Stärkung der Jugendfreiwilligendienste: Resolution des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 22.06.2010. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass die Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag den Ausbau der Freiwilligendienste vereinbart haben und insbesondere das Freiwillige Soziale Jahr Kultur stärken wollen.

 

Jugendfreiwilligendienste in der Kultur
Zu den Jugendfreiwilligendiensten im Kulturbereich zählen das Freiwillige Soziale Jahr Kultur (FSJ Kultur), die internationalen Freiwilligendienste „Kulturweit“ und „Weltwärts“ sowie das Freiwillige Soziale Jahr in der Denkmalpflege. Im Gegensatz zu den Freiwilligendiensten im Sozial- oder ökologischen Bereich, die es bereits seit mehreren Jahrzehnten gibt, wurden die Freiwilligendienste im Kulturbereich erst in den letzten Jahren entwickelt.

 

In einem Jugendfreiwilligendienst im Kulturbereich engagieren sich Jugendliche und junge Erwachsene in der Regel ein Jahr lang freiwillig in einer kulturellen Einrichtung, Initiative oder Projekt. Der Jugendfreiwilligendienst kann in Deutschland z. B. in Museen, Denkmalpflegebehörden, Musikschulen, Theatern, Opern- und Konzerthäusern, Bibliotheken, Jugendkunstschulen, Tanz- und Medienwerkstätten, kulturpädagogischen Einrichtungen, Kulturvereinen oder Soziokulturellen Zentren geleistet werden.

 

Freiwilligendienste im Kulturbereich leisten einen wertvollen Beitrag für die Bildungsbiografie von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Meist wird ein Freiwilliges Jahr zwischen der Schulbildung und dem Eintritt in die Ausbildung oder ein Studium absolviert. In einem Jugendfreiwilligendienst sammeln Jugendliche und junge Erwachsene jenseits der formalen Schulbildung eine Vielzahl wertvoller und kreativer Kompetenzen, die für die Persönlichkeitsbildung sowie die Berufsorientierung und -qualifikation von unschätzbarem Wert sind. Insofern stellen die Jugendfreiwilligendienste nicht nur einen Beitrag für das Gemeinwohl dar, sondern sind dezidierte „Bildungsjahre“. Diese „Bildungsjahre“ im Kulturbereich sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr gefragt.

 

Ab September 2010 stehen beispielsweise für das FSJ Kultur 1.100 Plätze pro Jahr zur Verfügung. Jedes Jahr übersteigen aber die Bewerberzahlen diese Angebote um ein Vielfaches. Finanziert werden diese Plätze zum größten Teil von den Trägern selbst, einen Teil übernehmen der Bund, die jeweiligen Länder sowie private Förderer.

 

Der Deutsche Kulturrat spricht sich dafür aus, dass im Kulturbereich (Museen, Musikschulen, Theater, Opern- und Konzerthäuser, Bibliotheken, Jugendkunstschulen, Kulturvereine, kulturpädagogische Einrichtungen, Medieninitiativen, Tanzhäuser und Soziokulturelle Zentren etc.) bis 2020 die Anzahl der Plätze gemäß dem bereits bestehenden großen Interesse der Bewerber um das Zehnfache erhöht werden und gemeinsam mit den Trägern und den lokalen Kultureinrichtungen in zehn Jahren bis zu 11.000 Einsatzstellen für das FSJ Kultur geschaffen werden sollen. Diese Erhöhung von Seiten der Kultureinrichtungen muss einhergehen mit einer staatlichen finanziellen Absicherung dieser Plätze durch Bund und Länder, da der Kulturbereich im Gegensatz zu anderen Bereichen die Einsatzstellen nicht refinanzieren kann. In anderen Einsatzbereichen wie z.B. dem Freiwilligen Sozialen Jahr ist eine teilweise Refinanzierung durch Leistungsentgelte möglich. Dieses trifft auf die Freiwilligendienste im Kulturbereich nicht zu.

 

Zudem hat die Verkürzung des Zivildienstes ab dem 01.09.2010 Auswirkungen auf die Jugendfreiwilligendienste, da viele Jugendliche ihr Freiwilliges Jahr als Ersatz für den Zivildienst leisten. Mit der Entscheidung, den Zivildienst zu verkürzen, ist eine Mittelkürzung für die Träger der Freiwilligendienste verbunden, da die Plätze, auf denen Freiwillige den Freiwilligendienst statt des Zivildienstes absolvieren, bislang umfangreich vom Bundesamt für den Zivildienst bezuschusst wurden. Die für die freien Träger dadurch entstehende Finanzierungslücke ist für viele Einsatzstellen nicht zu überbrücken. In diesem Zusammenhang erachtet es der Deutsche Kulturrat als erforderlich, dass diese Finanzierungslücke vom Bund so lange gedeckt wird, bis eine klare Regelung gefunden wird, die die Sicherung der Plätze und die Qualität der Jugendfreiwilligendienste im Kulturbereich gewährleistet.

 

Freie Träger stärken
Freiwilligendienste sind als besondere Formen bürgerschaftlichen Engagements im Feld der Zivilgesellschaft und den zugehörigen Strukturen verankert. Die Träger im Kulturbereich tragen daher in enger Zusammenarbeit mit den Einsatzstellen wesentlich zum Gelingen der kulturellen Jugendfreiwilligendienste bei. Sie sind Teil der regionalen Kulturszene und eröffnen durch Kooperationen und Netzwerke weitere Zugangschancen, stehen für wenig Bürokratie und hohe Fachlichkeit.

 

Die Übertragung von Aufgaben im Bereich der Freiwilligendienste an das Bundesamt für den Zivildienst lehnt der Deutsche Kulturrat deshalb ab. Die Jugendfreiwilligendienste müssen weiterhin bei den freien Trägern verortet bleiben. Das Prinzip der Subsidiarität und das zivilgesellschaftliche Profil müssen gewahrt bleiben – nur so wird die Angebotsvielfalt und Bürgernähe der Jugendfreiwilligendienste im Kulturbereich gewährleistet.

 

Freiwilligendienststatusgesetz
Jugendfreiwilligendienste im Kulturbereich zeichnen sich insbesondere durch die Kombination aus kulturellem Engagement für das Gemeinwohl und individuelle Bildungs- und Berufsorientierung aus. Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass mit einem „Freiwilligendienststatusgesetz“, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, nun auch die internationalen Freiwilligendienste wie „Kulturweit“ und „Weltwärts“, die freiwillige Kulturarbeit im Ausland anbieten, berücksichtigt werden sollen. Allerdings weist der Deutsche Kulturrat darauf hin, dass den unterschiedlichen Einsatzbedingungen im In- und Ausland durch rechtliche Rahmenbedingen Rechnung getragen werden müssen.

 

Nicht sachgerecht sind nach Auffassung des Deutschen Kulturrates die Bestrebungen, neben den Jugendfreiwilligendiensten auch die „Freiwilligen Dienste aller Generationen“ im Freiwilligendienststatusgesetz zu regeln. Die Voraussetzungen und die Intentionen für diese Freiwilligendienste, Jugendfreiwilligendienst und „Freiwilligendienste aller Generationen“, unterscheiden sich grundlegend. Die unterschiedlichen Voraussetzungen ziehen weitere Implikationen wie z.B. die verpflichtende Arbeitszeit des Freiwilligen, die sozialversicherungsrechtliche Absicherung sowie die pädagogische Betreuung während des Freiwilligendienstes nach sich. Bisher ist es nicht gelungen, die „Freiwilligendienste aller Generationen“ klar von anderen – auch im Kulturbereich weit verbreiteten – Formen des bürgerschaftlichen Engagements abzugrenzen und für den Dienstcharakter ein inhaltliches Profil zu formulieren. Die unterschiedlichen Voraussetzungen müssen sich auch in einem Statusgesetz widerspiegeln, damit weder ein Freiwilligendienst, noch eine andere Form des bürgerschaftlichen Engagements schlechter gestellt wird.

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