Neues Urheberrecht: Verlage, Autorinnen und Autoren, Bibliotheken, Kreative

Positionen zum neuen Urheberrecht

Hier schildern Susanne Barwick (Verlage), Valentin Döring (Autorinnen und Autoren), Arne Upmeier (Bibliotheken) und Gerhard Pfennig (Kreative) ihre Positionen zum neuen Urheberrecht. Die Text sind zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2021.

 

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Verlage

 

Das „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ war für die Buchbranche aufgrund der dort enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verlagsbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen enorm wichtig. Damit wird der Fortbestand der VG WORT als gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Urheberinnen bzw. Urhebern und Verlagen gesichert. Und Verlage erhalten nun endlich wieder einen Ausgleich dafür, wenn ihre Publikationen privat kopiert, durch Bibliotheken verliehen oder sonst in gesetzlich erlaubter Weise genutzt werden. Ein Wermutstropfen aus Sicht der wissenschaftlichen Verlage und Schulbuchverlage ist allerdings, dass der Gesetzgeber in die Verteilungsquoten, die bisher von den Verwertungsgesellschaften in Verhandlungen zwischen den Berufsgruppen festgelegt wurden, zu ihren Ungunsten eingegriffen hat.

 

Positiv bewerten wir auch den neuen Paragrafen § 68 UrhG, wonach Lichtbilder von gemeinfreien visuellen Werken, also z. B. von gemeinfreien Gemälden, als nicht geschützt gelten. Damit müssen Verlage keine Lizenzen mehr erwerben, nur weil sie ein Foto eines Gemäldes wiedergeben wollen, dessen Urheber oder Urheberin schon länger als 70 Jahre tot ist. Wir sind froh, dass der vom Bundesrat in letzter Sekunde eingebrachte Vorschlag zur E-Book-Leihe in öffentlichen Bibliotheken keinen Einzug ins Gesetz gehalten hat. Eine solche überstürzte gesetzliche Regelung des sehr komplexen Themas wäre sehr problematisch gewesen. Der Börsenverein ist diesbezüglich aber gerne bereit, mit dem Deutschen Bibliotheksverband im Rahmen von Gesprächen zu praktikablen Lösungen zu kommen. Allerdings bedarf es dazu noch einer Freigabe durch das Bundeskartellamt.

 

Im Übrigen sehen wir das Gesetzespaket aber eher kritisch. Die Schaffung einer neuen Schrankenregelung für den Pastiche, bei der niemand genau weiß, was unter diese fallen soll, war unnötig und könnte – je nach Auslegung der Gerichte – dazu führen, dass Urheberrechte weiter ausgehöhlt werden. Die vorzeitige Entfristung der Schrankenregelungen des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes halten wir für verfassungsrechtlich bedenklich. Die Befristung wurde ursprünglich angeordnet, um überprüfen zu können, ob durch das Gesetz der Primärmarkt für wissenschaftliche Werke leidet. Mittlerweile liegen uns Daten vor, die tatsächlich einen signifikanten Rückgang der Verkäufe bei Lehrbüchern belegen.

 

Im Falle des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes sind wir der Ansicht, dass Sinn und Zweck des Art. 17 der DSM-Richtlinie, nämlich die großen Internetplattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen, wenn urheberrechtlich geschützte Werke durch Nutzer hochgeladen werden, nicht erreicht wurde. Problematisch sind hier die Voraussetzungen, die der Gesetzgeber im Bereich der Lizenzvergabe aufgestellt hat, aber auch die Regelung zu den mutmaßlich erlaubten Nutzungen, mit der letztendlich urheberrechtliche Prinzipien auf den Kopf gestellt werden.

 

Susanne Barwick ist Rechtsanwältin und stellvertretende Justitiarin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels

 

 

Autorinnen und Autoren

 

Es wurde viel gesprochen über Urheberinnen und ausübende Künstler. Allen liegen sie am Herzen, diese Kreativen. Nach den blumigen Sonntagsreden kommt dann aber immer die Arbeitswoche, die (Binnen-)Marktwoche, die Plenarwoche. Passend dazu stehen die Rechte der Urheber und ausübenden Künstler schon in der DSM-Richtlinie am Ende. Ganz ohne geht ja auch nicht. Wobei: Eine Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags zum Urheberrecht, die geht auch ganz ohne Urheber. Erst nach Protest der Kreativenverbände wurde dann doch noch beschämt ein zusätzlicher Stuhl für deren Vertretung aufgestellt.

 

Mit Artikel 17 der DSM-RL und dem UrhDaG als Umsetzung wird der Streit der alten Intermediäre mit den neuen Intermediären auf Kosten des Datenschutzes und der Urheber geregelt. Die Nutzer der Werke der Urheber vermitteln diese als Content an die Nutzerinnen der Dienste. Die Dienste als Nutzer im urheberrechtlichen Sinne müssen und können Lizenzen entweder von der Urheberin direkt, deren Verwertungsgesellschaft oder ihrem Vertragspartner als Verwerter und Nutzer ihrer Rechte erwerben. Im letzten Fall kommt die wesentlichste Veränderung zugunsten der Kreativschaffenden zum Tragen: Der Direktvergütungsanspruch für Urheberinnen, ausübende Künstler und Lichtbildnerinnen nach § 4 Abs. 3 UrhDaG. Durch dieses Viadukt wird sichergestellt, dass die von den Plattformen als Quelle zu zahlende Vergütung nicht unterwegs in Schluchten, Mischkalkulationen oder Ferienhäusern der Verwerter versickert.

 

Wer behauptet, dass mittels des Direktvergütungsanspruchs nunmehr doppelt vergütet würde, versucht darüber hinwegzutäuschen, dass bisher für das, was auf den User-Upload-Plattformen, bei Streaming-Diensten und den eigenen Mediatheken an Nutzungsmöglichkeiten stattfindet, kaum bis gar nicht vergütet wird. Man darf natürlich nicht verschweigen, dass z. B. bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten Tarifverträge und gemeinsame Vergütungsregeln bestehen, die unverändert seit Anfang der 2000er Jahre (k)einen Online-Zuschlag für die Mediathekennutzung vorsehen. Es hat sich in den letzten 20 Jahren ja auch kaum etwas verändert im Online-Angebot von ARD und ZDF.

 

„Angemessen“ ist und bleibt weitestgehend, was der Vertragspartner der Künstlerin einseitig vorgibt. Wer daran zweifelt, der möge das dann bitte gerichtlich geltend machen und froh sein, dass man zur „Klärung wichtiger Rechtsfragen“ beitragen darf. Neu ist nach der Reform, dass Kreative jetzt dank einer Absenkung der Schwelle für Vertragsanpassungsansprüche ihre Karriere schon für „better-seller“ und nicht mehr nur für „best-seller“ riskieren können. So begrüßenswert und groß der urhebervertragsrechtliche Fortschritt für Europa sein mag, national wurde kaum etwas verändert. Den notwendigen starken Hebel, den die strukturell unterlegene Seite der Urheberinnen dringend zur Durchsetzung ihrer gesetzlichen Rechte benötigt, um endlich – und wie seit 1965 versprochen – auf Augenhöhe zu kommen, der fehlt weiterhin. Es sind ein paar kleine Nadeln dazugekommen, mit denen die Seite der Kreativschaffenden vermeintlich über dem Gesetz stehende und unter diesem vergütende Verwerter piksen kann, damit diese dann irgendwann in die Knie gehen, um sich an den Verhandlungstisch zu setzen.

 

Der europäische und der nationale Gesetzgeber haben den Auftrag zur Aufstellung von Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregeln erneuert. Der Auftrag, spezielles Urheberrecht zu schaffen, richtet sich jetzt auch an die Dienste für das Teilen von Online-Inhalten. Es ist zu hoffen, dass sich die alten und die neuen Nutzer im Interesse der Dienstenutzerinnen, der Urheberinnen und der ausübenden Künstlerinnen zu konstruktiven Verhandlungen entscheiden. Rechtssicher und angemessen vergütet auch weiterhin nur, wer nach kollektiven Regelungen und/oder über Verwertungsgesellschaften vergütet. Wer das Urheberrecht ernst nimmt, der redet auch mit und nicht nur über Urheber.

 

Valentin Döring ist ver.di Bereichs-leiter Kunst und Kultur / Urheberrecht

 

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