h. die Würde des Menschen achten (Art. 1 Abs. 1 GG) und die allgemeinen Gesetze einhalten. Dies schließt Projekte und Vorhaben aus, die Antisemitismus, Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Förderzweck verfolgen. Sofern Kulturfördermittel staatsfern durch Institutionen des Kulturbereiches vergeben werden, werden bereits jetzt nur solche Vorhaben bewilligt, die den Grundsätzen der Achtung der Menschenwürde und der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) entsprechen.

 

Die Freiheit der Kunst ist in Art. 5 Abs. 3 GG ohne Gesetzesvorbehalt garantiert. Was Kunst ist, bestimmt der Diskurs der Kunst selbst. Der Deutsche Kulturrat sieht, dass ein Spannungsverhältnis zwischen der Verdeutlichung gesellschaftlicher Probleme oder Brüche, die der Kunst inhärent sein kann, und der Überschreitung von gesetzlich gezogenen Grenzen besteht. Dies kann jedoch nicht durch entsprechende Klauseln und Definitionsversuche in Zuwendungsbescheiden gelöst werden.

 

Der Deutsche Kulturrat sieht daher keinen Ertrag in einer weiteren Konkretisierung der Fördervorgaben, um Antisemitismus, Rassismus oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken. Im Gegenteil birgt dies eher die Gefahr, dass zugleich als „Kollateralschaden“ der Raum für die freie Kunst und Meinungsäußerung zukünftig in Sorge um entsprechende Äußerungen von vorneherein stark eingeschränkt würde und Kulturinstitutionen nicht mehr als grundsätzlich offene Orte wahrgenommen würden. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Konkretisierungen von Fördervorgaben ein Einfallstor für instrumentalisierende Einschränkungen der Kulturförderung bspw. durch extremistische Bewegungen bieten.

 

Aufgrund der Unbestimmtheit von Rechtsbegriffen wie etwa der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und der Unklarheit der Handlungspflichten für Zuwendungsempfänger bei Drittäußerungen befürchtet der Deutsche Kulturrat, dass eine mögliche Klausel im Vollzug, was Mittelbeantragung, -bewirtschaftung und -abrechnung oder eine Rückforderung von Mitteln sowie zugrunde gelegte Definitionen betrifft, zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde. Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass die grundgesetzlich verankerte Kunstfreiheit durch Förderbedingungen keinesfalls zusätzlich zu den bestehenden Regelungen und die in ihnen liegende durch Gesetzgebung und Rechtsprechung herausgearbeitete Balance zu anderen durch das Grundgesetz geschützten Rechten und Werten eingeschränkt werden darf. Der Deutsche Kulturrat wendet sich entschieden gegen Bestrebungen, in der Bundeshaushaltsordnung oder in Haushaltsordnungen der Länder Klauseln einzuführen, die zu einer regulären Überprüfung von Antragstellern durch den Verfassungsschutz führen könnten.

 

Üblich sind und bewährt haben sich letztlich starke, nach außen sichtbare Signale von Institutionen, indem sie sich selbst mit den Themen auseinandersetzen. Sie treten mit ihrem Handeln und mit ihrer Arbeit gegen Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ein. Einen verbindlichen Bekenntniszwang lehnt der Deutsche Kulturrat ab. Zu den Förderinstrumenten, die darüber hinaus eine Steuerungswirkung entfalten können, gehören positiv formulierte Förderziele.

 

„Sensibilisierung sicherstellen: Kulturverwaltungen, staatliche Kultureinrichtungen und von den Ländern, dem Bund oder den Kommunen geförderte institutionelle Einrichtungen bieten Fortbildungen und Workshops zur Sensibilisierung im Umgang mit Antisemitismus, Rassismus und anderen menschenverachtenden Inhalten an. Die Kulturministerkonferenz bittet auch die Kulturstiftung der Länder, entsprechende Formate zu entwickeln.“

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt dieses Vorhaben und fordert, dass der erforderliche Finanzbedarf von Bund, Ländern und Kommunen zusätzlich übernommen und von Kulturinstitutionen und -projekten nicht aus der laufenden Förderung bzw. dem Programm bestritten werden darf.

 

Im Kulturbereich selbst gibt es eine Reihe von Institutionen, die entsprechende Fortbildungsveranstaltungen anbieten. Sie sollten mit ihrer kulturspezifischen Expertise bei der Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen einbezogen werden.

 

Darüber hinaus haben sich verschiedene Kulturinstitutionen, einschließlich Fördereinrichtungen, einen Verhaltenskodex, Werterahmen, Leitbild oder Ähnliches gegeben, um Antisemitismus, Rassismus oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im laufenden Betrieb entgegenzusteuern. Hier findet eine Sensibilisierung statt, die fortgeführt und verstärkt werden sollte.

 

Gleichzeitig wird es darum gehen, die Befassung mit den Themen Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in den Kulturinstitutionen langfristig zu verankern. Es handelt sich um eine Daueraufgabe, bei der fortlaufend nachjustiert bzw. auf aktuelle Entwicklungen reagiert werden muss. Auch hierfür müssen entsprechende zusätzliche Personalmittel zur Verfügung gestellt werden

 

„Eigenverantwortung stärken: Von geförderten Einrichtungen und Projekten wird erwartet, dass sie aus ihrer künstlerischen Verantwortung heraus Maßstäbe und Regeln erarbeiten, auf deren Grundlage Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit klar und entschlossen entgegengetreten wird.“

 

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass Verhaltenskodizes als eine Möglichkeit, Antisemitismus, Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken, sowohl von Seiten der Fachverbände als auch vielfach von Kultureinrichtungen bereits erarbeitet wurden und sie zur gelebten Praxis im Kulturbetrieb gehören. Eine Vorlage von Verhaltenskodizes als Fördervoraussetzung lehnt der Deutsche Kulturrat allerdings ab.

 

Verhaltenskodizes müssen sich jeweils bewähren, wenn Vorfälle von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit innerhalb der Belegschaft, vom Publikum, von Geldgebern und politisch Verantwortlichen oder mit Blick auf die künstlerischen Inhalte vorkommen. Hier kommt es auf die Eigenverantwortung von jedem Einzelnen an, dem entschieden entgegenzutreten und die entsprechenden Vorgaben umzusetzen. Wichtig ist, dass Kulturschaffende, Jurymitglieder und Mitarbeitende von Kultureinrichtungen seitens der Träger, also Bund, Ländern und Kommunen, gestärkt und unterstützt werden, wenn sie sich gegen solche Vorfälle zur Wehr setzen und dagegen einschreiten.

 

Der Deutsche Kulturrat stellt sich klar und entschieden gegen Antisemitismus, Rassismus und jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Mit Sorge verfolgt der Deutsche Kulturrat die Verrohung des Diskurses insbesondere im Zusammenhang mit Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Ebenfalls lehnt der Deutsche Kulturrat Boykottaufrufe wie

z. B. durch den BDS gegen Künstlerinnen, Künstlern und Kultureinrichtungen ab. Boykotte schaden dem künstlerischen Austausch und dem Diskurs. Ihnen muss entschieden entgegengetreten werden.

 

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