Saarbrücken: Im Kleinformat, aber stabil

Kommunale Kulturpolitik in Saarbrücken

Ähnlich ambitioniert ist der Netzwerkgedanke auch in der Bildenden Kunst beim 2007 eröffneten sogenannten Kulturbahnhof, dem „KuBa – Kulturzentrum am EuroBahnhof“, einer historischen Immobilie in Bahnhofsnähe. In Vereinsträgerschaft und von der Stadt bezuschusst werden dort kuratierte Ausstellungen gezeigt, es finden unterschiedlichste kulturelle Veranstaltungen statt, es gibt auch Künstlerateliers im Haus.

 

Präsentation und Zelebration zeitgenössischer Kunst brauchte in Saarbrücken in der Vergangenheit kulturpolitischen Willen, denn trotz Status einer Landeshauptstadt verfügt Saarbrücken über keine Kunsthalle, in der temporäre Ausstellungen und Sonderschauen moderner und zeitgenössischer Kunst gezeigt werden. „Das fangen wir jetzt wieder mit der Stadtgalerie auf“, erklärt Thomas Brück. Von Februar bis April 2017 etwa wird „London Calling“ gezeigt mit aktueller Malerei aus Großbritannien von Paul Morrison (Jahrgang 1966) und Jost Münster (Jahrgang 1968). Aufgabe der Stadtgalerie ist es, internationalen, avantgardistisch ausgerichteten Künstlern, gegenwärtigen Trends und Positionen ihren Platz in der Stadt zu geben, und zwar in Ausstellungen für jeweils drei Monate. Eine Aufgabe, die der Stadt wichtig ist. So wichtig, dass sie sie kulturpolitisch rückerobert hat.

 

Anhand der Stadtgalerie lässt sich nämlich das für eine Landeshauptstadt typische kommunal-kulturpolitische Wechselspiel exemplarisch aufzeigen. Ursprünglich, als die Städte der alten Bundesrepublik noch großzügig Kulturgelder ausgaben, wurde die Stadtgalerie 1985 als städtische Einrichtung gegründet. Sie wurde aber schon 1994 in die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz integriert, nicht nur aus finanziellen Gründen. Von der Anbindung erhoffte man sich nicht zuletzt auch Vorteile in der inhaltlichen Programmierung. Das allerdings erwies sich langfristig als Enttäuschung. Es mangelte an Ausstellungsideen. Thomas Brück: „Es lief zuletzt wie ein Appendix der großen Stiftung, mehr schlecht als recht.“ Mit klarem Mehrheitsbeschluss aus rot-rot-grün entschied sich 2010 deshalb der Stadtrat, die Stadtgalerie wieder zurückzunehmen in kommunale Trägerschaft. Der Vertrag mit der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz wurde gekündigt, zudem beschloss der Stadtrat, dass ein neues Galerie-Konzept entwickelt werden sollte. „Seit der Zeit läuft es besser“, sagt Brück im Rückblick.

 

Dieser ungewöhnlichen Entscheidung, eine Institution wieder in die städtische Kultur-Freiwilligkeit zurückzuholen, ging im Übrigen auch eine der wenigen kulturpolitischen Debatten voraus, die innerhalb der Kommune kontrovers und streitbar geführt wurden. Ansonsten verläuft kommunale Kulturpolitik in Saarbrücken eher einvernehmlich. In Bezug auf die Stadtgalerie hielt jedoch die CDU vehement gegen die Rückführung in städtische Trägerschaft, auch der damalige FDP-Kulturdezernent Erik Schrader rückte die finanziellen Vorteile in den Vordergrund. Letzten Endes ging es in diesen Jahren auch um kulturpolitisches Misstrauen. Die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz sollte einen schmucken Neubau bekommen, das „Museum der Gegenwart“, das den Standort der Stadtgalerie abermals in den Schatten zu stellen drohte. Dass sich der besagte Neubau skandalös verteuerte, von zunächst neun auf letzter Stand 39 Millionen Euro, dass die Baustelle über Monate stillstand und bis dato auf ihre Eröffnung wartet – war damals noch nicht abzusehen. Bloß gut, mag man da sagen. Die Stadtgalerie, innerstädtisch am St. Johanner Markt gelegen, ist heute ein gut geführtes Haus und es trägt seinen Teil bei zur urbanen Attraktivität: Das Leben in der Stadt ist, dass Leute gern flanieren gehen und shoppen. Für kommunale Kulturpolitik zählen solche Argumente durchaus mit bzw. kommen bei der Überzeugungsarbeit über Parteigrenzen hinweg zum Tragen.

 

Zur Erinnerung: Saarbrücken ist „Haushaltsnotlagegemeinde“ – allein den Erhalt der kulturellen Infrastruktur zu sichern, darin besteht bereits die Herausforderung! Doch auch „im Bestand“ kann Saarbrücken kulturell gut überregionale Reichweiten erzielen. Das jährlich im Januar organisierte Filmfestival Max Ophüls wird als städtische Gesellschaft betrieben, es wird realisiert zusammen mit Sponsoren und der Landesregierung und hat sich seit 1980 als das Nachwuchsfestival des deutschsprachigen Films entwickelt. Die Vorstellungen, die an den Festivaltagen laufen, werden in der Regel von zahlreichem und jungem Publikum besucht.

 

Ausgezeichnet werden mit dem Max Ophüls Preis Nachwuchsfilmer in verschiedenen Kategorien wie Langfilm, Regie, Dokumentar, Darsteller. Es gibt einen Ehrenpreis, einen Publikumspreis sowie Auszeichnungen für Kurzfilm, Drehbuch und weiteres. Die Vielfalt der Auszeichnungen vermittelt dabei in die Öffentlichkeit die Bandbreite des künstlerischen Arbeitsmarktes der Film- und Kinokunst. Saarbrücken hat hier als Stadt Verantwortung, auch für die Filmszene außerhalb Deutschlands, womit das Filmfestival Max Ophüls nicht mehr als kulturpolitisches Kleinformat zu zählen ist. Mit bescheidenen Mitteln muss es dennoch auskommen: Für Hotels reicht das Budget nicht. Auch 2017 werden wieder für teilnehmende Jungfilmer Unterkünfte und Schlafmöglichkeiten von Saarbrücker Gastgebern gesucht. Egal ob Coach oder Feldbett… wer kennt jemanden? Auch hier erweist sich die überschaubare und liebenswerte Stadt wieder mal als unschlagbar.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 01/2017 erschienen.

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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