Sichern wir unsere Selbständigen ab!

Dauerhafte Regelung bei Arbeitslosigkeit oder Arbeitsausfall dringend notwendig

Diese Regeln würden dazu dienen, Mitnahmeeffekte möglichst gut zu begrenzen. Sicherlich liegen bestimmte Informationsasymmetrien vor. Allerdings wäre z. B. durchaus nachvollziehbar, mit welchem Geschäftsmodell bisher Einkommen erzielt wurde, ob dieses extern gestört wurde und ob die Aussicht auf eine Fortsetzung besteht. Unter dem Strich wäre Kurzarbeit für Selbständige bei außergewöhnlichen Ereignissen möglich – vorab mit klar definierten Bedingungen, die transparent ausgestaltet werden sollten. Kurzarbeitergeld ist dabei eine Leistung der Arbeitslosenversicherung. Das bedeutet: Selbständige wären in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen. Zur Finanzierung sollte es einen Beitrag geben, der sich anders als gegenwärtig am laufenden Einkommen orientiert. So wäre sichergestellt, dass das Ziel der Einkommensstabilisierung auch tatsächlich erfüllt wird und dass Beiträge nur entsprechend der eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit gezahlt werden. Die Leistungen sollten dann wie üblich abhängig von den Beiträgen berechnet werden. Momentan orientieren sich die Leistungen für Selbständige dagegen an der formalen Qualifikation; bei gleichen Beiträgen erhält man mit höherer Qualifikation also ein höheres Arbeitslosengeld. Das entspricht natürlich nicht dem Äquivalenzprinzip, und gerade bei künstlerischen Tätigkeiten ist ein formaler Abschluss sicherlich nicht notwendigerweise ein entscheidendes Kriterium. Wichtig ist auch, sich bei allen Versicherungsregeln an dem erzielten Einkommen zu orientieren, und nicht an einer kaum messbaren Zahl von Arbeitsstunden.

 

Anders als bei eilig geschnürten Notpaketen gäbe es also von vornherein verlässliche Bedingungen – sowohl bei den Leistungen als auch bei der Finanzierung. Und auch bei Wechseln zwischen selbständigen und angestellten Tätigkeiten wäre eine kontinuierliche Absicherung gewährleistet.

 

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld, anders als bei der oben geschilderten Kurzarbeit, wäre bei Selbständigen an eine tatsächliche Beendigung der Tätigkeit gebunden – z. B. die Schließung ihres Geschäfts. Anders als bei der Entlassung eines abhängig Beschäftigten ist bei ihnen allerdings schwer zu prüfen, inwieweit das unfreiwillig geschah. Daher müsste zumindest nachgewiesen werden, dass die Geschäftsaufgabe aus triftigen Gründen und nicht etwa deshalb erfolgte, um die Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen.

 

Um Fehlanreize für eine übermäßige wiederholte Inanspruchnahme zu vermeiden, werden oft Regelungen wie eine Deckelung der Zahl der Anträge verwendet. Allerdings schränkt dies eine kontinuierliche soziale Absicherung auf gravierende Weise ein. Denkbar wäre stattdessen ein weniger abruptes „experience rating“, das im Falle wiederholter Inanspruchnahme von Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld das Leistungsniveau reduziert. Eine solche Regelung wäre sowohl kontinuierlich als auch anreizkompatibel.

 

Bei der Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt sollte freischaffenden bzw. unternehmerischen Persönlichkeiten in einer ersten Phase Spielraum gegeben werden, sich in der Arbeitslosigkeit frei für eine selbständige Tätigkeit entscheiden zu können. Bleiben solche Bemühungen allerdings aus oder hält die Arbeitslosigkeit länger an, sollte aber eine rasche Arbeitsmarktintegration durch entsprechende Vermittlungsaktivitäten sichergestellt werden.

 

Die Absicherung gegen Arbeitslosigkeit hat einen hohen persönlichen und gesellschaftlichen Wert, unabhängig davon, ob jemand einen Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Die Regeln einer Versicherung für Selbständige sollten denen für Beschäftigte so ähnlich wie möglich sein, aber auch so spezifisch wie nötig ausgestaltet werden. Dies würde verlässliche Bedingungen schaffen, um in die nächste Krise nicht genauso hineinzulaufen wie in die aktuelle.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2021.

Enzo Weber
Enzo Weber ist Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und Lehrstuhlinhaber an der Universität Regensburg.
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