Ein gemeinsamer Länderrat für die Kultur

Bundesländer wollen mit neuem Gremium mehr Mitsprache in der Kulturpolitik

Kulturpolitik ist laut Grundgesetz Ländersache. 15 von 185 Seiten des Vertrages für die Große Koalition befassen sich allerdings mit Kulturfragen. Die bundesweite Bedeutung von Kultur und einer gemeinsamen Kulturpolitik in zentralen Fragen ist in den letzten Jahren immer bedeutsamer geworden. Ein koordiniertes und kooperatives Vorgehen der Länder mit oder ohne den Bund ist nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Sei es die Digitalisierung und Sicherung des kulturellen Erbes, der Kulturgutschutz, der Ankauf bundesbedeutsamer Kulturgüter, Urheberrechtsfragen, Erinnerungs- und Gedenkkultur, der Umgang mit Sammlungen aus kolonialen Zeiten und vieles mehr – all das verlangt den Austausch unter den Ländern und die Entwicklung von gemeinsamen Empfehlungen. Dort, wo notwendig und von bundespolitischer Bedeutung, soll dies auch mit dem Bund geschehen und mit der Einrichtung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) existiert ein kompetenter Ansprechpartner für kulturpolitische Belange von überregionaler Bedeutung.

 

Allerdings offenbart sich spätestens mit Einrichtung der Spitzengespräche durch die BKM und dem sehr einseitig dominierten Umgang mit den Themen und Ergebnissen eine Lücke seitens der Länder. Es fehlt an Abstimmung und Koordinierung. Das dafür eigentlich die Kultusministerkonferenz (KMK) das zuständige Gremium wäre, ist nur formal richtig. Immer mehr Kulturministerinnen und -minister der Länder sind in sehr unterschiedlichen Ressorts verteilt. Es gibt Ressortzuschnitte, in denen Hochschule, Schule, Bildung gemeinsam mit der Kultur vertreten sind – so in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern; andere, in denen Wissenschaft und Kultur verbunden werden wie in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg; mitunter ist die Kultur allein z. B. in Hamburg und Berlin oder Teil der Staatskanzlei wie in Bremen und Thüringen. Diese Ressortverteilung führt dazu, dass die KMK, in der die Themen Schule und Hochschule dominieren, für immer mehr Ministerinnen und Minister als nicht nutzbringend angesehen wird. Kulturthemen rücken immer weiter an den Rand oder werden nur im Kulturausschuss, dem Arbeitsgremium der zuständigen Abteilungsleiter, behandelt. Eine Abstimmung auf politischer Ebene findet so nur im geringen Maße statt. Das ist zunehmend unbefriedigend – auch vor dem Hintergrund der Bedeutung der Spitzengespräche mit der BKM, aber vor allem wegen dem Abstimmungsbedarf zu den oben genannten Themen.

 

Bund und Länder sollten sich auf Augenhöhe begegnen, dazu ist eine bessere kulturpolitische Koordinierung dringend erforderlich. Wenn Kulturpolitik öffentlich nur noch über die BKM wahrgenommen wird, dann verschieben sich die Kompetenzen. Es geht eben nicht nur um die Projektförderung bei Festivals, Theatern oder in der kulturellen Bildung, sondern es geht um die grundsätzlichen Fragen der Bedeutung, Entwicklung und Grundfinanzierung dieser Institutionen und Themenbereiche. Diese Verantwortung liegt hauptsächlich bei den Ländern im Zusammenwirken mit den Kommunen. Hier sind die Länder gefordert, auch weil Kulturpolitik Teil der gesellschaftlichen Entwicklungspolitik eines Landes ist. Fragen wie die Ausgestaltung des Anspruchs »Kultur für alle« vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, schrumpfender Regionen, sozialer gesellschaftlicher Spaltung, ungleicher Lebensverhältnisse etc. sind zunächst auf Landesebene zu beantworten. Ein gelebter kooperativer Föderalismus, der auf die Unterstützung des Bundes vertrauen kann, wäre ein Modell auch für die Kulturpolitik in Deutschland, um gemeinsame Lösungen bis hin zur Finanzierung zu finden. Kein Land ist allein in der Lage, die Digitalisierung der Kulturgüter bei gleichzeitigem Werterhalt derselben zu stemmen. Kein Land kann allein Urheberrechts- oder Kulturgutschutzfragen klären. Auch wenn die konkrete Gestaltung von Gedenkstätten in Sachsen anders erfolgt als vielleicht in Baden-Württemberg vor dem Hintergrund unterschiedlicher historischer Erfahrungen, so ist es dennoch dringend notwendig, eine gemeinsame, bundesweite Erinnerungs- und Gedenkkultur zu entwickeln. Diese wenigen Beispiele zeigen auf, welcher Handlungsbedarf ansteht und dass es nicht um ein Gegeneinander von Ländern und Bund gehen soll und kann. Kern der Überlegungen eines Ländergremiums ist die Stärkung des kooperativen Ansatzes und damit der Kulturpolitik in Deutschland. Nicht unerwähnt bleiben soll auch die Gestaltung der europäischen kulturpolitischen Verständigung. Dies wäre ein eigenes und zunehmend wichtiges Thema in einem Europa, dessen gelebte kulturelle Identität noch auf sehr schwachen Füßen steht.

Eva-Maria Stange
Eva-Maria Stange ist Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst im Freistaat Sachsen.
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