Saarland: In Zeiten stagnierender Budgets

Kulturpolitische Herausforderungen im Saarland

Saarland

  • Landeshauptstadt: Saarbrücken
  • Gründung: 1. Januar 1957
  • Einwohner: 989.035
  • Fläche: 2.570 km²
  • Bevölkerungsdichte: 385 Einwohner pro km²
  • Regierungschefin: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
  • Regierende Parteien: CDU, SPD
  • Nächste Wahl: Frühjahr 2017
  • Minister für Bildung und Kultur: Ulrich Commerçon (SPD)
  • Öffentliche Ausgaben für Kultur:  67,8 Mio. Euro/Jahr
  • Kulturausgaben je Einwohner: 66,84 Euro/Jahr
  • Kommunalisierungsgrad: 35,5 %

N ein, das Saarland ist nicht zu Gast bei „Wünsch dir was“. Vielmehr steht es bei „So isses“ und kommt nicht so recht voran. Man muss in diesem Zusammenhang nicht gleich vom kulturpolitischen Stillstand sprechen. Aber Tatsache ist: Innovative, neue kulturpolitische Ideen sind rar. Das Saarland wird seit 2012 von einer Großen Koalition regiert. Im Kabinett unter Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) belegt die SPD mit Ulrich Comerçon den Ministerposten für Bildung und Kultur. Die Linke (mit acht Sitzen), die Grünen und die Piraten (mit je drei Sitzen) stellen die Opposition im saarländischen Landtag. Aber Hand auf’s Herz: Wer nur drei Sitze mit seiner Fraktion stellt, schreibt sich nicht unbedingt das Ressort Kulturpolitik auf die Fahnen, sodass in dem kleinen und auch verhältnismäßig armen Bundesland tief im Westen der Republik eine zurückhaltende, bescheidene Erhaltungs- und Bewahrungspolitik für Kunst und Kultur betrieben wird. So isses. Das Diminuendo dieser aufgefächerten politischen Opposition wirkt in sanfter Berührung wie ein Dämpfer aufs politische Handeln der Regierungsparteien, die nun ebenfalls leise auftreten. Fragt man Thomas Schmitt, den kulturpolitischen Sprecher der saarländischen CDU-Fraktion nach den Top-Herausforderungen für die christdemokratische Kulturpolitik, so antwortet er bedrückend ehrlich: „Auch wenn das jetzt nicht sehr ambitioniert klingt, aber unter der unglaublichen Sparlast ist es unser Ziel, das zu erhalten, was ist.“

 

Das Saarland ist hochverschuldet mit über 16 Milliarden Euro im Jahr 2014, was etwa pro Einwohner 16.000 Euro entspricht. Ein ausgeglichener Haushalt ist bislang nicht in Sicht, doch bis 2020 muss auch das Saarland diese finanzpolitische Schieflage geradebiegen, wofür alle politischen Bereiche ihren Beitrag werden leisten müssen. So isses.

 

Mit eingesparten Kulturetats hat zwar noch niemand einen Landeshaushalt gerettet, aber diese Erkenntnis hilft den saarländischen Abgeordneten in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts nicht mehr als Argument, zumal ja wie weiter oben geschildert das politische Leisetreten hier den Ton angibt. Thomas Schmitt: „Letztendlich ist es uns bisher gelungen, die kulturellen Angebote, die wir im Land haben, ohne größere Schrammen oder einschneidende Maßnahmen zu erhalten.“ Und was gilt für die Zukunft als kulturpolitische Herausforderung? Wo soll die saarländische Kultur die vermeintlichen Federn lassen, die Federn vom Kleinvieh, das angeblich auch Mist macht?

 

Es ist – zumindest für den fragenden Journalisten – unmöglich, dem Abgeordneten hier entsprechende Statements abzuringen. Der Kulturpolitiker würde einen Teufel tun, etwaige Beispiele zu nennen. Womöglich würde er somit einen Sparvorschlag auslösen, auf den sich die Finanzpolitiker seiner Fraktion oder andere „Partner“ sofort stürzten. Er würde sich zudem den Unmut der gesamten Kulturszene im Land aufbürden. Unmöglich! Um die zu vertreten, hat er doch den Job als Kulturpolitiker übernommen. Anstatt also konkret ein Beispiel zu nennen, wiederholt er ruhig und ohne Dynamik, dass alle Ressorts ihren Beitrag zu leisten hätten. Dass die eingesparten Summen in der Kultur jeweils nicht groß seien, gelte auch für die Jugendhilfe, für die Bildung und andere Bereiche. Spannend an solcher Antwort ist lediglich, warum dem Politiker nun spontan Jugendhilfe und Bildung auf den Lippen lagen und nicht Straßenbau oder Wirtschaftsförderung. Aber geschenkt. Solch eine allgemeine Antwort ist total langweilig. So hört sich das an, wenn man politisch auf der Stelle tritt, denn Thomas Schmitt muss ja auch ein Signal an eben jene christ- wie sozialdemokratische Finanzpolitik senden, dass auch die Kulturpolitik prinzipiell bereit sei, sich der „unglaublichen Sparlast“ zu stellen… Da capo!

 

Das Saarland ist klein, mit knapp einer Million Einwohnern auf einer kleinen Fläche. Die kulturellen Einrichtungen, auch „Leuchttürme“ genannt, die das Bundesland attraktiv machen, sind im Wesentlichen die beiden künstlerischen Hochschulen, das Staatstheater als Drei-Spartenhaus, das Saarland-Museum und das Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Diese Genannten machen en gros den saarländischen Kulturhaushalt aus. Das heißt Theater, Kunsthochschule, Museum – es gibt alles je nur ein Mal. Jedes für sich ist von immenser Bedeutung für die Kulturversorgung, was die politische Gleichbehandlung nicht immer einfach macht. So gab es etwa um den Erweiterungsanbau des Saarland-Museums, dessen Eröffnung nun für 2017 geplant ist, ziemlich viel Streit um die Finanzierung, um Bundesförderungen, um Kostensteigerungen (von rund neun Millionen Euro mehr auf insgesamt 39 Millionen Euro).

Erschwerend kam ein Untreue-Skandal hinzu, der mittlerweile jedoch ausgestanden ist. Schon im Frühjahr 2012 hätte alles fertig sein sollen. Ein großes Ärgernis, zumal im Kern der Sache Konsens besteht, dass dieser Anbau für die Institution, jene Erweiterung des Museums, wichtig und dringend ist, denn in den Depots in Saarbrücken lagern viele Werke insbesondere zeitgenössischer Kunst aber auch Werke des Expressionismus, denen es bislang an Ausstellungs- und Präsentationsfläche fehlt. Dennoch interpretierte die Öffentlichkeit das Vorhaben als „Prestigeobjekt“ – muss ja so aufgefasst werden, wenn man ständig das Lamento stagnierender Budgets zu hören bekommt! Das wiederum zieht Begehrlichkeiten der anderen Kultureinrichtungen nach sich. Cela veut dire: Investition bei einem und Gleichbehandlung aller bringt man da nur schwer unter einen Hut, zumal als weitere, nicht dringliche, aber wichtige Herausforderung für die Kulturpolitik des Saarlandes die dauerhafte Sicherung des industriekulturellen Erbes steht.

 

Der Bergbau hat die Region lange geprägt, die industriekulturellen Denkmäler müssen erhalten werden und sie müssen nutzbar gemacht werden. Die Stadt Völklingen etwa hat in den letzten Jahren zusammen mit der „4 plus 1 Konzerte GmbH“ mit dem „UrbanArt Hip Hop Festival“ sowie mit der „UrbanArt Biennale“ neue Impulse gesetzt, die kulturelle Identitäten vor allem jüngerer Menschen mit jenem Bergbau-Erbe geschaffen haben. Insbesondere der kulturwirtschaftliche Aspekt kommt hier zum Tragen, wobei auch Potenziale der Jugend- und Partykultur genutzt werden, die als Selbstläufer keine größeren Subventionen der öffentlichen Hand benötigen. Oder doch?

 

Mehr Soziokultur und dafür mehr entsprechende Projekte auf den Weg zu bringen, das wünscht sich Thomas Brück, seit Sommer 2015 Kulturdezernent der Stadt Saarbrücken. Das Saarland hat keine Tradition von sozio-kulturellen Zentren, wie es sie in anderen Bundesländern gibt, und angesichts von Migration und Flüchtlingen kommt dieser Kultursparte aktuell wie in Zukunft eine bedeutsame Aufgabe in Hinblick auf gesellschaftliche Integration zu. Thomas Brück ist Politiker der Grünen. Er war bislang Umweltdezernent. Weil das Saarbrücker Rathaus Personalkosten einsparen wollte, reformierte es in diesem Jahr seine Verwaltung und legte Dezernate zusammen. Brück ist jetzt Dezernent sowohl für Umwelt als auch für Kultur und Bildung. Dass nun jemand – verständlicherweise aus der Kommunalpolitik, solange sich auf Landesebene so wenig tut – überhaupt einen neuen Impuls für eine zukünftige Kulturpolitik zu geben versucht, ist großartig. Allein: Finanzielle Unterstützung für neue Impulse – für etwaige „Bürgerateliers“, die kulturelle Integrationsarbeit leisten – ist aus den Budgets des Rathauses nun überhaupt nicht zu erwarten. Thomas Brück benennt das auch genau so, dass man zukünftig allein mit Ideen werde handeln müssen und meint damit Ideen und Kooperationen, die nichts kosten. Das zumindest verdeutlichte Thomas Brück bei einer Diskussion im Oktober im Rathausfestsaal Saarbrücken, zu der die Saarländische Gesellschaft für Kulturpolitik eingeladen hatte. Nein, auch im Saarbrücker Rathaus ist man nicht bei „Wünsch dir was“. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die „Freie Szene“ der Stadt etwa hätte künstlerisch viele Potenziale frei, um in Schulen oder den immer wieder beschworenen „bereits bestehenden Strukturen“, die nichts Neues kosten, aktiv zu werden. Allerdings verläuft die Koordinierung – die bildungspolitisch mit dem Landesministerium abgestimmt werden muss – bislang schleppend, denn viele Kontakte und Verpflichtungen laufen in festen, institutionalisierten Kanälen. Das heißt ganz volkstümlich gesprochen, die „Freie Szene“ tut sich schwer, anzudocken. „Mal schauen“ und er werde das in den Gremien ansprechen, versprach Thomas Brück bei jener Diskussionsrunde. Immerhin: Ab und an gibt es doch noch kulturpolitische Herausforderungen, die durchaus der Haushaltslage mit Altschuldenlast gerecht werden, nämlich genau dann, wenn sie nichts kosten.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 01/2016 erschienen.

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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