Neues Urheberrecht: Verlage, Autorinnen und Autoren, Bibliotheken, Kreative

Positionen zum neuen Urheberrecht

 

Bibliotheken

 

Wenn das Gespräch in Bibliothekskreisen auf die aktuelle Urheberrechtsnovelle kommt, schwanken die Reaktionen irgendwo zwischen „schon wieder?“ und „überfällig“. Tatsächlich ist es ja nach nur drei Jahren bereits die zweite größere Reform des deutschen Urheberrechts. Überhaupt fällt auf, dass die Taktung der Reformen immer kürzer wird. Es ist absehbar, dass auch die nächste Regierung – egal in welcher Besetzung – sich ebenfalls an einer weiteren Anpassung des Urheberrechts an die Bedingungen unserer immer digitaleren Lebenswelt versuchen wird. Konfliktreich wird es allerdings, sobald gefragt wird, in welcher Richtung denn geändert werden sollte. Wie nicht zuletzt die äußerst harten Diskussionen um die Haftung von Internetplattformen für hochgeladene Inhalte, die sogenannten Upload-Filter, und die künftig zu vergütende Nutzung von Presseerzeugnissen durch Suchmaschinen gezeigt haben, prallen schnell diametral entgegengesetzte Positionen aufeinander. Während die berufsmäßig Kreativen – und ihre Verlegerinnen, Filmverwerter oder Galeristen … – sich schleichend enteignet fühlen, sehen sich Internetnutzer und Wissenschaftlerinnen in ihren – teilweise mehr gefühlten als tatsächlichen – Rechten auf digitalen Zugang und freier Werknutzung gegängelt, ausgebremst und unnötig beschränkt.

 

Besondere Verantwortung kommt hier den Institutionen zu, die zwischen den Extremen vermitteln könnten: den Verwertungsgesellschaften einerseits und den öffentlichen Kultureinrichtungen andererseits. Es ist erfreulich, dass diese Erkenntnis auch beim Gesetzgeber zunehmend ankommt und konsequent, wenn in der letzten Reform die Rolle der Bibliotheken deutlich gestärkt wurde und in dieser Reform die Verwertungsgesellschaften mit der Einführung von Kollektivlizenzen nach skandinavischem Vorbild ein sehr wichtiges neues Instrument bekommen. Die Möglichkeit der Verwertungsgesellschaften, unter bestimmten Bedingungen Lizenzen auch im Namen von Rechteinhabern vergeben zu können, die nicht eigentlich von ihnen vertreten werden, ist unter dem politischen Lärm zu Upload-Filtern medial weitgehend ungesehen geblieben. Es könnte aber sein, dass dieser Teil der Reform der nachhaltigste und auf Dauer wichtigste sein wird. Die Bibliotheken jedenfalls begrüßen die Entwicklung, denn Kollektivlizenzen zu wissenschaftsfreundlichen Bedingungen werden auch ihre Arbeit an vielen Stellen erheblich erleichtern können.

 

Auffällig erfolgreich war das geschlossene Auftreten der wissenschaftlichen Interessenvertretungen im Gesetzgebungsprozess. Angeführt von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen hatten die Akteure, einschließlich des Bibliotheksverbands, ihre Partikularinteressen weitgehend zurückgestellt und sich auf eine Kernforderung fokussiert: die Entfristung der mit der letzten Reform eingeführten Erlaubnisse für Lehre und Forschung. Der ursprünglich anderslautende Regierungsentwurf wurde noch einmal geändert und die entsprechenden Gesetze gelten künftig unbefristet – oder zumindest bis zur nächsten Reform.

 

Arne Upmeier ist Direktor der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

 

 

Kreative

 

Die Urheberrechtsrichtlinie und damit auch das Gesetzespaket, das am 20. Mai 2021 im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, sollte zwei Ziele erreichen: den professionellen Kreativen Wege zur angemessenen, von den Diensteanbietern zu zahlenden Vergütungen für die Nutzung ihrer Werke vor allem durch nichtkommerzielle „Uploader“ ermöglichen und gleichzeitig die Verantwortung für die Werknutzung neu regeln: weg von den Privaten zu den Plattformbetreibern, den Servicedienstleistern, die die Nutzung fremder Werke erst ermöglicht und damit ein Geschäftsmodell aufgebaut hatten. Daneben zielte die Richtlinie vor allem auf Druck des EU-Parlaments auf die Verbesserung der in vielen EU-Staaten schwach oder kaum geregelten Vertragsstruktur in Verwertungsverträgen zwischen einzelnen Urhebern und ausübenden Künstlern und der Kulturwirtschaft.

 

Der Beratungsprozess weckte besonders im Jahr 2019 viele Emotionen, vor allem, weil das komplizierte Konstrukt der Regelung der Verantwortlichkeit für Uploads von den Vertretern der Nutzer bewusst falsch verstanden bzw. vermittelt wurde, mit dem Ergebnis, dass den Internetnutzern zunächst mit Erfolg vorgegaukelt wurde, die EU wolle mit Uploadfiltern – die längst etabliert waren – das Internet zensieren und damit erledigen. Zum Glück ließen sich weder das EU-Parlament noch der Ministerrat vom Weg abbringen: Die Richtlinie wurde im Frühjahr 2019 beschlossen. Die Bundesregierung verband ihre Zustimmung zusätzlich mit einer Protokollerklärung, in der sie besonderen Wert auf die angemessene Beteiligung der Kreativen an den zu erwartenden Vergütungszahlungen der Plattformen legte.

 

Der nun verabschiedete Gesetzentwurf schafft im Bereich der Neuordnung der Plattformverantwortlichkeit eine intelligente und höchst ausgefeilte Balance zwischen den Interessen der Urheber und ausübenden Künstler auf direkte und in ihre Taschen gelangende Vergütungen für die Nutzungen ihrer Werke und Leistungen vor allem durch den „Direktvergütungsanspruch“ und die Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte einerseits und den durch die Richtlinie ausdrücklich anerkannten Berechtigungen der Nutzer auf begrenzten Zugang zu fremden Werken bei der Entfaltung eigener, nicht kommerzieller Kreativität unter Nutzung der neuen Möglichkeiten des Internets andererseits. Ein komplizierter Mechanismus regelt einerseits die Durchsetzung berechtigter Interessen auf Verwendung von Werken im Rahmen der bisher schon geltenden Schranken und neuen, von der europäischen Rechtsprechung geforderten Regelung zur Werkschöpfung unter Nutzung fremder Werke. Besonders die Einführung des Begriffs „Pastiche“ wird zwangsläufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen, die aber bei gutem Willen aller Beteiligten lösbar sein dürften.

 

Dieses System des fairen Ausgleichs wurde nicht von allen Betroffenen verstanden und hat deshalb bittere Kommentare ausgelöst. Zu hoffen ist, dass sich in der Praxis bei allseitigem guten Willen Formen des fairen Umgangs einspielen, die allen Interessen gerecht werden. Bei der deutschen Lösung handelt es sich nicht um einen „Sonderweg“, wie behauptet wurde, sondern eine durchdachte Entwicklung der Richtlinie in die praktische Anwendung, die in vielen Nachbarländern sehr aufmerksam und positiv verfolgt wurde.

 

Die Umsetzung der urhebervertragsrechtlichen Regelungen – zu denen auch der Direktvergütungsanspruch im Diensteanbietergesetz als wichtige strukturelle Reform gehört – stößt auf berechtigte Kritik, weil sie nicht in vollem Umfang die Defizite der Urhebervertragsrechtsnovellierung ausgleicht und insbesondere das Verbandsklagerecht nur ein Schrittchen weiter voranbringt. Aber in diesem Kontext darf die Festlegung von Mindestquoten für die Urheberbeteiligung bei der Verlegerbeteiligung und beim Presseverlegerleistungsschutzrecht als wichtige strukturelle Stärkung der Autoren nicht übersehen werden.

 

Dennoch: Der Paradigmenwechsel stärkt die Kreativen und eröffnet ihren Verwertungsgesellschaften, aber auch den tariffähigen Organisationen zukunftsweisende Perspektiven, die nun mit intelligenten Vertragsmodellen erreicht werden müssen.

 

Gerhard Pfennig ist Rechtsanwalt und war bis Ende Mai Sprecher der Initiative Urheberrecht

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