Berlin, 09.06.2023
Organisation/Verband: Deutscher Kulturrat e.V., Spitzenverband der Bundeskulturverbände
Engagementbereich[1]: Kultur und Musik
Thema 1: Gewinnung von Ehrenamtlichen (Generationenwechsel)
Zentrale Erkenntnis 1:
Bürgerschaftliches Engagement ist im Kulturbereich unabdingbar und in vielfältiger Form in den verschiedenen kulturellen Sparten ausgeprägt. Das ehrenamtliche Engagement, das die Übernahme von Funktionen und damit von Verantwortung bedeutet, ist gleichfalls sehr vielfältig. Teils beruht die Arbeit im Kulturbereich ausschließlich auf bürgerschaftlichem Engagement, d.h. es findet in Vereinen oder anderen Zusammenschlüssen ganz ohne hauptamtliche Unterstützung statt. Ehrenamtliche verfügen oft über hohes empirisches Wissen und sind daher enorm wichtig für den Kulturbereich. Die Gewinnung von Ehrenamtlichen, insbesondere von Jüngeren, stellt für viele Bereiche eine Herausforderung dar. Viele junge Menschen sind durch Ausbildung, Studium, Berufseinstieg sowie Familiengründung sehr stark eingebunden. Viele wollen Aufgaben nicht langfristig übernehmen, sondern eher anlassbezogen aktiv werden. Ein bedeutendes Hindernis für die Übernahme von Verantwortung sind bürokratische Hemmnisse sowie steuerliche Vorschriften. Weiter müssen sich die Personen ehrenamtliches Engagement „leisten“ können. Viele Kulturakteure arbeiten unter prekären Bedingungen, die ehrenamtliches Engagement erschweren.
Empfehlung 1:
Der Deutsche Kulturrat empfiehlt weitere Verbesserungen im Gemeinnützigkeitsrecht und verweist dabei auf die gemeinsamen Vorschläge des Bündnisses für Gemeinnützigkeit, dem der Deutsche Kulturrat angehört. Das Zuwendungsrecht sollte weiter entbürokratisiert werden.
Empfehlung 2:
Auflage eines bundesweiten Qualifizierungsprogramms zum Ehrenamtsmanagement, um Einrichtungen nachhaltig zu befähigen, die Herausforderungen des modernen Ehrenamts zu planen, zu überblicken, effektiv einzusetzen und damit auch junge Menschen zu gewinnen und zu halten.
Thema 2: Anerkennungskultur (Zertifikate & Auszeichnungen, Sonderurlaub, Rentenpunkte)
Zentrale Erkenntnis 1:
Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements hat für viele eine große Bedeutung. Dabei sind in den verschiedenen Generationen Unterschiede festzustellen. Für junge Menschen haben Zertifikate oder schriftliche Ausweise des Engagements eine Bedeutung mit Blick auf die Suche nach einer beruflichen Tätigkeit. Für diejenigen, die im Berufsleben stehen, sind Auszeichnungen bzw. die Sichtbarmachung des Engagements oft wichtiger.
Empfehlung 1:
Die stärkere Sichtbarmachung und Auszeichnung von Ehrenamtlichen auf der Bundesebene wäre eine wichtige Form der Anerkennung. Dabei sollte besonders langjähriges, besonders zeitaufwändiges, besonders innovatives usw. Engagement ausgezeichnet werden. Diese Auszeichnung könnte mit der Woche des bürgerschaftlichen Engagements verbunden werden. Die Vergabe von Zertifikaten ist eher eine verbandsinterne Frage.
Zentrale Erkenntnis 2:
Ehrenamtliches Engagement in der Kultur erfordert teilweise einen besonders großen zeitlichen Aufwand etwa bei der Durchführung eines Festivals, einer Theaterwoche oder ähnlichem. Die Engagierten müssen hierfür ihren Erholungsurlaub aufwenden.
Empfehlung 2:
In der Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte sowie für Richterinnen und Richter des Bundes (SUrlV) sollte als neuer Tatbestand der Sonderurlaub für kulturelle Zwecke eingeführt werden, damit ähnlich anderen Engagementfeldern auch für Kultur Sonderurlaub beantragt werden kann. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollte im Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) ein Sonderurlaub für ehrenamtliches Engagement eingefügt werden. Der Bund sollte als Tarifpartner in die Verhandlungen mit den Gewerkschaften einen Sonderurlaub für ehrenamtliches Engagement einbringen. Für Solo-Selbstständige sollte diskutiert werden, wie inwieweit eine diesbezügliche Anerkennung möglich wäre.
Zentrale Erkenntnis 3
Viele ehrenamtliche Engagierte in der Kultur stellen die berufliche Tätigkeit zugunsten des ehrenamtlichen Engagements zurück. Dieses ehrenamtliche Engagement hat einen großen Wert für die Gesellschaft, da es zumeist in Kontexten erfolgt, die sich unmittelbar an die Bevölkerung richtet und von jedermann in Anspruch genommen werden kann. Wenn die Erwerbsarbeit zurückgestellt wird, hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die späteren Rentenansprüche.
Empfehlung 3:
Im Prozess zur Erarbeitung der Engagementstrategie soll geprüft und breit diskutiert werden, inwiefern für zeitintensives Engagement Rentenpunkte erworben werden können. Im Rahmen dieses Diskussionsprozesses sollten insbesondere auch abgewogen werden, welche Mitteilungspflichten erforderlich wären und wie die Bemessung des ehrenamtlichen Engagements erfolgen könnte.
Thema 3: Inklusion und Teilhabe
In Kulturverbänden sind Behinderte unterrepräsentiert.
Zentrale Erkenntnis 1:
Oftmals ist weder in den Verbänden noch bei den Behinderten bekannt, welche Assistenz ggfs. in Anspruch genommen werden kann.
Empfehlung 1:
Der Bund sollte zentral über Assistenzmöglichkeiten informieren
Thema 4: Freiwilligendienste
Das FSJ Kultur hat sich innerhalb kurzer Zeit als wichtiges Engagementfeld für junge Menschen etabliert. Viele nutzen diese Bildungszeit auch zur beruflichen Orientierung.
Zentrale Erkenntnis 1:
Das FSJ Kultur wird in zu geringem Ausmaß von Behinderten absolviert. Grund hierfür ist u.a. die fehlende Anwendbarkeit des Bundesteilhabegesetzes.
Empfehlung 1:
Aufnahme der Freiwilligendienste in den Katalog der förderfähigen Maßnahmen zur besseren schulischen, beruflichen, schulischen und gesellschaftlichen Integration von Menschen mit Behinderungen im Sinne des Bundesteilhabegesetzes.
Zentrale Erkenntnis 2:
Junge Menschen aus Haushalten mit wenig Einkommen sind beim FSJ Kultur wenig vertreten, was auch daran liegt, dass die Vergütung sehr gering ist und ein selbstständiges Leben kaum möglich ist.
Empfehlung 2:
Die Vergütung im FSJ sollte angehoben werden. Bei eigener Wohnung sollte ein Wohngeldanspruch entstehen.
Thema 5: Förderung
Zentrale Erkenntnis 1:
Förderprogramme im Kulturbereich werden oftmals sehr kurzfristig mit knappen Bewerbungsfristen aufgelegt.
Empfehlung 1:
Förderprogramme sollten möglichst gemeinsam mit den Fachverbänden entwickelt und mit ausreichend Vorlauf bekanntgegeben werden. Sowohl die Bewerbungs- als auch die Abrechnungsfristen (Zuwendungsrecht) müssen dem ehrenamtlichen Engagement Rechnung tragen.
Erkenntnis 2:
Mit Neustart Kultur konnten viele Impulse für das Amateurschaffen gesetzt werden, für die ansonsten keine Bundesmittel beantragt werden können.
Empfehlung 2:
Einrichtung eines spartenübergreifenden Fonds Amateurschaffen in der Kultur, der von Kulturverbänden inhaltlich verantwortet und administriert wird. Dieser Fonds soll bspw. innovative Entwicklungen im kulturellen Amateurschaffen fördern.
[1] Kategorien Freiwilligensurvey: Sport und Bewegung / Kultur und Musik / Sozialer Bereich / Schule und Kindergarten / Kirchlicher oder religiöser Bereich / Freizeit und Geselligkeit / Umwelt, Naturschutz oder Tierschutz / Außerschulische Jugendarbeit oder Bildungsarbeit für Erwachsene / Politik und politische Interessenvertretung / Unfall- oder Rettungsdienst oder freiwillige Feuerwehr / Gesundheitsbereich / Berufliche Interessenvertretung außerhalb des Betriebs / Justiz und Kriminalitätsprobleme / Sonstiger Bereich