Kulturfinanzierung: Die Erosion beginnt

Bund und Länder müssen sie jetzt gemeinsam aufhalten

Im Etat der Stadt Bamberg klaffen riesige durch Steuerausfälle aufgrund der Coronakrise entstandene Löcher, deshalb muss nach Angaben der Stadt nun der Rotstift angesetzt werden und das wird gerade auch die Kulturförderung treffen. Sie soll im nächsten Jahr um 25 Prozent gekürzt werden. Das werde „massive Auswirkungen“ auf Veranstaltungen haben, sagte die Kulturreferentin von Bamberg, Ulrike Siebenhaar, dem Bayerischen Rundfunk. Davon betroffen sind etwa Festivals, Ausstellungen, Konzerte, Lesungen oder Theatervorführungen.

 

Bamberg ist die erste Kommune, deren Kürzungsvorschläge infolge der Corona-Pandemie bundesweit Aufmerksamkeit erhalten hat, und sie wird, so steht zu befürchten, nicht die letzte sein. Schnell folgte auf die Nachricht von den geplanten Kürzungen in Bamberg auf Twitter die Antwort, dass dies ein Zeichen dafür sei, die Transformation des Kulturbereiches nun endlich anzugehen und schnell voranzutreiben. Doch was ist mit Transformation des Kulturbereiches eigentlich gemeint? Sind hier die Apologeten des „Kulturinfarkts“ am Werk, die die Pandemie und das Herunterfahren des Kulturbereiches dazu nutzen, grundsätzlich aufzuräumen? Oder geht es um jene Generation, die in den Startlöchern sitzt und die „verkrusteten Strukturen der alten weißen Männer“ im Kulturbereich aufbrechen will? Oder ist es einfach so praktisch und so Poesiealbum-einfach von der „Krise als Chance“ zu sprechen?

 

Wer zahlt was?

 

Der letzte Kulturfinanzbericht des Statistischen Bundesamts erschien im Jahr 2018. Die letzten Daten sind die vorläufigen Ist-Daten des Jahres 2015. Von 2005 bis 2015 stieg die Summe an öffentlichen Kulturausgaben von rund 8 Milliarden (7.980.900) Euro auf rund 10 Milliarden (10.117.500) Euro an. Trotz Finanzkrise im Jahr 2008 wuchsen also die öffentlichen Kulturausgaben. Den größten Teil der öffentlichen Kulturfinanzierung tragen die Kommunen mit 44,9 Prozent im Jahr 2015, gefolgt von den Ländern mit 40,3 Prozent und danach mit deutlichem Abstand der Bund mit 14,8 Prozent. Diese Aufteilung zeigt bei aller Wertschätzung und Bedeutung der Kulturfinanzierung des Bundes, dass das Fundament der Kulturfinanzierung die Kommunen und die Länder stellen. Je nach Bundesland weicht der Kommunalisierungsgrad, also der Anteil der Kommunen an der Kulturfinanzierung, ab. Im Durchschnitt liegt der Kommunalisierungsgrad in den Flächenländern im Jahr 2015 bei 60,3 Prozent. Nordrhein-Westfalen weist mit 76,9 Prozent den höchsten Kommunalisierungsgrad auf und das Saarland mit 35,5 Prozent den geringsten. Die beiden Länder bilden also die entgegengesetzten Pole der Kommunalisierung der Kulturausgaben.

 

Die hauptsächliche Einnahmequelle von Kommunen sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Brechen diese weg, wie aktuell in der Corona-Pandemie, entstehen massive Löcher in den kommunalen Haushalten. Mit dem Konjunkturpaket aus dem Sommer dieses Jahr hat zwar der Bund seinen Anteil an den Kosten für die Unterkunft von Bedürftigen erhöht, wird zur Hälfte für ausfallende Gewerbesteuerausfälle einstehen und weitere Mittel z. B. für den öffentlichen Nahverkehr bereitstellen. Doch werden diese Mittel voraussichtlich nicht ausreichen, um den sogenannten freiwilligen Leistungen, wie der Kulturförderung, gerecht zu werden. Zumal, und das ist der entscheidende Punkt, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie noch länger bei den Steuereinnahmen spürbar sein werden. Bis dass das Vor-Corona-Niveau erreicht ist, wird noch eine lange Durststrecke sein.

 

Es ist daher mit Blick auf die Kulturfinanzierung dringend erforderlich, eine substanzielle Veränderung der finanziellen Situation der Kommunen zu erreichen und sie dabei zugleich zu verpflichten, die zusätzlichen Mittel auch für die freiwilligen Leistungen, wie Kultur, zu verwenden. Darüber hinaus muss das Thema „Kultur als Pflichtaufgabe“ erneut auf den Tisch. Schon lange wird darüber debattiert. Gegner führen stets an, dass damit den Kommunen zusätzliche neue Fesseln angelegt werden und dass Gestaltungsspielräume verloren gingen. Dem ist entgegenzuhalten, was nützt der Spielraum, wenn es nichts zu spielen gibt? Wir sind daher der Meinung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um eine Pflichtaufgabe Kultur in den Kommunen auf den Weg zu bringen. Und auch die Länder müssen an ihre Verantwortung der Kulturfinanzierung gelegentlich erinnert werden. Die anstehenden Landtagswahlen im kommenden Jahr, Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und voraussichtlich Thüringen, werden die Gelegenheit bieten, den Parteien auf den Zahn zu fühlen, wie sie es mit der Kulturfinanzierung halten wollen.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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