Guter Wandel?

Kultur und Politik in Polen

Mit dem Wahlsieg der nationalkonservativen PIS und ihrer Koalitionspartner im Oktober 2015 hat auch für Polens Kultur und Kulturpolitik eine neue Zeitrechnung begonnen. „Dobra Zmiana“ oder „guter Wandel“ heißt das Projekt, das die Regierung über mehr als eine Wahlperiode hinweg fortzusetzen gedenkt. Dazu gehört ein weitreichender Umbau der Justiz, der Medien, des Bildungswesens und nicht zuletzt der Kultur. Anders als die liberaleren Vorgänger hat diese Regierung, was staatlich geförderte Kultur angeht, einen Plan. Sie will sie in ein Instrument der nationalen Erinnerungskultur und Identitätspolitik verwandeln.

 

Das fällt ihr überall dort leichter, wo das Ministerium für Kultur und Nationales Erbe direkt über Subventionen entscheidet. Dies ist der Fall bei den großen Kulturinstitutionen, wo die nationale Bedeutung oft schon im Namen enthalten ist: Nationaltheater, Nationalmuseum, aber etwa auch das Polnische Filminstitut. Hier hat die Regierung, wo sie Handlungsbedarf sah, etwa im berühmten Krakauer „Stary Teatr“, zügig neue Leitungen installiert. Das Ministerium fördert direkt auch einige große Festivals wie den „Warschauer Herbst“ für zeitgenössische Musik oder das interdisziplinäre Malta Festival. Die Zuwendungen an diese und andere Festivals sind zuletzt stark gekürzt worden. Noch ist nicht klar, welchen neuen Zwecken die Einsparungen zugutekommen sollen. Deutlich wird aber, dass Kulturaustausch und Internationalisierung nicht zu den neuen Prioritäten zählen.

 

Schwieriger ist der kulturpolitische Durchgriff in den Institutionen, die von den großen Städten oder den Bezirksregierungen selbst finanziert werden. In Warschau und anderswo sind, zumindest bis zu den nächsten Kommunalwahlen im Herbst 2018, liberale Stadtregierungen im Amt. Als im Frühjahr 2017 im Warschauer „Teatr Powszechny“ Oliver Frljics provokante Inszenierung des polnischen Klassikers „Klątwa“ heftig unter Beschuss seitens konservativer Medien, Politiker und Organisationen geriet, blieb der Spielplan unverändert. „Klątwa“ ist schon jetzt zum Symbol einer unabhängigen Kultur geworden, wie sie viele Kulturakteure und mit ihnen die liberale Öffentlichkeit zunehmend bedroht sehen.

 

Polens neue Kulturpolitik ist rückwärtsgewandt oder besser, sie erblickt in einem vergangenen Zustand der Nation ein Modell ihrer Zukunft. Neue Geschichtsmuseen sollen erkennbar ein nationales Narrativ verfolgen und der „Verfälschung“ durch europäische, transnationale oder gar „neomarxistische« Interpretationen Einhalt gebieten. Das gilt etwa für das noch von Donald Tusk initiierte Danziger Museum des Zweiten Weltkriegs, das schon vor seiner Eröffnung heftige Kritik auf sich zog und dessen Dauerausstellung nun patriotisch nachgebessert wird. Die neue Geschichtspolitik kommt besonders in den bevorstehenden Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr 1918 zum Tragen. Die vor 100 Jahren mit der Ausrufung der zweiten polnischen Republik gewonnene Unabhängigkeit wird das kulturpolitische Leitmotiv der nächsten Jahre sein. Die aktuelle Botschaft liegt auf der Hand: Erneut muss Polen seine Unabhängigkeit verteidigen, im Osten gegen Russland, aber ebenso sehr auch gegen die EU, gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik und andere liberale Bedrohungen von außen.

 

Deutlich kommt dieser neue, national gestimmte Kurs auch in Polens Auswärtiger Kulturpolitik zum Ausdruck. Die 24 polnischen Kulturinstitute im Ausland wurden personell überwiegend neu besetzt und sollen sich jetzt stärker ausgewählten kulturellen Leistungen Polens und dem Kontakt mit den in den Gastländern lebenden polnischen Gemeinden widmen. Diese Agenda unterscheidet sich zwar markant von der des Goethe-Instituts und vergleichbarer Institutionen, aber sie ist in sich schlüssig. Eine nationalkonservative Regierung setzt ihre – von der Mehrheit der Wähler geteilten – historisch-kulturellen Werte und Überzeugungen mithilfe ihrer Institutionen durch. Als Deutscher erinnert man sich: Etwas Ähnliches hatte 1982 Helmut Kohl vorgeschwebt, als er, allerdings ohne Erfolg, die „geistig-moralische Wende“ ausrief, um endlich dem Wählerwillen gegen den linksliberalen Zeitgeist in Kultur und Medien zum Durchbruch zu verhelfen.

 

Die deutsch-polnischen Beziehungen sind, wie man weiß, im Augenblick nicht gut. Man kann Zweckoptimismus betreiben und sagen, die Beziehungen seien auf zivilgesellschaftlicher Ebene so dicht und intensiv, dass sie von keiner Regierung zerstört werden könnten. Man muss aber auch konstatieren, dass die derzeitige polnische Regierung eine Beschädigung der zivilgesellschaftlichen Beziehungen zumindest in Kauf nimmt. Etwa indem sie und die ihr nahestehenden Medien gegen eine angebliche „deutsche Partei“ im Lande polemisieren. Gemeint sind Politikerinnen und Politiker der heutigen Opposition, die von deutschen politischen Stiftungen mit Stipendien manipuliert worden seien. Auch den Einfluss von „in deutscher Hand“ befindlichen Zeitungen in Polen will die Regierung beschränken; dabei sind diese Zeitungen bisher selten durch pro-deutsche Meinungen aufgefallen. Schließlich möchte die Regierung polnische Nichtregierungsorganisationen generell wirkungsvoller kontrollieren, indem sie die Fördermittel zentral überwacht und verteilt.

Christoph Bartmann
Christoph Bartmann leitet das Goethe-Institut in Warschau.
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