Sachsen-Anhalt: Die fetten Jahre sind wie Blei

Zur Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt

Nur zwei Jahre danach steht der nächste Jubeltag für eine Einrichtung mit Weltruhm an: Der 100. Geburtstag des legendären Bauhauses. Den will man – wie im Gründungsort Weimar und im Berliner Archiv – auch in Dessau ganz groß begehen, doch ist die Ausgangslage schwierig. Dreh- und Angelpunkt soll der Bau eines neuen Museums sein, dessen Eröffnung zum runden Geburtstag 2019 schon lange fest eingeplant ist. Der Architekten-Wettbewerb dazu wurde allerdings erst vergangenen September abgeschlossen, mit zwei ersten Preisen. Kurz vor Weihnachten dann die Entscheidung: Gebaut werden soll der verglaste schwarze Riegel des Büros Gonzalez Hinz Zabala aus Barcelona. Der steht zumindest formensprachlich in der Bauhaus-Tradition – der andere Juryfavorit erinnerte in seiner bunt gewellten Zipfelmützigkeit eher an Frank Gehry als an Walter Gropius. Ob der 25 Millionen Euro teure Bau in den drei Jahren bis 2019 aber überhaupt noch fertig werden kann, ist fraglich. Ein weiteres Problem ist der Standort in der Dessauer Innenstadt: Der historische Bauhaus-Komplex und die Meisterhäuser, also das eigentliche Weltkulturerbe, liegen mehrere Kilometer entfernt. Treiber dieser seltsamen Idee war der Kultusminister in Magdeburg; im Streit darüber wurde unter anderem sogar der vorherige Bauhaus-Chef Philipp Oswalt demissioniert (allerdings nicht ohne eigenes Zutun).Es gibt natürlich auch gute Nachrichten aus und für Sachsen-Anhalts Kulturpolitik: Magdeburg und Halle zum Beispiel konnten bereits vor dem aktuellen Flüchtlingsstrom wieder steigende Einwohnerzahlen vermelden. Die beiden mit Abstand größten Städte des Landes befinden sich von je her in einem dieser typischen Wettbewerbe zweier wirtschaftlicher wie kultureller Oberzentren innerhalb einer Region. Bei den nackten Zahlen hatte Halle lange Zeit die Nase vorn, doch zuletzt hat Magdeburg mindestens aufgeholt. Aktuell haben beide jeweils rund 235.000 Einwohner.

 

An der Elbe plant man allerdings schon den nächsten Schritt: 2025 will Magdeburg Europäische Kulturhauptstadt sein. Die Kandidatur ist lange beschlossen, die Pläne werden vom rührigen Kulturmanager Norbert Pohlmann koordiniert und vorangetrieben. Der betreibt seit 2005 mit anderen mehr oder weniger prominenten Kulturleuten auch das „Forum Gestaltung“ in den früheren Räumen der traditionsreichen Kunstgewerbe- und Handwerkerschule (gegründet 1793, geschlossen 1963). Dort finden Konzerte, Ausstellungen, Lesungen und Debatten statt; neben dem Moritzhof oder der Feuerwache Sudenburg ist das Forum einer der zentralen Orte der mittlerweile sehr lebendigen Szene an der Elbe, die sich damit auch jenseits der traditionellen Kulturorte Theater, Museen oder Bibliotheken erfreulich entwickelt hat. Die Ausgangslage ist also gut, auch wenn die innerdeutsche Konkurrenz um den begehrten Kulturhauptstadt-Titel stark ist: Mit Leipzig, Mannheim und Nürnberg sind weitere Regionen mit großer Geschichte und attraktiver Gegenwart im Rennen.

 

Doch schon die Bewerbung sorgt erfahrungsgemäß für eine Konzentration der Kräfte und stärkt nicht nur das kulturelle Leben einer Kommune, sondern auch das kulturpolitische Bewusstsein der Entscheider. Ein solcher Effekt in der Landeshauptstadt würde nicht zuletzt der Landeskulturpolitik gut tun. Die steht aller Voraussicht nach auch personell vor einem Umbruch: Dass Kultusminister Stephan Dorgerloh dem nächsten Kabinett nicht mehr angehört, gilt in den politischen Kreisen Magdeburgs als ausgemacht. Der Mann aus Berlin ist – wie sein ebenfalls von dort stammender Staatssekretär Jan Hofmann – bis heute nicht gut vernetzt in den (Kultur-)Kreisen Sachsen-Anhalts. Dorgerloh feiert am 3. April, genau drei Wochen nach der Landtagswahl, seinen 50. Geburtstag. Die Glückwunschkarte von Ministerpräsident Rainer Haseloff wird voraussichtlich eines der letzten offiziellen Schreiben des Regierungschefs an den Mann für die Kultur im Kabinett sein.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 01/2016 erschienen.

Peter Grabowski
Peter Grabowski ist kulturpolitischer Reporter.
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