Düsseldorf: Weltmetropolenlandeshauptaltstadtdorf

Wie steht es um die kommunale Kulturpolitik in Düsseldorf?

Düsseldorf

  • Einwohner: ca. 630.000
  • Fläche: ca. 217 km²
  • Bevölkerungsdichte: ca. 2900 Einwohner pro km²
  • Nächste Oberbürgermeisterwahl: 2020
  • Nächste Kommunalwahl: 2020
  • Oberbürgermeister: Thomas Geisel (SPD)
  • Kulturdezernent: Hans-Georg Lohe (CDU)
  • Kulturausgaben: ca. 130 Millionen Euro pro Jahr
  • Kulturausgaben pro Einwohner: ca. 206 Euro pro Jahr

Ein schöner Spätsommertag Anfang September: Der Kulturberater Patrick Föhl steht im ersten Obergeschoss des noblen Palais Wittgenstein im strahlenden Sonnenschein. Doch während sonst jeder Einfall natürlichen Lichts in untere Etagen dicht bebauter Altstädte für buchstäblich helle Freude sorgt, guckt Föhl in diesem Moment ausgesprochen unglücklich: Die etwa 120 Leute vor ihm können nämlich leider nicht lesen, was auf der Leinwand hinter ihm zu sehen war – oder besser: zu sehen gewesen wäre, wenn sich der Raum hätte verdunkeln lassen.

 

„Geht nicht wegen Denkmalschutz“, klärt Düsseldorfs Kulturdezernent Hans-Georg Lohe die missmutig grummelnde Schar von Kulturakteuren aus allen Sparten und Ecken der Stadt darüber auf, warum es im Kammermusiksaal des ehrwürdigen Palais keine Jalousien gibt. „Das ist natürlich schade“, versucht Föhl zu retten, was zu retten ist, „aber dann les’ ich’s Ihnen eben vor.“

 

Die Szene hat Symbolwert. In ihr zeigen sich Attraktivität und Reichtum der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, aber eben auch ihre Tücken und Schwierigkeiten: Düsseldorf hat eine große Geschichte, gerade in Kunst und Architektur. Doch diese ruhmreiche Vergangenheit sorgt in der Gegenwart für einige Probleme, unter anderem auch mit der vielzitierten „Sichtbarkeit“. Die leidet nicht nur ganz konkret, wenn bei einer Präsentation des aktuellen Kulturplanungsprozesses wegen des Denkmalschutzes keine Folien an die Wand des Tagungsraums projiziert werden können. Auch im übertragenen Sinn geht der Blick auf das Heute immer wieder mal verloren, weil man sich zwischen Düssel und Rhein gern am glamouröseren, irgendwie besseren Gestern berauscht. Das reicht vom Wittelsbacher Kurfürsten und Kunstsammler Johann Wilhelm – der Rheinländer sagt: „Jan Wellem“ – Ende des 17. Jahrhunderts über die Düsseldorfer Malerschule Schadows und der Achenbach-Brüder gut 100 Jahre später bis in die jüngere Zeit, zu Beuys, dem Ehepaar Becher und den Elektropionieren von Kraftwerk.

 

An diese ruhmreichen 1960er, 1970er, 1980er Jahre, als Düsseldorf zu den Weltmetropolen der Kunst zählte, tragen viele Bürger der Stadt bis heute jede Menge Erinnerungen mit sich herum. Aus ihnen nährt sich allerdings auch eine manchmal fast pathologische Sehnsucht nach dieser eben erst vergangenen Epoche. Folgerichtig beklagt die Kunst- und Kulturszene unserer Tage einen eklatanten Mangel an Wahrnehmung und Wertschätzung; vor allem innerhalb der Stadtgrenzen, und das trotz großer Qualität vieler Künstler, nicht nur der prominentesten wie Katharina Sieverding, Rosemarie Trockel, Andreas Gursky oder Thomas Ruff. Dieses Phänomen ist auch ein Thema der zurzeit laufenden Kulturentwicklungsplanung (KEP). Sie wird – im Auftrag der Stadt – von der Kulturpolitischen Gesellschaft organisiert, die sich wiederum Patrick Föhl vom Berliner Netzwerk für Kulturberatung als Projektleiter dazu geholt hat. Er und seine Mitarbeiter stellten Anfang September erste Ergebnisse ihrer Bestandsaufnahme des Düsseldorfer Kulturangebotes vor, dazu die vorläufige Auswertung zahlreicher Einzelinterviews mit Akteuren aus Kultur und Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie eine kommunikationswissenschaftliche Netzwerkanalyse. Insgesamt 13 Problemfelder haben sich dabei herauskristallisiert. Neben der bereits erwähnten „Sichtbarkeit“ zählen dazu unter anderem die Öffnung der städtischen Institutionen, zeitgemäßere Förderstrukturen und eine koordinierte Vermarktung des nahezu überbordenden Angebots. Besonderes Sorgenkind ist die Koordination und in Teilen auch konzeptionelle Neuausrichtung der rund 40 kulturellen Einrichtungen unter städtischer Beteiligung. In ihrem Zentrum wiederum die zwölf Spezialmuseen: Theater, Film und Schifffahrt sind eigene Häuser gewidmet, das Deutsche Keramikmuseum beherbergt eine weltweit renommierte Sammlung, im Literaturbereich sind Heine-Institut und Goethe-Museum organisatorisch strikt getrennt.

 

Seit einem Jahrzehnt doktert die Stadt an diesem thematischen wie bürokratischen Sammelsurium herum. Mehrere professionelle Berater haben – teils ehrenamtlich – Analysen durchgeführt und Konzepte entworfen, doch im entscheidenden Moment haben die Verantwortlichen in Rat und Verwaltung bis jetzt immer wieder gekniffen. Nun soll ausgerechnet die Kulturentwicklungsplanung das heiße Eisen nicht nur richten, sondern am besten auch gleich noch schärfen und härten. Doch es ist weder Sinn noch Aufgabe solcher Prozesse, das ureigenste Geschäft der Politik zu besorgen: Entscheidungen treffen. Gleichzeitig macht dieser Vorgang das eigentliche Problem in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt deutlich. Es mangelt am Gespür für kulturpolitische Herausforderungen, an der Kreativität und an der notwendigen Durchsetzungskraft zu ihrer Lösung – oft an allem zugleich.

Peter Grabowski
Peter Grabowski ist kulturpolitischer Reporter.
Nächster ArtikelStuttgart: Immer wieder Gründerzeit