Schleswig-Holstein: Kulturperspektiven für die Fläche

Zukunftsfähige Kulturpolitik in Schleswig-Holstein

Beim kommunalen Finanzausgleich verteilt das Bundesland an die Kommunen mittels entsprechenden Schlüsseln je nach Größe, Einwohnerzahl etc. die Gelder der öffentlichen Hand. Innerhalb dieses kommunalen Finanzausgleichs gibt es die sogenannten „Vorwegabzüge“, die das Land festlegt. So gehen in Schleswig-Holstein beispielsweise 70 Millionen Euro als fixe Größe an alle Kindergärten. Entsprechend gibt es den Betrag von 37,8 Millionen Euro, der – im Jahr 2015 als Vorwegabzug – an die kommunalen Theater in Kiel, Lübeck und die Landestheater GmbH gehen, nicht aber an vergleichbare Bühnen im Hamburger Rand. So sieht in Schleswig-Holstein Kulturpolitik – oder besser: Theaterpolitik – für die Fläche aus. „Das hat das Land mit Zustimmung der anderen Kommunen so geregelt“, sagt Beate Raudies. Die genannten drei Kulturträger sollen direkt vorab einen besonderen Beitrag bekommen. „Von der SPD aus gibt es den Willen, das beizubehalten“, macht Beate Raudies deutlich und verweist darauf, dass die Regelung in der Vergangenheit durchaus strittig diskutiert wurde. Da grassiert mitunter der Zuwendungsneid, zum einen unter den Kommunen, zum anderen gegenüber „der Kultur“. Letzteres sorgt vor allem unter Kulturschaffenden für Empörung und auch bei der Sozialdemokratin. „Es ist ja nicht so, dass die Theater mit dem Geld große Orgien feiern könnten“, sagt Raudies: „Die Theater kommen nur knapp über die Runden. Von einer „Doppelförderung“ kann nicht die Rede sein. Eine Herausforderung sei nach wie vor, auch im Kulturbereich anständige Arbeitsbedingungen zu schaffen, sodass die Menschen von ihrer Arbeit auch leben können.

 

Zur Zukunftsperspektive im Norden gehört auch die Erinnerungskultur. Die CDU möchte gern den ehemaligen innerdeutschen Grenzübergang Lübeck-Schlutup als eine entsprechende Gedenkstätte einrichten lassen. Von einer „Herzensangelegenheit der CDU“ spricht da Peter Sönnichsen: „Uns fehlen die Stätten, an denen wir jungen Menschen die Geschichte der Teilung und Wiedervereinigung vermitteln. Schlutup wäre die einzige Gedenkstätte, die in einer ehemaligen Grenzstation untergebracht wäre.“ Aufgrund dieser Einmaligkeit sieht Sönnichsen Schlutup als übergeordnete Aufgabe an, bei der sich nicht nur die Kommune, sondern auch das Land beteiligen sollte. Auf wenig Verständnis stößt der Vorschlag unterdessen bei der SPD. „Wir haben nicht einmal alle unsere Gedenkstätten aus der Zeit des Nationalsozialismus richtig abgesichert und ordentlich ausgebaut“, gibt Beate Raudies zu Bedenken. Natürlich müsse auch an die Geschichte von DDR und BRD erinnert werden. Aber warum sollte es Schlutup sein? „Als Gedenkstätte könnte man auch den Bahnhof in Büchen nehmen, der war früher Grenzbahnhof“, sagt Raudies; mehrere im Land verteilte Orte kämen für diesen Erinnerungsort in Frage.

 

Somit stößt man auch in dieser Frage auf das „Problem“ des Flächenlandes. Schleswig-Holstein hat zum Beispiel auch kein „Haus der Geschichte“, in dem als zentraler Ort die Landeshistorie repräsentiert wird. Ein solches Museum ist kulturpolitisch eine bereits ältere Idee, die aber wohl auch in der mittelfristigen Zukunft nicht realisiert werden wird. Vereinfacht gesagt, ist die CDU mit Sönnichsen dafür und die SPD mit Raudies dagegen. Komplizierter gesagt, halten es CDU wie SPD für interessant bis wichtig, wobei unter dem gegebenen Haushalt realpolitisch andere Schwerpunkte gesetzt werden müssen… Und damit wären die kulturpolitischen Zukunftsperspektiven auch an ihrem Brennpunkt angelangt. Nicht alle Vorhaben lassen sich mit diesem Haushalt verwirklichen. Schleswig-Holstein hat in den letzten Jahren den Kulturdialog „Kulturperspektiven“ eingeleitet und an diesem Prozess zur Erarbeitung eines Konzepts für Schleswig-Holstein waren alle möglichen Mitspieler aus Kultur und Politik beteiligt. Im Juli 2014 wurde das Konzept vom Kabinett gebilligt. Peter Sönnichsen hält es „im Gesamtergebnis“ nicht „für den großen Wurf“. Viele Forderungen seien von Instanz zu Instanz abgemildert und entschärft worden. Doch ehrlich fügt der Kulturpolitiker aus der Opposition hinzu: „Ich muss zugestehen, dass eben vieles den Finanzen geschuldet ist.“ Das kulturelle Erbe einfach nur zu erhalten… das wäre schon eine Menge!

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 05/2015 erschienen. 

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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