Die Wiege der europäischen Kultur

Kultur und Politik in Griechenland

Deutschland und Griechenland sind durch langjährige Beziehungen verbunden, die sich weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart immer nur freundschaftlich gestalteten. Auf zivilgesellschaftlicher Ebene sind die Kontakte allerdings so eng und intensiv, dass sie auch die Turbulenzen der vergangenen Jahre überstehen konnten und das Vertrauen in die Arbeit der Goethe-Institute keinen Schaden genommen hat.

 

Die beiden Goethe-Institute in Athen und Thessaloniki gehören zu den ältesten Auslandsgründungen weltweit. Das Athener Institut ist sogar die allererste Institutsgründung (1952) außerhalb Deutschlands. Die Beziehungen zu den Instituten sind getragen von einer Vielzahl von Akteuren, die in den vergangenen sieben Jahrzehnten gemeinsam ein Netz kultureller und sozialer Beziehungen geknüpft haben. Das Vertrauen, das sich das Institut erwerben konnte, fußt auf einem intensiven Austausch mit den lokalen Akteuren in allen drei Arbeitsfeldern des Goethe-Instituts: der Förderung der deutschen Sprache, der Kultur- und Informationsarbeit. Eine ebenso wichtige Rolle spielen die Einhaltung hoher Qualitätsstandards und nicht zuletzt der sinnvolle Abstand zu den jeweiligen Regierungspolitiken.

 

Vor allem die zivilgesellschaftlichen Verbindungen blieben auch in politisch schwierigen Zeiten, als die Kritik an der deutschen Europapolitik sich auch im kulturellen Diskurs niederschlug, stabil. Im Vorfeld der documenta 14 wurde gegenüber der „deutschen Kulturinstitution“ documenta und deren künstlerischem Leiter, Adam Szymczyk, der Vorwurf erhoben, man habe sich Athen ausgesucht, um die Stadt und ihre Bewohner zum Experimentierfeld für Krisentourismus zu machen. Über das langjährige vertrauensvolle Verhältnis zur lokalen Kultur- und Intellektuellenszene gelang es dem Goethe-Institut Athen, ein vermittelndes Rahmenprogramm mit dem Titel „apropos documenta“ aufzusetzen, griechische und deutsche Akteure miteinander in Kontakt zu bringen und darüber hinaus internationale Gäste mit Kunst- und Kulturschaffenden aus Griechenland bekannt zu machen.

 

Nicht wenige griechische Kulturakteure äußerten sich bereits vor der documenta skeptisch und meldeten Zweifel an, ob die Athener Institutionen einsatzbereit und handlungsfähig genug seien, um die Dynamik der documenta nutzen zu können – oder ob sie nach dem Ende der documenta einen Rückfall in die alten Verhältnisse erleben würden, wie auch nach den Olympischen Spielen im Jahr 2004 geschehen.

 

Dass diese Befürchtungen durchaus berechtigt sind, musste auch das Goethe-Institut bereits im Herbst erfahren. Auf der Suche nach einem Ausstellungsraum hatte uns das gerade erst zur documenta eröffnete Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst EMST kurzfristig abgesagt. Hier rächte sich die jahrzehntelange Vernachlässigung der kulturellen Infrastruktur. Es fehlen nicht nur Räume für junge Künstler und Kulturschaffende. Jedwede Infrastruktur zur professionellen Präsentation ist Mangelware in einer ansonsten reichen Stadt. Weder Staat noch Stadt oder Stiftungen stellen eine derartige Infrastruktur zur Verfügung. Selbst die Kunstakademie ASFA bietet ihren Absolventen nicht diese Möglichkeiten an. Und der einzigen Ausnahme, dem Projektraum der Akademie „Circuits and Currents“, droht aktuell das Aus, wenn sich nicht doch noch Fördermittel auftreiben lassen. Unter solchen Bedingungen sind die europäischen Kulturinstitute auch (scheinbar) ganz banal mit ihren Veranstaltungsräumen und ihrer Infrastruktur von enormer Bedeutung.

 

Dies alles ereignet sich vor dem Hintergrund manifester Krisen in Europa, deren Ende nicht abzusehen ist. Es bleibt fraglich, ob die Syriza-Regierung die in sie gesetzten Hoffnungen auch nur mittelfristig realisieren wird. Die griechische Gesellschaft ändert sich unter den Bedingungen der Krise – wie auch immer. Die Zukunft Europas wird auch in Griechenland verhandelt. Wenn es denn je einen Seinsgrund für das Goethe-Institut und die anderen europäischen Kulturinstitute gegeben hat, dann müssen sie Teil dieses Prozesses bleiben. Unsere wichtigste Aufgabe ist nach wie vor, die Impulse und die Dynamik der Kulturszene und der Zivilgesellschaft zu nutzen, um Diskussionsräume und Horizonte zu öffnen. Gerade jetzt und gerade in Europa geht es darum, Freiräume und Demokratie gegen autoritäre und schlimmere Tendenzen zu sichern.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2018

Juliane Stegner
Juliane Stegner ist Leiterin der kulturellen Programmarbeit in Südosteuropa am Goethe-Institut in Athen.
Vorheriger ArtikelGuter Wandel?
Nächster ArtikelEuropa ist Rückhalt, Richtung und Traum