Recht und Islam

Gabriele Schulz im Gespräch mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

 

Im März fand das zweite Plenum der zweiten Runde der Deutschen Islamkonferenz statt. Sehen Sie für die Deutsche Islamkonferenz Entwicklungsperspektiven oder hat sie ihren Zweck, mit einem Dialog zu beginnen, erfüllt?
Im Moment sehe ich leider die Gefahr, dass die Islamkonferenz zu einem Ort der Konfrontation wird. Der Streit darüber, welche Religion Deutschland in der Vergangenheit wie stark geprägt hat, mag von historischem Interesse sein, ist aber keine schöne Begleitmusik für eine Konferenz, die Integration für die Gegenwart und Zukunft fördern soll. Auch der Vorschlag einer Sicherheitspartnerschaft nimmt den muslimischen Glauben nicht als Teil von Deutschland wahr, sondern als Quelle von Extremismus und Radikalisierung. Hier wird der Islam aller Gläubigen mit dem Fanatismus weniger Islamisten gleichgesetzt. Zudem ist das Thema Islam und Innere Sicherheit schon lange Bestandteil der Islamkonferenz. Die Reaktionen der Teilnehmer sollten uns nochmals an unsere Integrationsverantwortung erinnern. Es hinterlässt Fragezeichen, wenn die in der Konferenz vertretenen Muslime offener für andere Religionen wirken als die staatlichen Vertreter.

 

Wie schätzen Sie wird die Diskussion um den Islam in Deutschland gerade unter rechtspolitischer Perspektive weitergehen? Wird es eine spannende und spannungsgeladene Diskussion bleiben oder wird es vielleicht in einigen Jahren genauso selbstverständlich wie es Professuren für Kirchenrecht gibt, auch welche für Islamisches Recht geben?
Langfristig müssen wir zu einer Normalisierung gelangen. Das öffentliche Abarbeiten am Islam dient letztlich der einseitigen politischen Profilbildung und darin liegt eine große Gefahr. In unseren Nachbarstaaten verlieren die großen und vor allem auch die christlichen Parteien an Bedeutung und machen Platz für kleine chauvinistische Bewegungen. Ob und wie an den Universitäten Lehrstühle für islamisches Recht eingerichtet werden, ist eine Sache der Hochschulen. Wobei zwischen dem Staatskirchenrecht als dem Recht, das die Beziehungen zwischen den Kirchen und dem Staat regelt, und dem islamischen Recht, das sowohl religiöse als auch rechtliche Normen beinhaltet, Unterschiede bestehen. Ich würde einen entspannten Umgang begrüßen.

 

Der Islam ist in Deutschland keine anerkannte Religionsgemeinschaft, da er anders als beispielsweise die Kirchen verfasst ist. Sehen Sie hier für die nächste Zukunft Entwicklungsperspektiven? Oder besteht Ihrer Ansicht nach gar nicht das Erfordernis nach einer Anerkennung als Religionsgemeinschaft?
Der Islam ist gänzlich anders verfasst als die christlichen Kirchen. Es gibt weder Papst noch Bischöfe, die Vertragspartner des Staates sein könnten. Die islamischen Gemeinden sind auch höchst unterschiedlich hinsichtlich ihrer Konfessionen und hinsichtlich der Herkunftsländer der Gläubigen verfasst. Der rechtliche Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft kann deshalb nicht dem Islam als solchem zuerkannt werden. Anders verhält es sich mit der einzelnen Moscheegemeinde, die aber natürlich vergleichsweise klein ist. Daher wäre es wünschenswert, wenn die Muslime sich so koordinieren könnten, dass sie wenigstens in den wichtigen Fragen, die ihr Verhältnis zum Staat betreffen, möglichst mit einer Stimme sprechen könnten.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2011.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gabriele Schulz
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist Bundesjustizministerin. Gabriele Schulz ist stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates
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