Reform als Chance

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz nach der Evaluation durch den Wissenschaftsrat

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist die mit Abstand größte Kultureinrichtung in Deutschland und eine der größten weltweit. Mit ihren Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsinstituten gehört sie zu den wenigen spartenübergreifenden Gedächtnisinstitutionen und gilt in gewisser Weise als deutsche „Smithsonian“. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, kurz SPK, hatte im Verlaufe ihrer über 60-jährigen Existenz gewaltige Herausforderungen zu bewältigen: die Rückführung der nach Westdeutschland ausgelagerten Sammlungen und Bestände sowie gleichzeitig den Ausbau West-Berlins zur Kulturmetropole mit den Standorten Dahlem und Kulturforum, ab 1990 dann die Integration der Mitarbeiterschaft im Ostteil der Stadt sowie die Zusammenfügung der nach Ost und West aufgeteilten Museen, Bibliotheken und Archive. Gigantische und zugleich dringend notwendige Sanierungs- und Neubauprojekte bestimmen seit mehr als zwei Jahrzehnten die Agenda der Stiftung und absorbieren alle Kräfte und Mittel, die andernorts in die Modernisierung von Strukturen und Ausstattung fließen. Das ist das Kernproblem der SPK.

 

Der Personalbestand der Stiftung hat sich seit der Wiedervereinigung fast halbiert, nachdem er im Oktober 1990 schlagartig auf 3.500 angewachsen war, und nähert sich bald wieder dem Stand der alten West-Berliner SPK an. Doch die Zahl der Häuser und Sammlungen hat sich seit 1990 verdoppelt. Ferner kamen mit Digitalisierung und Provenienzforschung, Bildung und Vermittlung neue Aufgaben hinzu, die vor 30 Jahren gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielten. Diese drastische Unterausstattung führte zu Mangelwirtschaft und Dysfunktionalitäten. Eine grundlegende externe Evaluierung von Strukturen und Ressourcenausstattung der Stiftung war daher nicht mehr länger aufschiebbar.

 

Wir in der SPK wollten diesen Schritt ausdrücklich, weil wir mit den Folgen der derzeitigen Situation Tag für Tag konfrontiert sind. Der Kulturstaatsministerin danke ich für den Mut, eine solche Neuordnung anzugehen, weil sie immer auch Folgen für die Träger hat. Dem Wissenschaftsrat schulden wir Dank und Respekt für seine ausführliche Befassung mit der Stiftung. Bericht und Empfehlungen liegen nun seit Mitte Juli vor, und schon jetzt zeigt sich, dass Bund und Länder gemeinsam mit uns den Weg der Reformen gehen wollen.

 

Zentrale Forderungen des Wissenschaftsrates sind – kurz gesagt – die Auflösung der Dachstruktur „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“, die rechtliche Selbständigkeit ihrer Einrichtungen, die weitgehende Entlassung der Länder aus ihrer Mitverantwortung und eine erheblich verbesserte Finanz- und Personalausstattung. Das Dach SPK habe in der Vergangenheit wichtige Aufgaben erfüllt, sei für die weitere Entwicklung der Museen, Bibliotheken, Archive und Forschungsinstitute der SPK jedoch hemmend und dysfunktional.

 

An dieser Stelle sind durchaus Fragezeichen angebracht. Denn der Staatsbibliothek zu Berlin, dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und dem Ibero-Amerikanischen Institut werden – völlig zu Recht – hervorragende Noten ausgestellt. So hemmend kann die Dachstruktur dann also nicht sein. Im Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für 2018 wird die SPK unter den besonders erfolgreichen außeruniversitären Einrichtungen geführt. Der Verbund kann also durchaus auch stärkend für seine Einrichtungen wirken.

 

Die Stiftung ist eine auf historischen Zusammenhängen aufbauende Gesamtorganisation an der Schnittstelle von Kunst und Kultur einerseits und Wissenschaft und Forschung andererseits. Ihre Stärke schöpft sie gerade aus der Vielfalt ihrer Sammlungen und Bestände, aus unterschiedlichen institutionellen Formen und Logiken und aus der großen Bandbreite an in der SPK vertretenen geistes-, kultur-, sozial- und naturwissenschaftlichen Disziplinen. Alle diese Aspekte machen die Besonderheit des Verbundes SPK aus. Inhaltliche Verknüpfungen müssen dabei modern ausgestaltet und durch digitale Prozesse unterstützt werden.

 

Eine Trennung und Verselbständigung von Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsinstituten, wie vom Wissenschaftsrat vorgeschlagen, ist dagegen ein sehr traditionelles Vorgehen, ein Sortieren entlang von Spartengrenzen vergangener Jahrhunderte, anstatt diese durchlässiger zu machen. Museen, Bibliotheken und Archive teilen schon lange wesentliche Werte und Praktiken. Deshalb ist der internationale Trend auch genau entgegengesetzt, im digitalen Zeitalter geht es eben gerade um mehr Vernetzung, nicht um weniger. Nur das Übergreifende bringt einen wirklichen geistigen Mehrwert, den wir auch deutlich machen wollen.

Hermann Parzinger
Hermann Parzinger ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
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