Öffentlich über persönliche Kränkungen zu sprechen ist manchmal heilsam für die eigene Seele, und der Gesellschaft wird ein Spiegel über ihr Tun vorgehalten. Deshalb ist die #metwo-Debatte wichtig und richtig.
Fast jeder Mensch wird irgendwann in seinem Leben Kränkungen erfahren haben, diese Feststellung relativiert nicht im Geringsten die Kränkungen, die besonders Migrantinnen und Migranten in unserer Gesellschaft oftmals erdulden mussten und müssen. Doch ebenso richtig ist, dass die Wirkungen der Kränkungen, die einem zugefügt werden, ein Schmerz sind, der von verschiedenen Menschen sehr unterschiedlich wahrgenommen wird.
Die einen werden durch Worte so tief getroffen, dass sie dauerhaft das Gleichgewicht in ihrem Leben verlieren, andere können selbst schlimmste Mobbingerfahrungen nach einiger Zeit verarbeiten. Egal, wie man mit diesen negativen Erfahrungen leben kann, sind solche Kränkungen ein deutlicher Ausdruck an Empathieschwäche der Täter gegenüber den Opfern. Doch die aktuelle Debatte rund um #metwo leidet an zu wenig inhaltlicher Tiefe: Hier die Täter, dort die Opfer. Ist das wirklich so einfach, ist das wirklich immer so klar?
Ich versuche mich dieser Frage durch meine persönlichen Erfahrungen in meiner Jugend zu nähern. Bis zu meinem zehnten Lebensjahr habe ich so stark gestottert, dass eigentlich nur meine Familie mich wirklich verstehen konnte und wollte. Meine Klassenkameraden in der Volksschule waren nicht alle verständnisvoll, nicht wenige äfften mich nach, hänselten mich. Trotz meiner Behinderung war ich kein Engel. Wenn ich die Chance sah, mich mit anderen zusammenzutun, wurden noch Schwächere wiederum unsere Opfer.
Gruppendynamische Prozesse führen oft zu Ausgrenzungen von Minderheiten, es sind komplexe soziale Interaktionen. Herabsetzungen und Mobbing muss mit allen Kräften begegnet werden, doch sind nicht alle diese Ausgrenzungen Rassismus.
Die Schwäche der #metwo-Debatte ist ihre radikale Subjektivität. Jede berechtigte persönliche Erfahrung wird zum ultimativen allgemeingültigen politischen Statement. Wir müssen aufpassen, dass, wenn jede Kränkungserfahrung von Migranten mit dem Stempel Rassismus versehen wird, der Rassismus nicht marginalisiert wird. Wir müssen alle, wenn wir gleichberechtigt und friedlich zusammen leben wollen, uns von Zeit zu Zeit einen Spiegel vorhalten, die #me-two-Debatte ist dafür gerade ein guter aktueller Anlass.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.