Ein Recht auf Kultur

Die Eckpfeiler der Kulturnation Frankreich

 

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der französischen Kulturpolitik ist die Vertiefung der kulturellen Zusammenarbeit in Europa. In einer richtungweisenden Rede über die Zukunft Europas, die er am 26. September 2017 an der Sorbonne hielt, hob Emmanuel Macron hervor: „Was Europa am stärksten zusammenhält, werden immer die Kultur und das Wissen sein.“ Unter anderem schlug er vor, europäische Universitäten einzurichten und durch Austauschprogramme für Studierende und Auszubildende die Mehrsprachigkeit zu fördern. Im Rahmen der europäischen kulturellen Kooperation hat gerade der Austausch Frankreichs mit dem von Macron als „wichtigstem Partnerland“ bezeichneten Deutschland einen hohen Stellenwert. Das wurde auch im „Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration“ betont, den Emmanuel Macron und Angela Merkel am 22. Januar 2019 in Aachen unterzeichneten.

 

Aufgrund der großen Bedeutung des deutsch-französischen Kulturdialogs gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte für die Arbeit des Goethe-Instituts, das in Frankreich an acht Standorten präsent ist: Bordeaux, Lille, Lyon, Marseille, Nancy, Paris, Straßburg und Toulouse. In enger Zusammenarbeit mit französischen Partnern sowie anderen Akteuren der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, etwa dem Deutsch-Französischen Jugendwerk oder den zwölf deutsch-französischen Kulturgesellschaften, initiiert und vertieft das Goethe-Institut den Austausch über Themen, die in beiden Ländern relevant sind. Abgesehen von globalen Herausforderungen wie Klimakrise oder digitalem Wandel zählen hierzu etwa die Weiterentwicklung Europas, Strukturveränderungen in westlichen Gesellschaften, urbane Transformationsprozesse oder der Umgang mit populistischen Strömungen. Gleichzeitig ermöglichen die Goethe-Institute in Frankreich vielfältige persönliche Begegnungen und Kooperationen zwischen kulturellen Akteuren aus Deutschland und Frankreich, die das lokale Kulturangebot bereichern und auf interessante Trends und Projekte aus Deutschland aufmerksam machen. In diesem Jahr realisieren sie zum Beispiel Ausstellungen, Filmvorführungen und Podiumsgespräche zu den Gedenkjahren „30 Jahre Mauerfall“ und „100 Jahre Bauhaus“; 2020 vermitteln sie im Rahmen des multidisziplinär angelegten Projekts „Munich Unique!“ Einblicke in die aktuelle Kulturszene der bayerischen Landeshauptstadt. Veranstaltungsreihen zu Leipzig, Hamburg, dem „neuen Rheinland“ und Frankfurt am Main haben gezeigt, dass solche geografischen Fokusprogramme im nach wie vor zentralistisch ausgerichteten Frankreich eine sehr positive Resonanz finden und in besonderem Maße dauerhafte Kontakte und Kooperationen herbeiführen. Eine ähnlich nachhaltige Wirkung haben regelmäßig organisierte Residenzaufenthalte, wie etwa die Einladung bildender Künstlerinnen und Künstler durch die Fondation Camargo und das Goethe-Institut Marseille oder ein gemeinsames Writer-in-Residence-Programm von Sorbonne und Goethe-Institut Paris. Auch das neue deutsch-französische Kreativlabor „Oh my Goethe!“ im Goethe-Institut Nancy ermöglicht jungen Akteuren aus Kultur- und Kreativwirtschaft eine grenzüberschreitende Vernetzung.

 

Ein wichtiger Partner, innerhalb und außerhalb Frankreichs, ist das französische Pendant des Goethe-Instituts, das Institut Français. Künftig soll die Kooperation zwischen den beiden Häusern noch weiter intensiviert werden. Im oben genannten Aachener Vertrag wurde auch das Ziel formuliert, dass Deutschland und Frankreich an verschiedenen Orten zusammen Kulturarbeit machen. Zunächst sollen Goethe-Institut und Institut Français in Bischkek in Kirgisistan, Erbil im Irak, Palermo in Italien und Rio de Janeiro in Brasilien gemeinsame Institute eröffnen, weitere Standorte werden folgen. Dieses ambitionierte Vorhaben eröffnet spannende neue Perspektiven für die Kulturpolitik der beiden Nachbarländer.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2019

Barbara Honrath
Barbara Honrath ist Direktorin des Goethe-Instituts Frankreich.
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