Insect Concerto

Mit Musik gegen das Insektensterben

Sie können aber nicht nur Insekten klassisch-musikalisch umsetzen. Ihre neueste Komposition ist das „Recycling Concerto“. Auch damit unterstützen Sie einen guten Zweck für unseren Planeten. Wer sind hier die Solisten?

Wenn man so will, ist das solistische Subjekt der Müll – das Recyceln. Auch hier wollte ich zwei Elemente zusammenbringen, die erst einmal gar nicht zusammengehören. Die Klassik auf der einen Seite – sie wird meist als Hochglanzkultur wahrgenommen. Auf der anderen Seite steht der Müll – das genaue Gegenteil. Das Besondere in diesem Konzert ist: Die Instrumente der Percussion-Solistin haben wir alle aus recyceltem Müll gebaut. Wir haben uns gefragt: Wie können wir weggeworfene Produkte musikalisch aufwerten und dadurch neue Klänge finden?

 

Welcher Müll musiziert in Ihrem Konzert? 

Wir haben z. B. alte Plastikflaschen durch ein Ventil im Deckel mit Luftdruck gestimmt und so ein Melodieinstrument daraus gemacht. Aus Blumentöpfen und mit Wasser gefüllten Glasflaschen wurde ein Vibraphon, und es gibt Instrumente aus verbrauchten Kaffeekapseln, Kronkorken, Metallschrott… Auch normale Plastikfolien nutzen wir rhythmisch.

Mit Vivi Vassileva, der Solistin, die am 16. Juni die Uraufführung in Ludwigshafen spielen wird, habe ich viel ausprobiert. Fast ein Jahr lang schickten wir uns wöchentlich Videos zu, in denen wir auf Dingen klopfen oder mit den Fingern darauf entlangfahren und entdecken, wie spannend so mancher vermeintliche „Müll“ klingen kann. Wir haben Weggeworfenes auf seine Musikalität hin getestet und daraus etwas gebaut.

 

Eine weitere Idee für Ihre Konzerte ist es, den Müll der Stadt, in der Sie spielen, in das Konzert einzubinden. Wie wird das aussehen?

Wir als Künstlerinnen und Künstler können Faszination herstellen und dadurch hoffentlich Menschen dazu inspirieren, etwas zu verändern. Wir dachten: Wir können in (Musik-)Schulen gehen, eine Müll-Sammel-Aktion starten in dem Ort, in dem wir spielen, und zeigen, wie man aus Müll Instrumente baut. Einen Teil dieser „Recycling-Instrumente“ kann man am Ende auch tatsächlich für das Konzert verwenden. Einige Instrumente mussten wir für das Konzert speziell präparieren. Es gibt aber auch Stellen, an denen freisteht, welche Müll-Instrumente man zur Hand nimmt, an denen der „lokale“ Müll erklingen kann.

 

Mit welchem Gefühl sollen die Besucherinnen und Besucher aus Ihren Konzerten gehen?

Ich möchte Menschen dazu inspirieren, neue Lösungen im Alltag zu finden. Ich kann zwar nicht die Verantwortung übernehmen, dass ein großer Chemiekonzern etwas ändert, wie etwa die Politik es könnte. Aber ich kann aufzeigen: Es gibt viel mehr Möglichkeiten, als unsere Bequemlichkeit es uns oft versucht weiszumachen. Ich möchte Menschen dazu inspirieren weiterzusuchen. Viele phänomenale bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen aus Müllmaterial eine ganz neue Ästhetik. Das mit der Musik zu schaffen war mein Versuch. Ich hoffe, dass die Botschaft bei vielen Menschen ankommt und ebenso viel Kreativität auslösen wird.

 

Das ist Ihnen gelungen, Herr Mayrhofer. Sie zeigen, dass klassische Musik dazu dienen kann, auf die bewegenden aktuellen Themen unseres Planeten aufmerksam zu machen. Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2021.

Gregor Amadeus Mayrhofer & Sandra Winzer
Gregor Amadeus Mayrhofer ist Komponist, Dirigent und Pianist. Sandra Winzer ist ARD-Journalistin beim Hessischen Rundfunk.
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