Stopp! Halt! Hier endet die Kultur. Ein und für alle Mal. Denn ab hier beginnt Wirtschaft – oder wie Monika Grütters anlässlich einer Tagung des Deutschen Kulturrates schon vor fünf Jahren formulierte: „Kunst und Kommerz – da rümpft der feingeistige Kulturfreund erst einmal indigniert die Nase. Ist es nicht gerade die Unabhängigkeit von den Kriterien kommerziellen Erfolgs, die Weigerung, sich den Regeln des Marktes zu unterwerfen, die den Künstler von einem – sagen wir – Handwerker unterscheidet?“ Schon der Titel der Staatsministerin als Beauftragte für Kultur und Medien (BKM) simplifiziert zumindest sprachlich ihren Auftrag. Sind denn die Galeristin und der Buchhändler, die Bühnentechnikerin, die Architektin, der Textil- wie die Game-Designerin wirklich auch mit gemeint? In Bezug auf die Musik- und Theaterwirtschaft hat die Staatsministerin gerade erst bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Kulturrates darauf verwiesen, dass zur Kunst selbstverständlich auch all diejenigen gehören, die dafür sorgen, dass die öffentlichen Frontfrauen und -männer wie Schauspielerinnen und Schauspieler, Autorinnen und Autoren usw. ihre Kunst zeigen können.
Fast einem Theaterboden gleich ist es ein wirklich sehr unübersichtliches Geflecht, welches sich auftut, wenn man sich die Mühe macht, etwas tiefer zu blicken.
Nachdem die Kultur – und in gewisser Weise auch die Medien – nun wahrlich keine Branche im herkömmlichen Sinn sind, sondern ganz entscheidend das, was Gesellschaft und Meinungsfreiheit ausmacht, prägt sich die Tätigkeit der Menschen in diesen Bereichen in einer Vielfältigkeit aus, die es sowohl der Politik wie auch den Interessenvertretern schwermacht, diesen überhaupt zu greifen.
Dazu gehört, dass sich die Bundesrepublik ob ihrer gesellschaftlichen Funktion eine Kulturförderung leistet, „die ihresgleichen sucht“, dies kann man, so Grütters „kultur- und kreativwirtschaftlich betrachtet, als kluge Investition in die Förderung des Rohstoffs Kreativität sehen. Das mag die eine oder andere Verhandlung mit dem Finanzminister erleichtern; sollte aber niemanden dazu verleiten, Kulturpolitik als verlängerten Arm der Wirtschaftspolitik zu verstehen. Davor kann ich nur warnen.“
Und schon sind wir mitten im Dilemma zwischen Kultur und Wirtschaft, eines gesellschaftlichen Bereichs, der sowohl aus staatlichen Häusern von Bund, Ländern und Kommunen, teilweise umfangreich geförderten Initiativen und Institutionen als auch privatwirtschaftlichen Strukturen besteht. Und der vor mittlerweile vielen Jahren in Großbritannien erstmals gedanklich und sprachlich unter dem Titel „Creative Industries“ zusammengeführt wurde.
Diese künstliche Zusammenführung hat ihre Berechtigung in der Nähe von schöpferischen, vermittelnden und verwertenden Tätigkeiten, deren Klammer sich noch am allerehesten mit dem kleinen, aber gerne auch häufig missverstandenen Wort „kreativ“ finden lässt. Das Ganze gipfelt dann in der statistisch mühsam zusammengewürfelten Kultur- und Kreativwirtschaft, die aus elf Teilbranchen besteht und in Deutschland sowohl die staatlich verantworteten Strukturen ausklammert wie auch all diejenigen, die z. B. als Industriedesigner in der Automobilindustrie tätig sind; diese gehören dann statistisch gesehen eben nicht dazu. Ob dieser Zurechnungsproblematiken ergeben sich nicht nur Unschärfen, sondern auch richtige Fehler.
Wer den vertieften Blick in die elf Teilbranchen wagt, muss im Weiteren bemerken, dass die mittlerweile durchaus als kulturrelevant erachtete Games-Industrie in Schrägstrichmanier zur Games-/Software-Industrie erweitert ist. Heißt nichts anderes, als dass der einzige verbleibende deutsche DAX-Konzern von Weltrang, die SAP, als Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft gezählt wird. Ob sie davon wohl wissen? Oder eine andere Teilbranche ebenso mit dabei ist, die ob ihrer Marketing- und Vertriebsnähe vielen „schönen Künsten“ ein Schaudern über den Rücken jagt: die Werbung. Dabei ist klar, dass auch die Werbung wesentlich von kreativen Leistungen bestimmt wird und die Ergebnisse gesellschaftliche Strömungen aufgreifen genauso wie prägen. Ich erinnere nur an die „Geiz ist geil“-Kampagne für Saturn.
Das wäre so weit also noch in Ordnung, solange nicht der gerne aus dem neben dem BKM für die Kultur- und Kreativwirtschaft ebenso zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geäußerte Vorwurf folgt, diese „Nicht-Branche“ wäre so fürchterlich unübersichtlich, kleinteilig und vielfältig. Wenn dies dann noch in der Aufforderung mündet, die Branche solle doch bitte erwachsen werden, wird es kafkaesk. Zumal die Kultur- und Kreativwirtschaft nach Bedarf sonst gerne als Vorbild bemüht wird, wenn es um Zukunft geht, moderne Arbeitsformen und Innovationsfähigkeit. Viele Kreative fühlen sich dann kurz geehrt, aber trotzdem in der Gesamtheit nicht gesehen, nicht verstanden, be- und ausgenutzt. Und hin- und hergeschubst zwischen BKM und BMWi.