Guter Wandel?

Kultur und Politik in Polen

Auch wenn die polnische Regierung derzeit, und sei es oft auch nur rhetorisch, manches unternimmt, um die deutsch-polnischen Beziehungen zu trüben, sind diese Beziehungen weiterhin lebhaft und vielfältig. Sie werden getragen von einer Vielzahl von Akteuren auf beiden Seiten, die in den letzten drei Jahrzehnten ein Netz kultureller und sozialer Beziehungen geflochten haben, wie es ähnlich dicht vielleicht sonst nur zwischen Deutschland und Frankreich besteht. Ein wichtiger Mentor und Förderer dieser Beziehungen ist die Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit, deren 25. Geburtstag im vergangenen Jahr gefeiert wurde. Auch die beiden Goethe-Institute in Warschau und Krakau nehmen auf der Karte der bilateralen Beziehungen einen wichtigen Platz ein. Auch sie sind kürzlich 25 Jahre alt geworden und haben es in dieser Zeit geschafft, zu einem Faktor des kulturellen Lebens in Polen zu werden. Die Goethe-Institute sind ihrem Auftrag nach ein Instrument der Kulturpolitik und agieren als „Mittlerorganisationen“ gleichzeitig in einem sinnvollen Abstand zur Regierungspolitik. Sie gewinnen ihre Glaubwürdigkeit dadurch, dass sie sich ihre Agenda nicht von der Politik vorschreiben lassen. Im ersten der drei Arbeitsfelder des Goethe-Instituts, der Förderung der deutschen Sprache, fällt das nicht schwer. Wir sprechen mit Deutschlehrenden, Schulleitern oder Bildungsexperten ungeachtet ihrer politischen Positionen, und wir erreichen Schülerinnen und Schüler in allen Landesteilen, ohne dass wir wissen müssen, wer dort gerade regiert. Wenn es aber um Kultur und Information geht, rückt die Politik umgehend ins Blickfeld. Wir arbeiten mit bewährten Partnern, von denen wir wissen, dass sie gerade politisch und ökonomisch unter Druck stehen. Wir fördern Festivals, von denen wir wissen, dass die Regierung ihre Subventionen gekürzt oder gestrichen hat. Wir sprechen Themen an, die wir, ob nun Gender, Ökologie oder Populismus, immer angesprochen haben, die uns jetzt aber an die Seite der Opposition rücken. Wir verbreiten auf unseren Webseiten Meinungen, mit denen wir den Ärger von Leuten auf uns ziehen, die ohnehin meinen, das Goethe-Institut müsse geschlossen werden. Wir bemühen uns um ein breites Spektrum von Positionen, aber das ist nicht leicht. Wir haben keine Erfahrungen mit der neuen Mehrheit und sie hat keine Erfahrung mit uns. Sie misstraut uns, wenn sie uns überhaupt kennt, und wir hätten Mühe, dieses Misstrauen zu entkräften.

 

Dennoch arbeiten die Goethe-Institute in Polen derzeit ohne irgendwelche Behinderungen. Vergleiche mit autoritären Regimes anderswo sind interessant, zeigen aber schnell, dass Freiheit und Rechtsstaat in verschiedenen Ländern jeweils auf andere Weise unter Druck stehen. Mit dem Schlagwort „Rechtspopulismus“ kommt man dem Problem ebenfalls nicht näher. Polen unterzieht seine politische Kultur und damit die Vorstellung von Demokratie und Rechtsstaat derzeit, wenn man will, einer weitreichenden Neuinterpretation. Derzeit ist freilich noch unklar, welche Kräfte sich im ideologisch diffusen PIS-Lager durchsetzen werden. Absehbar ist, dass Polen in der EU bleiben will und dort, mit anderen Ländern, einen größer werdenden konservativen Block bilden wird, als Gegengewicht zu Angela Merkel und Emmanuel Macron. Man sollte nicht erwarten, dass die „gute Wende“ in Polen ein schnelles Ende finden wird, so wenig wie anzunehmen ist, dass der aktuelle Rechtstrend in Europa bald aufhört. Dem Goethe-Institut und seinen vielen europäischen Geschwistern bietet diese Lage einige Herausforderungen und zwar im positiven Sinn: Wollten wir nicht immer schon den „Dialog mit Andersdenkenden“ suchen? Auch wenn wir nicht wirklich wissen, ob die Form unserer Auseinandersetzung mit Andersdenkenden tatsächlich der Dialog sein wird: Der Versuch lohnt sich allemal.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01/2018.

Christoph Bartmann
Christoph Bartmann leitet das Goethe-Institut in Warschau.
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