Brandenburg: Kultur erhalten und nicht kürzen

Brandenburgs kulturelle Infrastruktur und die kulturpolitischen Herausforderungen

Am gleichen „juristischen“ Mangel leiden auch Brandenburgs Bibliotheken. Die Büchereien, größtenteils in kommunaler Trägerschaft, hätten gern eine sichere Förderung in Form eines Gesetzes. Zwar ist die Versorgung der Medien-Ausleihe im Flächenland Brandenburg recht gut, die Förderung ist angemessen, es werden auch fahrende Bibliotheksbusse eingesetzt, allerdings fehlt dem ganzen System die gesetzliche Verankerung. Deshalb fordert die Kulturpolitik der Linken ein entsprechendes Bibliotheksgesetz, die SPD aber konnte sich dazu bislang nicht durchringen und der Linke-Finanzminister wohl auch nicht… Das wird noch zu klären sein. Aus seinem Blickwinkel ergibt sich im Übrigen die größte politische – und damit freilich auch kulturpolitische – Herausforderung: Alle sind unsicher im Hinblick auf die Haushaltsentwicklung! Wegen der demnächst wegfallenden Europamittel und den wegfallenden Bundesmitteln, fällt Brandenburg in den nächsten Jahren unter Mindereinnahmen. In punkto Bibliotheksgesetz heißt das für Gerit Große: „Insofern sind wir vorsichtig, jetzt etwas gesetzlich zu verankern. Das kann ich finanziell schon verstehen. Aber bei Bibliotheken wäre es wichtig.“

 

Die CDU-Fraktion sieht das genauso und sie wird eine Initiative erarbeiten, wie insbesondere die Bibliotheken auf dem Land gestützt und gestärkt werden können. „Alle unsere Abgeordneten, die in der Kommunalebene unterwegs sind, setzen sich für die Bibliotheken ein“, sagt Anja Heinrich. Sie plädiert in Zukunft für eine selbstbewusstere Lobbyarbeit. Brandenburgs Bibliotheken sind gegenwärtig ehrenamtlich in einem Landesverband vereint. „Das macht es den Bibliotheken schwer, so kraftvoll wie z. B. die Musikschulen zu agieren“, spricht Anja Heinrich aus Erfahrung. Wenn im Wissenschaftsausschuss etwa Referenten bei Anhörungen sprächen, mache sich der Unterschied bemerkbar. Die Kulturpolitikerin will das ehrenamtliche Engagement keinesfalls geringschätzen und sie weiß, dass es bei solcher Kritik immer die Falschen trifft, nämlich diejenigen Ehrenamtlichen, die bereits beste Vorarbeit erbracht haben. Aber dennoch: „Ich empfehle einen starken Verband, ohne die Lobbyarbeit wird es schwer! Gerade, weil die Bibliotheken regional als etwas Freiwilliges gelten.“

 

Eine weitere Herausforderung stellt sich in der Denkmalpflege. Brandenburg hat eine große Anzahl an Baudenkmälern, Schlössern, Gärten, Kirchen, technischen Denkmälern. Es war den kulturpolitischen Akteuren in den Koalitionsvereinbarungen nicht gelungen, einen stabilen Denkmalpflege-Fonds aufzulegen. „Wir haben zwar finanzielle Mittel eingestellt, aber das wird nicht reichen“, sagt Gerit Große, die als zukünftige Herausforderung nun noch eine weitere Gefahr drohen sieht. In Brandenburg steht eine Verwaltungsstrukturreform an und es werden möglicherweise Großkreise gebildet. Innerhalb dieses Reformprozesses wird die Absicht der Exekutive verhandelt, die Denkmalpflege stärker auf die Landkreise zu verteilen. Das aber will die Kulturpolitik gar nicht! „Es ist wichtig, dass die Denkmalpflege weiterhin in professioneller Hand beim Land verbleibt“, sagt Gerit Große, die aus ihrer schlechten Erfahrung keinen Hehl macht. Wenn die Landkreise, bei denen die untere Denkmalschutzbehörde angesiedelt ist, im Zusammenhang mit den Baubehörden Belange des Denkmalschutzes klären müssen, werde oft nicht zugunsten der Denkmale, sondern aus anderen Motiven heraus entschieden, so Große: „Das ist uns mehrfach passiert, wenn Denkmale in Gefahr waren.“ In Seelow etwa sollte unlängst ein altes Kaufhaus aus den 1960er Jahren, das Denkmalschutzbelangen entsprach, nach dem Willen des Landkreises abgerissen werden. „Das wurde glücklicherweise verhindert“, sagt Gerit Große: „Das Land muss hier stärker die Hand drauf haben. Da sind sich die Kulturpolitiker eigentlich alle einig.“

 

In der Tat müsse für den Denkmalschutz mehr getan werden, sagt Anja Heinrich. Die Krux dabei: Wird für bestimmte Projekte nicht der notwendige Eigenanteil erbracht, so lassen sich die im Bund bereitgestellten Mittel nicht abrufen. „Das finde ich kritisch, zumal am Denkmalschutz eine Menge Wirtschaft dranhängt vom Handwerk bis in den Kulturbereich“, sagt die CDU-Politikerin: „Diese wichtigen Zusammenhänge finden sich nirgendwo im Koalitionsvertrag wieder.“ Allein 50 historische Kirchengebäude im Bundesland sind von Bestandsgefährdung bedroht, bei 200 Kirchen besteht hoher Sanierungsbedarf. Von dem Gedanken, jede Kirche zu sanieren, haben sich die Politiker weitgehend bereits verabschiedet. Das sei utopisch. Den Bestand zu sichern hingegen scheint machbar, weshalb der Aufbau eines entsprechenden Fonds als große Herausforderung gilt. „Dann könnte man peu à peu sanieren“, sagt Anja Heinrich. Wenn demnächst das Jubiläum 500 Jahre Reformation ansteht, könnten die Zeichen für einen solchen Denkmalfonds gut stehen, wobei freilich nicht nur Gotteshäuser auf der Liste der Denkmalrettung stehen.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 06/2015 erschienen.

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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