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Wie steht es um die kommunale Kulturpolitik in Düsseldorf?

Ein kurzer Blick auf die parlamentarische Seite: Im Rat der Stadt sitzt seit zwölf Jahren der Kunsthändler Friedrich Conzen (CDU) dem Kulturausschuss vor. Er ist seit 1979 Stadtverordneter, seit 2008 auch stellvertretender Bürgermeister. Conzen hat sich große Verdienste um Düsseldorf erworben, auch in der Kulturpolitik. Doch nicht nur seine patriarchale Art und Amtsführung wirken irgendwie aus der Zeit gefallen – auch inhaltlich steht der Seniorchef eines 150 Jahre alten Traditionsunternehmens für einen mitunter rührend rückwärtsgewandten Kulturbegriff.

 

Etwas anders gelagert ist der Fall im zugehörigen Verwaltungsbereich, aber ähnlich schwer. Kulturdezernent Hans-Georg Lohe (CDU) ist Jurist und war weite Teile seines Berufslebens irgendjemandes Referent, unter anderem auch der seines legendären Vorgängers im Amt, Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU). Der wechselte 2005 in die Landesregierung, und dann begann zu wirken, was in der Politik manchmal die größten Kräfte auslöst: Die Arithmetik der Macht. Düsseldorfs damaliger Oberbürgermeister Joachim Erwin nutze Grosse-Brockhoffs Abgang, um endlich einen handzahmen und ihn – Erwin – weniger enervierenden Nachfolger zu installieren. So wurde der ewige Referent Hans-Georg Lohe, der zu jener Zeit das Büro des Kämmerers leitete und im Nebenamt kaufmännischer Geschäftsführer der städtischen Kunsthalle war, zum Kulturdezernent in der Hauptstadt des größten deutschen Bundeslandes. Er ist es bis heute. Lohes Wiederwahl nach acht Jahren kam Anfang 2014 gerade noch rechtzeitig, bevor im Herbst der Sozialdemokrat Thomas Geisel den OB-Posten erobern konnte. Der hat seitdem einige Dezernenten mit CDU-Parteibuch auf diese oder jene Art und Weise entsorgt, den – ungewöhnlich an einer deutschen Stadtspitze – ausschließlich für Kultur zuständigen Lohe aber behalten. Wer im Düsseldorfer Rathaus und drumherum nach den Gründen fragt, hört niemals ein inhaltliches Argument; zumindest keins, das man Lohe zugute schreiben könnte. Viel ist dagegen von der bereits erwähnten Arithmetik die Rede. Mitunter fallen auch harsche Worte.

 

Hinter den Kulissen hieß es zuletzt, der kulturpolitisch recht sattelfeste Oberbürgermeister favorisiere mittlerweile die Idee eines „Generalmuseumsdirektors“ für die stadteigenen Sammlungen. Der – oder die – müsste allerdings spätestens dann installiert werden, wenn im Herbst 2017 der jüngst noch einmal verlängerte Vertrag von Kunstpalast-Direktor Beat Wismer endgültig ausläuft. Dessen Position an der Spitze des größten städtischen Kunstmuseums ist die Schlüsselpersonalie im Institutionengefüge. Doch bislang ist weder klar, welche Ausrichtung das Haus künftig haben soll, noch wie viel Geld zur Verfügung steht. Der bisherige Großsponsor Eon zieht sich im kommenden Jahr endgültig zurück, ein Nachfolger an der privatwirtschaftlichen Geldspritze ist bislang nicht gefunden. Doch vor diesen grundsätzlichen Entscheidungen hier wie da wie dort wird auch die Führungspersonalie nicht zu lösen sein.

 

Vom Kulturdezernenten hat man in dieser Frage noch nichts Substanzielles gehört, so wie eigentlich immer. Wohin zieht das heimatlos werdende Theatermuseum? Wer soll das Keramikmuseum mit seinem erstklassigen Potential dauerhaft aus dem Dornröschenschlaf ins verdiente Rampenlicht führen – und wo? Wird das Schauspielhaus während seines mindestens zweijährigen Zwangsexils wegen einer Mega-Baustelle drumherum auch gleich selbst richtig saniert, bevor das kurz nach der Rückkehr dann sowieso passieren muss? Die letzten Schätzungen dafür belaufen sich auf 20 Millionen Euro plus X. Oberbürgermeister Thomas Geisel hat angesichts der immer größer werdenden Summe den Stadtrat aufgerufen, sich eindeutig zu erklären und dabei auch die Frage zu beantworten, „welche Bedeutung dieses Gebäude der Hochkultur“ für die Stadt habe. Seitdem ist der denkmalgeschützte Bau aus den 1960er Jahren auch wieder eine kulturpolitische Baustelle. Der neue Schauspiel-Intendant Wilfried Schulz wünscht sich natürlich, möglichst bald ein möglichst umfassend saniertes Stammhaus. Ihm wird zugetraut, der traditionsreichen Theaterstätte dann endlich wieder eine echte Identität geben zu können. Doch auch er wird damit zu kämpfen haben, dass in Düsseldorf vor allem große Namen der Vergangenheit hell leuchten und dabei sogar manches starke Licht der Gegenwart gleich mit überstrahlen. Auch in diesem konkreten Fall wirft einer lange Schatten, und zwar auf den Platz direkt vor dem Schauspielhaus. Der ist nach dem legendären ersten Intendanten der Nachkriegszeit benannt: Gustaf Gründgens.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 06/2016 erschienen.

Peter Grabowski
Peter Grabowski ist kulturpolitischer Reporter.
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