Saarland: In Zeiten stagnierender Budgets

Kulturpolitische Herausforderungen im Saarland

Erschwerend kam ein Untreue-Skandal hinzu, der mittlerweile jedoch ausgestanden ist. Schon im Frühjahr 2012 hätte alles fertig sein sollen. Ein großes Ärgernis, zumal im Kern der Sache Konsens besteht, dass dieser Anbau für die Institution, jene Erweiterung des Museums, wichtig und dringend ist, denn in den Depots in Saarbrücken lagern viele Werke insbesondere zeitgenössischer Kunst aber auch Werke des Expressionismus, denen es bislang an Ausstellungs- und Präsentationsfläche fehlt. Dennoch interpretierte die Öffentlichkeit das Vorhaben als „Prestigeobjekt“ – muss ja so aufgefasst werden, wenn man ständig das Lamento stagnierender Budgets zu hören bekommt! Das wiederum zieht Begehrlichkeiten der anderen Kultureinrichtungen nach sich. Cela veut dire: Investition bei einem und Gleichbehandlung aller bringt man da nur schwer unter einen Hut, zumal als weitere, nicht dringliche, aber wichtige Herausforderung für die Kulturpolitik des Saarlandes die dauerhafte Sicherung des industriekulturellen Erbes steht.

 

Der Bergbau hat die Region lange geprägt, die industriekulturellen Denkmäler müssen erhalten werden und sie müssen nutzbar gemacht werden. Die Stadt Völklingen etwa hat in den letzten Jahren zusammen mit der „4 plus 1 Konzerte GmbH“ mit dem „UrbanArt Hip Hop Festival“ sowie mit der „UrbanArt Biennale“ neue Impulse gesetzt, die kulturelle Identitäten vor allem jüngerer Menschen mit jenem Bergbau-Erbe geschaffen haben. Insbesondere der kulturwirtschaftliche Aspekt kommt hier zum Tragen, wobei auch Potenziale der Jugend- und Partykultur genutzt werden, die als Selbstläufer keine größeren Subventionen der öffentlichen Hand benötigen. Oder doch?

 

Mehr Soziokultur und dafür mehr entsprechende Projekte auf den Weg zu bringen, das wünscht sich Thomas Brück, seit Sommer 2015 Kulturdezernent der Stadt Saarbrücken. Das Saarland hat keine Tradition von sozio-kulturellen Zentren, wie es sie in anderen Bundesländern gibt, und angesichts von Migration und Flüchtlingen kommt dieser Kultursparte aktuell wie in Zukunft eine bedeutsame Aufgabe in Hinblick auf gesellschaftliche Integration zu. Thomas Brück ist Politiker der Grünen. Er war bislang Umweltdezernent. Weil das Saarbrücker Rathaus Personalkosten einsparen wollte, reformierte es in diesem Jahr seine Verwaltung und legte Dezernate zusammen. Brück ist jetzt Dezernent sowohl für Umwelt als auch für Kultur und Bildung. Dass nun jemand – verständlicherweise aus der Kommunalpolitik, solange sich auf Landesebene so wenig tut – überhaupt einen neuen Impuls für eine zukünftige Kulturpolitik zu geben versucht, ist großartig. Allein: Finanzielle Unterstützung für neue Impulse – für etwaige „Bürgerateliers“, die kulturelle Integrationsarbeit leisten – ist aus den Budgets des Rathauses nun überhaupt nicht zu erwarten. Thomas Brück benennt das auch genau so, dass man zukünftig allein mit Ideen werde handeln müssen und meint damit Ideen und Kooperationen, die nichts kosten. Das zumindest verdeutlichte Thomas Brück bei einer Diskussion im Oktober im Rathausfestsaal Saarbrücken, zu der die Saarländische Gesellschaft für Kulturpolitik eingeladen hatte. Nein, auch im Saarbrücker Rathaus ist man nicht bei „Wünsch dir was“. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die „Freie Szene“ der Stadt etwa hätte künstlerisch viele Potenziale frei, um in Schulen oder den immer wieder beschworenen „bereits bestehenden Strukturen“, die nichts Neues kosten, aktiv zu werden. Allerdings verläuft die Koordinierung – die bildungspolitisch mit dem Landesministerium abgestimmt werden muss – bislang schleppend, denn viele Kontakte und Verpflichtungen laufen in festen, institutionalisierten Kanälen. Das heißt ganz volkstümlich gesprochen, die „Freie Szene“ tut sich schwer, anzudocken. „Mal schauen“ und er werde das in den Gremien ansprechen, versprach Thomas Brück bei jener Diskussionsrunde. Immerhin: Ab und an gibt es doch noch kulturpolitische Herausforderungen, die durchaus der Haushaltslage mit Altschuldenlast gerecht werden, nämlich genau dann, wenn sie nichts kosten.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 01/2016 erschienen.

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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