Lücke

Warum braucht es eine unabhängige Zeitung für Kulturpolitik in Deutschland?

Mit dieser Doppelnummer endet der 20. Jahrgang und beginnt der 21. von Politik & Kultur. Die ersten Jahre unserer Zeitung waren nicht einfach. Es hat einige Zeit gedauert, bis die Gremien des Deutschen Kulturrates akzeptiert hatten, dass Politik & Kultur nicht das Zentralorgan des Verbandes ist, sondern dass auch regelmäßig Themen im Heft diskutiert werden, für die es im Verband noch keine oder eine andere Position gab. Damals erschien unsere Zeitung nur vier Mal im Jahr, später dann alle zwei Monate und seit drei Jahren zehn Mal im Jahr. In diesem Jahr haben wir uns für Politik & Kultur auch noch eine selbständige Seite im Netz geleistet.

 

Warum braucht es denn eigentlich eine unabhängige Zeitung für Kulturpolitik in Deutschland, die von einem Interessenverband ermöglicht wird? Wird nicht in den Zeitungen, im Netz, im Hörfunk und Fernsehen ausgiebig über Kulturpolitik berichtet? Nein! Leider nicht. Politik & Kultur war von Anfang an eine Art Notwehr. Kulturpolitik spielt in den Medien und auch speziell im Feuilleton traditionell eine untergeordnete Rolle. Gerne wird zwar über neue Inszenierungen, ein Filmfestival oder einen Museumsneubau berichtet, die kulturpolitischen Hintergründe, oder man könnte auch sagen das kulturpolitische Handwerk, bleiben aber meist im Dunklen.

 

Gerade erleben wir in einer Rechercheserie in Deutschlandfunk Kultur über „Neustart Kultur“, dem großen Hilfsprogramm für den Kulturbereich in der Coronakrise, wie schwer es dem Feuilleton fällt, in kulturpolitischen Dimensionen zu denken. Die Vergabe der Mittel wird skandalisiert, die kulturpolitischen Hintergründe sind nicht bekannt oder werden nicht genannt. Nun gehört der Deutschlandfunk zu den Sendern, die überhaupt über kulturpolitische Fragen berichten. In den großen Nachrichtensendungen von ARD und ZDF ist Berichterstattung über Kulturpolitik die absolute Ausnahme und die meinungsbildenden Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind vollkommen kulturpolitikfrei.

 

Man stelle sich einmal vor, die Medien würden nur noch schöne Naturfilme zeigen und in den Zeitungen nur noch über das wunderbare Balzverhalten einiger Vögel schreiben. Keine Berichte mehr über den Klimawandel oder das Artensterben, keine Debatte über den besten Weg, wie wir die ökologischen Herausforderungen meistern können. Undenkbar? Ja, richtig, doch genau diese Situation haben wir vielfach in der Kulturberichterstattung. Weil es diese schmerzliche mediale Lücke gibt, gibt es Politik & Kultur. Und weil die Lücke in den letzten beiden Jahrzehnten nicht kleiner, sondern immer größer geworden ist, konnte Politik & Kultur auch immer mehr wachsen. Deshalb einen ironischen Dank an das Feuilleton.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/22-1/23.

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
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