Saarbrücken: Im Kleinformat, aber stabil

Kommunale Kulturpolitik in Saarbrücken

Saarbrücken

  • Einwohner:  180.047
  • Fläche: 167 km²
  • Bevölkerungsdichte: 1.066 Einwohner pro km²
  • Nächste Oberbürgermeisterwahl: voraussichtlich Mai 2019
  • Nächste Kommunalwahl: Frühjahr 2019
  • Oberbürgermeisterin: Charlotte Britz (SPD)
  • Dezernent für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Umwelt: Thomas Brück (Bündnis 90/Die Grünen)
  • Kulturausgaben: 11,5 Millionen Euro pro Jahr
  • Kulturausgaben pro Einwohner: 63,87 Euro pro Jahr

Diese Landeshauptstadt ist überschaubar und liebenswert. Sie ist Universitätsstadt, zieht junge Leute an. Sie ist die einzige Großstadt im ganzen Bundesland. Das Saarland allerdings, tief im bundesdeutschen Westen gelegen, ist auch überschaubar und liebenswert. Saarbrücken macht kulturpolitisch der Verschuldung halber keine großen Sprünge. Auf 180.000 Einwohner kommen im Haushaltsansatz 2016 festgelegte 11,5 Millionen Euro kommunale Kulturausgaben, die aber, so versichert Saarbrückens Kulturdezernent Thomas Brück, „sehr stabil“ seien. In Saarbrücken scharrt derzeit kein Kämmerer mit den Füßen und will mittels Kultur quotierte Sparauflagen einlösen. Entspannte Sache! Die Stadt hat lediglich einen mittelfristigen Sanierungsplan, der zum Großteil über das Stellenmanagement erfüllt wird, das heißt, dass nicht mehr „nachpersonalisiert“ werden kann. „Das bedeutet für die Mitarbeiter mehr Belastung“, gibt Thomas Brück zu: „Aber im Output erfolgt keine Kürzung“. Institutionelle Förderung und Projektfördermittel sind für die nächsten Jahre also sicher, auf dem genannten Niveau der 11,5 Millio­nen. Viel ist das nicht.

 

Saarbrücker Kulturversorgung kann sich dennoch sehen lassen. Große Kulturtanker wie Saarlandmuseum oder Staatstheater sind in Landesobhut. Um genau zu sein: Das Staatstheater ist heute in Landesobhut, vor über zwei Jahrzehnten war es noch kommunal. Saarbrücken hat also gewissermaßen seine kulturpolitischen Herausforderungen schon gehabt. Trägerschaft wurde samt Finanzierung verlagert, was dem Publikum, wenn die Kulturversorgung stimmt, letzten Endes egal sein dürfte. Das Haus samt Oper, Schauspiel, Ballett und Orchester erhält keine kommunale Förderung mehr und ist nicht mehr im Haushalt der Stadt Saarbrücken verortet. Es gibt noch eine minimale Beteiligung an den Pensionszahlungen. „Ansonsten geben wir keine direkte Projektförderung oder Bezuschussung für den laufenden Betrieb, das macht alles der Landeshaushalt“, sagt Thomas Brück.

 

Seit eineinhalb Jahren, seit August 2015, ist er nun im Amt, wobei der Begriff Kulturdezernent die Sache nicht ganz trifft. Brücks Dezernat umfasst nicht nur Kultur, auch Bildung, Wissenschaft und Umwelt sind mit dabei. Damit ist der ehemalige kulturpolitische Sprecher der Grünen im Saarbrücker Stadtrat gut ausgelastet, kommt viel rum, auch in Nachbarbereichen der Kultur. Wie gesagt, es ist überschaubar und liebenswert. Saarbrückens Kultur profitiert sehr davon, Landeshauptstadt zu sein. In punkto Klassik hat man neben dem in Länderobhut angesiedelten Saarländischen Staatsorchester zudem auch noch die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk getragene Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern vor Ort, sodass die Stadt auf ein reges und qualitativ hoch anzusiedelndes Konzertwesen stolz sein kann. Das hat gewissermaßen den Vorteil, dass sich die kommunale Kulturförderung auf ihren regionalen und besonderen Gestaltungsspielraum konzentrieren kann. „Wir fördern die hier ansässige lebhafte freie Szene, insbesondere Musik“, sagt Brück, „Schwerpunkt ist die Schnittstelle zwischen Jazz, moderner Musik und Klassik“. So vergibt die Stadt Kompositionsaufträge an örtliche Künstler der freien Szene, die Stadt lädt ein zum jährlichen Festival „Saarbrücker Sommermusik“, das über das Stadtgebiet verteilt, vorrangig unter freiem Himmel in öffentlichen Parkanlagen, bei kostenfreiem Eintritt stattfindet. Mancher Konzertabend hat hier Volksfestcharakter, die Kommune unterstützt somit die Kulturförderung in die Breite.

 

Im kommunalen Kulturhaushalt fest verankert sind das kommunale Kino und die Stadtbibliothek, die verlässlichen Größen, mit denen die Stadt ihre kulturellen Rahmenbedingungen abstecken kann. Das gilt auch für das „Theater im Viertel“ (tiv), das als freie Bühne fungiert und sehr gut ausgelastet ist. Der Träger ist dort ein Verein, der von der Kommune bezuschusst wird. „Die Stadt überlässt uns auch die Immobilie mietfrei“, sagt Dieter Desgranges, künstlerischer Leiter am tiv. Aus dem tiv-Kreis entstand 2008 auch das „Netzwerk Freie Szene Saar“, eine Interessenvertretung, die Kunst und Kultur mit den Mitteln professioneller Freier Theater und spartenübergreifender Performancegruppen fördert.

 

20 aktive Mitgliedschaften zählt das Netzwerk, darunter sowohl einzelne Künstler wie ganze Ensembles und Gruppen. In solcher Selbstorganisation liegen enorme kulturpolitische Potenziale für Freiberufler und Selbständige der darstellenden Kreativwirtschaft, auch in dieser Hinsicht ist die Überschaubarkeit von Stadt und Bundesland von Vorteil. „Bei Stadt und Verwaltung stoßen wir immer auf offene Ohren“, betont Desgranges. Hilfe und Unterstützung kämen allerdings selten sofort. Alle Entscheidungen müssten eben erst durch die Behörden und den Kulturausschuss. „Aber prinzipiell spüren wir allseitige Gesprächsbereitschaft und dass man helfen will.“

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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