30. Juni 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Urheberrecht

Neues Urheberrecht: Verlage, Autorinnen und Autoren, Bibliotheken, Kreative


Positionen zum neuen Urheberrecht

Hier schildern Susanne Barwick (Verlage), Valentin Döring (Autorinnen und Autoren), Arne Upmeier (Bibliotheken) und Gerhard Pfennig (Kreative) ihre Positionen zum neuen Urheberrecht. Die Text sind zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2021.

 

Lesen Sie hier weitere Positionen:

 

Verlage

 

Das „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ war für die Buchbranche aufgrund der dort enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verlagsbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen enorm wichtig. Damit wird der Fortbestand der VG WORT als gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Urheberinnen bzw. Urhebern und Verlagen gesichert. Und Verlage erhalten nun endlich wieder einen Ausgleich dafür, wenn ihre Publikationen privat kopiert, durch Bibliotheken verliehen oder sonst in gesetzlich erlaubter Weise genutzt werden. Ein Wermutstropfen aus Sicht der wissenschaftlichen Verlage und Schulbuchverlage ist allerdings, dass der Gesetzgeber in die Verteilungsquoten, die bisher von den Verwertungsgesellschaften in Verhandlungen zwischen den Berufsgruppen festgelegt wurden, zu ihren Ungunsten eingegriffen hat.

 

Positiv bewerten wir auch den neuen Paragrafen § 68 UrhG, wonach Lichtbilder von gemeinfreien visuellen Werken, also z. B. von gemeinfreien Gemälden, als nicht geschützt gelten. Damit müssen Verlage keine Lizenzen mehr erwerben, nur weil sie ein Foto eines Gemäldes wiedergeben wollen, dessen Urheber oder Urheberin schon länger als 70 Jahre tot ist. Wir sind froh, dass der vom Bundesrat in letzter Sekunde eingebrachte Vorschlag zur E-Book-Leihe in öffentlichen Bibliotheken keinen Einzug ins Gesetz gehalten hat. Eine solche überstürzte gesetzliche Regelung des sehr komplexen Themas wäre sehr problematisch gewesen. Der Börsenverein ist diesbezüglich aber gerne bereit, mit dem Deutschen Bibliotheksverband im Rahmen von Gesprächen zu praktikablen Lösungen zu kommen. Allerdings bedarf es dazu noch einer Freigabe durch das Bundeskartellamt.

 

Im Übrigen sehen wir das Gesetzespaket aber eher kritisch. Die Schaffung einer neuen Schrankenregelung für den Pastiche, bei der niemand genau weiß, was unter diese fallen soll, war unnötig und könnte – je nach Auslegung der Gerichte – dazu führen, dass Urheberrechte weiter ausgehöhlt werden. Die vorzeitige Entfristung der Schrankenregelungen des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes halten wir für verfassungsrechtlich bedenklich. Die Befristung wurde ursprünglich angeordnet, um überprüfen zu können, ob durch das Gesetz der Primärmarkt für wissenschaftliche Werke leidet. Mittlerweile liegen uns Daten vor, die tatsächlich einen signifikanten Rückgang der Verkäufe bei Lehrbüchern belegen.

 

Im Falle des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes sind wir der Ansicht, dass Sinn und Zweck des Art. 17 der DSM-Richtlinie, nämlich die großen Internetplattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen, wenn urheberrechtlich geschützte Werke durch Nutzer hochgeladen werden, nicht erreicht wurde. Problematisch sind hier die Voraussetzungen, die der Gesetzgeber im Bereich der Lizenzvergabe aufgestellt hat, aber auch die Regelung zu den mutmaßlich erlaubten Nutzungen, mit der letztendlich urheberrechtliche Prinzipien auf den Kopf gestellt werden.

 

Susanne Barwick ist Rechtsanwältin und stellvertretende Justitiarin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels

 

 

Autorinnen und Autoren

 

Es wurde viel gesprochen über Urheberinnen und ausübende Künstler. Allen liegen sie am Herzen, diese Kreativen. Nach den blumigen Sonntagsreden kommt dann aber immer die Arbeitswoche, die (Binnen-)Marktwoche, die Plenarwoche. Passend dazu stehen die Rechte der Urheber und ausübenden Künstler schon in der DSM-Richtlinie am Ende. Ganz ohne geht ja auch nicht. Wobei: Eine Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags zum Urheberrecht, die geht auch ganz ohne Urheber. Erst nach Protest der Kreativenverbände wurde dann doch noch beschämt ein zusätzlicher Stuhl für deren Vertretung aufgestellt.

 

Mit Artikel 17 der DSM-RL und dem UrhDaG als Umsetzung wird der Streit der alten Intermediäre mit den neuen Intermediären auf Kosten des Datenschutzes und der Urheber geregelt. Die Nutzer der Werke der Urheber vermitteln diese als Content an die Nutzerinnen der Dienste. Die Dienste als Nutzer im urheberrechtlichen Sinne müssen und können Lizenzen entweder von der Urheberin direkt, deren Verwertungsgesellschaft oder ihrem Vertragspartner als Verwerter und Nutzer ihrer Rechte erwerben. Im letzten Fall kommt die wesentlichste Veränderung zugunsten der Kreativschaffenden zum Tragen: Der Direktvergütungsanspruch für Urheberinnen, ausübende Künstler und Lichtbildnerinnen nach § 4 Abs. 3 UrhDaG. Durch dieses Viadukt wird sichergestellt, dass die von den Plattformen als Quelle zu zahlende Vergütung nicht unterwegs in Schluchten, Mischkalkulationen oder Ferienhäusern der Verwerter versickert.

 

Wer behauptet, dass mittels des Direktvergütungsanspruchs nunmehr doppelt vergütet würde, versucht darüber hinwegzutäuschen, dass bisher für das, was auf den User-Upload-Plattformen, bei Streaming-Diensten und den eigenen Mediatheken an Nutzungsmöglichkeiten stattfindet, kaum bis gar nicht vergütet wird. Man darf natürlich nicht verschweigen, dass z. B. bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten Tarifverträge und gemeinsame Vergütungsregeln bestehen, die unverändert seit Anfang der 2000er Jahre (k)einen Online-Zuschlag für die Mediathekennutzung vorsehen. Es hat sich in den letzten 20 Jahren ja auch kaum etwas verändert im Online-Angebot von ARD und ZDF.

 

„Angemessen“ ist und bleibt weitestgehend, was der Vertragspartner der Künstlerin einseitig vorgibt. Wer daran zweifelt, der möge das dann bitte gerichtlich geltend machen und froh sein, dass man zur „Klärung wichtiger Rechtsfragen“ beitragen darf. Neu ist nach der Reform, dass Kreative jetzt dank einer Absenkung der Schwelle für Vertragsanpassungsansprüche ihre Karriere schon für „better-seller“ und nicht mehr nur für „best-seller“ riskieren können. So begrüßenswert und groß der urhebervertragsrechtliche Fortschritt für Europa sein mag, national wurde kaum etwas verändert. Den notwendigen starken Hebel, den die strukturell unterlegene Seite der Urheberinnen dringend zur Durchsetzung ihrer gesetzlichen Rechte benötigt, um endlich – und wie seit 1965 versprochen – auf Augenhöhe zu kommen, der fehlt weiterhin. Es sind ein paar kleine Nadeln dazugekommen, mit denen die Seite der Kreativschaffenden vermeintlich über dem Gesetz stehende und unter diesem vergütende Verwerter piksen kann, damit diese dann irgendwann in die Knie gehen, um sich an den Verhandlungstisch zu setzen.

 

Der europäische und der nationale Gesetzgeber haben den Auftrag zur Aufstellung von Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregeln erneuert. Der Auftrag, spezielles Urheberrecht zu schaffen, richtet sich jetzt auch an die Dienste für das Teilen von Online-Inhalten. Es ist zu hoffen, dass sich die alten und die neuen Nutzer im Interesse der Dienstenutzerinnen, der Urheberinnen und der ausübenden Künstlerinnen zu konstruktiven Verhandlungen entscheiden. Rechtssicher und angemessen vergütet auch weiterhin nur, wer nach kollektiven Regelungen und/oder über Verwertungsgesellschaften vergütet. Wer das Urheberrecht ernst nimmt, der redet auch mit und nicht nur über Urheber.

 

Valentin Döring ist ver.di Bereichs-leiter Kunst und Kultur / Urheberrecht

 

 

Bibliotheken

 

Wenn das Gespräch in Bibliothekskreisen auf die aktuelle Urheberrechtsnovelle kommt, schwanken die Reaktionen irgendwo zwischen „schon wieder?“ und „überfällig“. Tatsächlich ist es ja nach nur drei Jahren bereits die zweite größere Reform des deutschen Urheberrechts. Überhaupt fällt auf, dass die Taktung der Reformen immer kürzer wird. Es ist absehbar, dass auch die nächste Regierung – egal in welcher Besetzung – sich ebenfalls an einer weiteren Anpassung des Urheberrechts an die Bedingungen unserer immer digitaleren Lebenswelt versuchen wird. Konfliktreich wird es allerdings, sobald gefragt wird, in welcher Richtung denn geändert werden sollte. Wie nicht zuletzt die äußerst harten Diskussionen um die Haftung von Internetplattformen für hochgeladene Inhalte, die sogenannten Upload-Filter, und die künftig zu vergütende Nutzung von Presseerzeugnissen durch Suchmaschinen gezeigt haben, prallen schnell diametral entgegengesetzte Positionen aufeinander. Während die berufsmäßig Kreativen – und ihre Verlegerinnen, Filmverwerter oder Galeristen … – sich schleichend enteignet fühlen, sehen sich Internetnutzer und Wissenschaftlerinnen in ihren – teilweise mehr gefühlten als tatsächlichen – Rechten auf digitalen Zugang und freier Werknutzung gegängelt, ausgebremst und unnötig beschränkt.

 

Besondere Verantwortung kommt hier den Institutionen zu, die zwischen den Extremen vermitteln könnten: den Verwertungsgesellschaften einerseits und den öffentlichen Kultureinrichtungen andererseits. Es ist erfreulich, dass diese Erkenntnis auch beim Gesetzgeber zunehmend ankommt und konsequent, wenn in der letzten Reform die Rolle der Bibliotheken deutlich gestärkt wurde und in dieser Reform die Verwertungsgesellschaften mit der Einführung von Kollektivlizenzen nach skandinavischem Vorbild ein sehr wichtiges neues Instrument bekommen. Die Möglichkeit der Verwertungsgesellschaften, unter bestimmten Bedingungen Lizenzen auch im Namen von Rechteinhabern vergeben zu können, die nicht eigentlich von ihnen vertreten werden, ist unter dem politischen Lärm zu Upload-Filtern medial weitgehend ungesehen geblieben. Es könnte aber sein, dass dieser Teil der Reform der nachhaltigste und auf Dauer wichtigste sein wird. Die Bibliotheken jedenfalls begrüßen die Entwicklung, denn Kollektivlizenzen zu wissenschaftsfreundlichen Bedingungen werden auch ihre Arbeit an vielen Stellen erheblich erleichtern können.

 

Auffällig erfolgreich war das geschlossene Auftreten der wissenschaftlichen Interessenvertretungen im Gesetzgebungsprozess. Angeführt von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen hatten die Akteure, einschließlich des Bibliotheksverbands, ihre Partikularinteressen weitgehend zurückgestellt und sich auf eine Kernforderung fokussiert: die Entfristung der mit der letzten Reform eingeführten Erlaubnisse für Lehre und Forschung. Der ursprünglich anderslautende Regierungsentwurf wurde noch einmal geändert und die entsprechenden Gesetze gelten künftig unbefristet – oder zumindest bis zur nächsten Reform.

 

Arne Upmeier ist Direktor der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

 

 

Kreative

 

Die Urheberrechtsrichtlinie und damit auch das Gesetzespaket, das am 20. Mai 2021 im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, sollte zwei Ziele erreichen: den professionellen Kreativen Wege zur angemessenen, von den Diensteanbietern zu zahlenden Vergütungen für die Nutzung ihrer Werke vor allem durch nichtkommerzielle „Uploader“ ermöglichen und gleichzeitig die Verantwortung für die Werknutzung neu regeln: weg von den Privaten zu den Plattformbetreibern, den Servicedienstleistern, die die Nutzung fremder Werke erst ermöglicht und damit ein Geschäftsmodell aufgebaut hatten. Daneben zielte die Richtlinie vor allem auf Druck des EU-Parlaments auf die Verbesserung der in vielen EU-Staaten schwach oder kaum geregelten Vertragsstruktur in Verwertungsverträgen zwischen einzelnen Urhebern und ausübenden Künstlern und der Kulturwirtschaft.

 

Der Beratungsprozess weckte besonders im Jahr 2019 viele Emotionen, vor allem, weil das komplizierte Konstrukt der Regelung der Verantwortlichkeit für Uploads von den Vertretern der Nutzer bewusst falsch verstanden bzw. vermittelt wurde, mit dem Ergebnis, dass den Internetnutzern zunächst mit Erfolg vorgegaukelt wurde, die EU wolle mit Uploadfiltern – die längst etabliert waren – das Internet zensieren und damit erledigen. Zum Glück ließen sich weder das EU-Parlament noch der Ministerrat vom Weg abbringen: Die Richtlinie wurde im Frühjahr 2019 beschlossen. Die Bundesregierung verband ihre Zustimmung zusätzlich mit einer Protokollerklärung, in der sie besonderen Wert auf die angemessene Beteiligung der Kreativen an den zu erwartenden Vergütungszahlungen der Plattformen legte.

 

Der nun verabschiedete Gesetzentwurf schafft im Bereich der Neuordnung der Plattformverantwortlichkeit eine intelligente und höchst ausgefeilte Balance zwischen den Interessen der Urheber und ausübenden Künstler auf direkte und in ihre Taschen gelangende Vergütungen für die Nutzungen ihrer Werke und Leistungen vor allem durch den „Direktvergütungsanspruch“ und die Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte einerseits und den durch die Richtlinie ausdrücklich anerkannten Berechtigungen der Nutzer auf begrenzten Zugang zu fremden Werken bei der Entfaltung eigener, nicht kommerzieller Kreativität unter Nutzung der neuen Möglichkeiten des Internets andererseits. Ein komplizierter Mechanismus regelt einerseits die Durchsetzung berechtigter Interessen auf Verwendung von Werken im Rahmen der bisher schon geltenden Schranken und neuen, von der europäischen Rechtsprechung geforderten Regelung zur Werkschöpfung unter Nutzung fremder Werke. Besonders die Einführung des Begriffs „Pastiche“ wird zwangsläufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen, die aber bei gutem Willen aller Beteiligten lösbar sein dürften.

 

Dieses System des fairen Ausgleichs wurde nicht von allen Betroffenen verstanden und hat deshalb bittere Kommentare ausgelöst. Zu hoffen ist, dass sich in der Praxis bei allseitigem guten Willen Formen des fairen Umgangs einspielen, die allen Interessen gerecht werden. Bei der deutschen Lösung handelt es sich nicht um einen „Sonderweg“, wie behauptet wurde, sondern eine durchdachte Entwicklung der Richtlinie in die praktische Anwendung, die in vielen Nachbarländern sehr aufmerksam und positiv verfolgt wurde.

 

Die Umsetzung der urhebervertragsrechtlichen Regelungen – zu denen auch der Direktvergütungsanspruch im Diensteanbietergesetz als wichtige strukturelle Reform gehört – stößt auf berechtigte Kritik, weil sie nicht in vollem Umfang die Defizite der Urhebervertragsrechtsnovellierung ausgleicht und insbesondere das Verbandsklagerecht nur ein Schrittchen weiter voranbringt. Aber in diesem Kontext darf die Festlegung von Mindestquoten für die Urheberbeteiligung bei der Verlegerbeteiligung und beim Presseverlegerleistungsschutzrecht als wichtige strukturelle Stärkung der Autoren nicht übersehen werden.

 

Dennoch: Der Paradigmenwechsel stärkt die Kreativen und eröffnet ihren Verwertungsgesellschaften, aber auch den tariffähigen Organisationen zukunftsweisende Perspektiven, die nun mit intelligenten Vertragsmodellen erreicht werden müssen.

 

Gerhard Pfennig ist Rechtsanwalt und war bis Ende Mai Sprecher der Initiative Urheberrecht


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