Berlin, den 08.02.2021. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, positioniert sich mit diesem Diskussionspapier zur anstehenden Öffnung des Kulturbereiches und wendet sich vor allem an Länder und Kommunen.
Die Zuständigkeit für die Schließung oder die Öffnung von Kultur- und Bildungseinrichtungen liegt bei den Ländern – also den Kulturministerinnen und -ministern. Sie erlassen auf dem Verordnungsweg, welche Einrichtungen schließen müssen und welche öffnen dürfen. Im Infektionsschutzgesetz wird in §28a Ziffer 7 auf den Werk- und Wirkbereich bei Kulturveranstaltungen abgehoben und unterstrichen, dass bei Untersagungen oder Beschränkungen im Kulturbereich der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz Rechnung getragen werden muss. Mit diesem Diskussionspapier sollen für die anstehenden Debatten in den Ländern und in der Kulturministerkonferenz Anregungen aus dem Kulturbereich selbst gegeben werden.
Neben den Ländern kommen den Städten und Gemeinden hinsichtlich der Öffnungen ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Sie regeln unter Berücksichtigung des lokalen Infektionsgeschehens, ob und unter welchen Bedingungen vor Ort Einrichtungen öffnen können. Der Deutsche Kulturrat erwartet, dass sich auch die Städte und Gemeinden offensiv für Öffnungen im Kulturbereich einsetzen.
Mit der Öffnung von Kindertagesstätten und Schulen sollten Einrichtungen der kulturellen Bildung ebenfalls wieder öffnen können. Der weitere Kulturbereich muss spätestens dann seinen regulären Betrieb wieder aufnehmen können, wenn Handel und Dienstleistungen wieder öffnen.
Verantwortliches Handeln
Der Kulturbereich, seien es öffentliche Kultureinrichtungen oder kulturelle Bildungseinrichtungen, privatwirtschaftliche Unternehmen sowie Künstlerinnen und Künstler und Kulturvereine, hat in den letzten Monaten mit viel Solidarität auf die Erfordernisse aufgrund der Corona-Pandemie reagiert. Es wurden harte wirtschaftliche und künstlerische Einschnitte hingenommen. Der Schutz der Gesundheit von Besucherinnen und Besuchern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aber auch ehrenamtlich Engagierten ist vordringlich. Es wurde und wird daher verantwortungsbewusst gehandelt.
Kulturräume sind Diskursräume
Der Kulturbereich leistet einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt in der Gesellschaft. Kunst und Kultur machen das Leben lebenswert, Kulturorte sind Debattenorte, Orte der demokratischen Auseinandersetzung und der gesellschaftlichen Verständigung. Sie sind wesentliche Erlebnis- und Bildungsorte, die kulturelle Bildung für alle Alters- und alle Bevölkerungsgruppen bereitstellen. Kultureinrichtungen und Kulturunternehmen sind ein wesentlicher Teil lokaler Bildungslandschaften, sie kooperieren systematisch mit Schulen und Kindertagesstätten und sie vereinen Angebote informellen Lernens, Spaß und Unterhaltung. Emotionen wie Lachen, Weinen, Freude finden hier ihren Platz. Kunst kann dabei helfen, Einschnitte wie beispielsweise die Corona-Pandemie emotional zu verarbeiten.
Live ist live
Das Live-Erleben von Kunst und Kultur – unabhängig von der künstlerischen Ausdrucksform – ist durch kein digitales Angebot ersetzbar. Das trifft ebenso für Kulturorte als Begegnungsorte zu. Der Lockdown zeigt, wie sehr Menschen einander und die Gemeinschaft brauchen. Kunst und Kultur stehen für diese Gemeinschaft. Öffentliche und private Kultureinrichtungen müssen daher zu den Ersten gehören, die wieder öffnen können. Kunst und Kultur sind essenziell für lebenswerte Kommunen und für die Werte, die unsere Gesellschaft bestimmen.
Der gesamte Kulturbereich braucht jetzt Perspektiven zur Öffnung. Diese Perspektiven werden auch benötigt, um mit Zuversicht die Zeit des Lockdowns meistern zu können. Der Deutsche Kulturrat fordert daher:
- Schrittweises Vorgehen
Jetzt muss es darum gehen, unmittelbare Öffnungsperspektiven zu schaffen, um die entsprechenden Vorbereitungen für Öffnungen treffen zu können. Es ist es dringend erforderlich, einen notwendigen Vorlauf und hinreichende Planungssicherheit für die Wiedereröffnung des Kulturbereiches zu ermöglichen. Dabei ist von einer schrittweisen Öffnung der Institutionen und Unternehmen sowie einer Wiederaufnahme der Angebote aus dem Kulturbereich auszugehen. Insbesondere jene Einrichtungen, von denen entweder durch die Art ihrer Angebote oder durch die Schaffung entsprechender Voraussetzungen ein geringeres Risiko für die Gesundheit ausgeht, sollten als erste geöffnet werden und weitere bei einem stabilisierten oder abgeschwächten Infektionsgeschehen folgen. Es müssen daher, sobald die Inzidenzen dies erlauben, Öffnungen erfolgen. Ebenso muss Planungssicherheit mit Blick auf das Offenhalten von Einrichtungen geschaffen werden.
- Hygienekonzepte
Die privaten und öffentlichen Kultureinrichtungen haben in den vergangenen elf Monaten ausgefeilte Hygienekonzepte entwickelt. Sie haben Investitionen in Lüftungsmaßnahmen, Online-Ticketsysteme, veränderte Bestuhlung, Leitsysteme für Besucherströme, Begrenzung der Besucherzahlen, sanitäre Anlagen und anderes mehr getätigt, um die Einrichtungen sicher zu machen. Diese Maßnahmen erstrecken sich auf die Besucherinnen und Besucher sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kultureinrichtungen tragen sowohl für ihr Personal als auch das Publikum Verantwortung. Online-Buchungen oder persönliche Registrierungen beim Einlass, bei denen die Kontaktdaten der Besucherinnen und Besucher hinterlegt werden, ermöglichen eine Unterstützung der Gesundheitsämter, sollte eine Kontaktverfolgung erforderlich sein.Weitere Auflagen müssen mit Augenmaß und unter Einbeziehung der Expertise aus dem Kulturbereich erfolgen. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Vorschriften zu Lüftungsanlagen und der Belegung von Theater- oder Kinosälen. Die Maskenpflicht muss der Maskenpflicht in der Gastronomie entsprechen, damit während der Veranstaltungen ein Konsum am Sitzplatz möglich ist.
- Wirtschaftlichkeit
Vorgaben zur Öffnung von Kultureinrichtungen müssen im Grundsatz einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen. Zu rigide Vorschriften und enge Auflagen, zu niedrige Auslastungsgrenzen konterkarieren die Öffnungsperspektiven. Auch gilt es, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um private und öffentliche Kultureinrichtungen in der Öffnungsphase zu unterstützen, damit sie als Arbeit- und Auftraggeber auftreten und damit Impulse in den Kulturbereich hinein setzen können. Dazu zählen eine stabile öffentliche Kulturfinanzierung der Kommunen, der Länder und des Bundes sowie eine adäquate Wirtschaftsförderung für Kulturunternehmen. Die bestehenden Wirtschaftsförderungsprogramme werden derzeit zu langsam umgesetzt.
- Herausforderung Föderalismus
Der historisch bedingte Föderalismus hat einen wesentlichen Anteil an der Vielfalt des kulturellen Lebens in Deutschland und wird geschätzt. Über das Wie der Öffnung im Kulturbereich sind allerdings bundesweite einheitliche Regelungen wünschenswert, damit Öffnungsstrategien in den verschiedenen künstlerischen Sparten und Kulturorten entwickelt werden können. Vor allem für privatwirtschaftliche Kulturunternehmen sind darüber hinaus bundesweit einheitliche Öffnungstermine erstrebenswert. Nur so können adäquate Angebote gemacht und beworben werden. Beispielsweise brauchen Filme bundesweit geöffnete Kinos, um mit entsprechendem Werbevorlauf starten zu können. Andere brauchen Vorlauf, um ihre Angebote zu terminieren sowie Künstlerinnen und Künstler zu buchen.
- Bundesweite Werbekampagne
Generell sollte durch eine bundesweite Werbekampagne auf die Wiedereröffnung von Kultureinrichtungen aufmerksam gemacht werden, um zu zeigen, dass die Kultur wieder im Spiel ist.