„If the stream works, the dream works.“ – so war ein Panel der Consumer Electronics Show in Las Vegas dieses Jahr überschrieben. Dieser Slogan der weltweit größten Fachmesse für Unterhaltungselektronik steht für die Veränderungen in der Mediennutzung. Während die Kontakte beschränkt, Veranstaltungen abgesagt und Kinos geschlossen sind, liefert nicht mehr in erster Linie das Fernsehen die Traumwelten in die Wohnzimmer, sondern die Streamingplattformen, deren Nutzung seit Monaten stetig steigt. Zu diesem Siegeszug der Streamingdienste trägt inzwischen auch ein großes Hollywood-Studio bei. Vor genau einem Jahr hat der Mause-Konzern seine VoD-Plattform in Deutschland gestartet. Über 500 Filme, mehr als 350 Serien und 25 exklusive Disney+-Originals stehen bereit. Neben Animationsklassikern, Zeichentrickfilmen, Superhelden-Blockbustern der „Marvel“-Reihe und „Star Wars.-Titeln warten auch mehr als 600 Folgen der Kult-Animationsserie „Die Simpsons“ auf die Abonnenten. Disney-Klassiker wie „Bambi“, „Aladdin“, „König der Löwen“ oder auch „Die Eiskönigin“ gelangen seitdem mit dem Griff zur Fernbedienung ins Heimkino. Ob solche Blockbuster auch weiterhin zuerst den Weg ins Kino finden und erst dann auf die eigene Plattform, lässt sich heute noch nicht sagen. Disneys Millionen US-Dollar teurer Spielfilm-Remake des Trickfilmklassikers „Mulan“ ursprünglich für das Kino bestimmt, war ab September vergangenen Jahres on demand verfügbar. Zu einem Extra-Preis von 29,99 Dollar, umgerechnet rund 25 Euro, bleibt der Film so lange in der Bibliothek abrufbar, wie der Kunde ein Abo beim Streamingdienst besitzt. Nicht nur in den USA, auch in Kanada, Neuseeland, Australien und westeuropäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland können Disney+-Kunden den Film sehen. Wie man hört, durchaus finanziell erfolgreich. Weitere Streaming-Premieren hat das Studio deshalb nicht ausgeschlossen. Zwei Jahre nach seinem Start in den USA hat Disney+ die Marke von 100 Millionen zahlenden Abonnenten überschritten. Noch mache Disney mit seinem Streaminggeschäft aber keinen Gewinn, sagte Disney-Boss Bob Chapek. Derzeit gehe es vor allem um schnelles Wachstum. Der Abstand auf Marktführer Netflix ist nach wie vor beträchtlich, auch die Konkurrenz hat von Corona profitiert und zahlte zuletzt mehr als 200 Millionen Abonnenten.
Hollywood-Studios bedrängen Netflix & Co.
Die großen Entertainment-Konzerne aus Hollywood geben sich nicht mehr mit ihrer Rolle als Inhalte-Lieferanten für Netflix, Sky oder Fernsehsender zufrieden. Zu einflussreich sind ihnen die Streaminganbieter geworden und zu lohnend scheinen die Gewinnmargen durch den direkten Verkauf von Filmen und Serien an die Konsumenten ohne Zwischenhändler. Von den heute existierenden fünf Hollywood-Studios haben bis jetzt drei ihre eigenen Abo-Angebote bereits in Nordamerika an den Start gebracht: Walt Disney mit dem Streamingdienst Disney+, Warner, die zum AT&T-Konzern gehören, HBO Max und die Comcast Tochter Universal mit Peacock. Viacom CBS plant mit Paramount+ ebenfalls ein eigenes Angebot; nur Sony scheint noch unentschlossen. „Die Hollywood-Studios kleckern dabei nicht, sondern klotzen“, stellt dazu die Studie „Angriff aus Hollywood!“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Strategieberatung Roland Berger fest: „Sie produzieren aufwendige exklusive Inhalte wie die Star-Wars-Serie „The Mandalorian“, deren acht Folgen der ersten Staffel sich Disney 100 Millionen US-Dollar kosten lies, und nehmen Abstand von sicheren Einnahmen aus der Lizenzierung ihrer Inhalte in Milliardenhöhe.“ Bereits im Jahr vor dem Launch von HBO Max verzichtete etwa AT&T auf über eine Milliarde US-Dollar Lizenzgebühren seines Studios Warner Media; noch 2018 hatte Netflix allein für die Streamingrechte der Kultserie „Friends“ 100 Millionen US-Dollar bezahlt, wird in der genannten Studie analysiert.
Der Micky-Maus-Konzern hat angekündigt, bald auch mehr Serien und Filme für Erwachsene anzubieten, darunter das erfolgreiche Horrordrama „The Walking Dead“. Für solche Filme hat Disney+ den eigenen Kanal „Stars“ eingerichtet. Hier sollen Musicals, Actionfilme, Komödien, Serienklassiker wie „Akte X.“, „Grey’s Anatomy“ oder „Buffy“. zu sehen sein. Der Streamingdienst, der bislang vor allem Trickfilme und Superhelden präsentierte, wird damit zu einer noch größeren Bedrohung für alle anderen Anbieter. Disney besitzt im Gegensatz zu Netflix bereits die Verwertungsrechte und einen großen Fundus an attraktiven Inhalten, denn zum Konzern gehören beispielsweise auch die 20th Century Studios, die seit fast 100 Jahren Filme und Serien produzieren. Disney hat bereits angekündigt, dass viele dieser Archivschatze zukünftig auf „Stars“ verfügbar sein werden und das Studio wird sicher versuchen, alle Inhalte, über deren Rechte es verfügt, auch beim hauseigenen Streamingdienst zu vermarkten.
Der Wettbewerb der Streaminganbieter ist fur die Kinos eine Gefahr
Die neuen Wettbewerber sind mit ihren gut gefüllten Archiven und filmischem Know-how eine Gefahr und zugleich ein Gewinn für die etablierten Streaminganbieter: Auf der einen Seite okkupieren sie Aufmerksamkeit und Zeit der Nutzer, auf der anderen Seite wird die Attraktivität des Streamings erhöht und das „Kuchenstuck“ vergrößert, das die Plattformen untereinander aufteilen. Es werden diejenigen siegen, analysiert die Studie „Angriff aus Hollywood!“, „die ihren Nutzern den größten Mehrwert bieten. Netflix werde am härtesten vom „Hollywood-Effekt“. getroffen. Deshalb dürfe das Unternehmen die Bedürfnisse seiner Bestandskunden nicht vernachlässigen und nicht nur auf die Sehanteile der TV-Sender schielen, wie es neue Reality- und Showformate sowie aktuelle Tests von linearen Streams suggerierten. Die Krux für den bisherigen Primus: Er hat weder einen Großhandel wie Amazon hinter sich, noch verfügt er über 100 Jahre Filmerfahrung. Wenn die Konkurrenz mit eigenen Streamingdiensten erst richtig auf Tour kommt, muss der Streamingdienst in den nächsten Jahren deutlich mehr eigene Inhalte produzieren, um die Abonnenten zu halten. Das kostet noch mehr Geld und bekanntlich hat Netflix bisher keinen Gewinn erzielt. Werden die Preise erhöht, wächst das Risiko, die Kunden zu verlieren. Trotz einer großen Marktmacht ist es unsicher, ob Netflix mit der Macht der Hollywood-Studios mithalten kann.