Insect Concerto

Mit Musik gegen das Insektensterben

„Singende“ Grillen, Zirpen im 5/8-Takt – Komponisten der zentralen Motive im „Insect Concerto“ sind die Insekten selbst. Sandra Winzer spricht mit dem Komponisten und Dirigenten Gregor Amadeus Mayrhofer darüber, was klassische Musik und Insekten vereint, und wie sein „Insect Concerto“ an die wichtige Rolle der Insekten erinnert.

 

Sandra Winzer: Herr Mayrhofer, klassische Musik und Insekten – was haben diese beiden Sphären miteinander zu tun?

Gregor Amadeus Mayrhofer: Sie sind lebendig. In beiden Bereichen gibt es eine unendliche Vielfalt an Strukturen und Philosophien – und eine Vielfalt an Schönheit. Was mich reizt, ist: zwei Themen zusammenzubringen, von denen man zunächst denkt, dass sie total gegensätzlich sind.

Und diese Gegensätzlichkeit in der Musik auszukomponieren. Gegenpole sind oft erst das Potenzial für den Raum dazwischen. Daraus kann man dann einen Dialog und Kreativität werden lassen.

In meiner Komposition haben klassische Musik und Insekten vor allem den Klang gemeinsam.

 

Wie sind Sie beim Komponieren vorgegangen?

Ich wollte, dass die Insekten zunächst mit ihren ureigenen Lauten vorhanden sind. Wir nahmen aufgenommene Laute von einer Insektenforscherin. Dann habe ich geschaut: Wie kann ich die Geräusche imitieren und dem am Ende auch etwas entgegensetzen, sodass ein Spannungsfeld entsteht, aus dem ein fruchtbarer musikalischer Dialog wird. Ich wollte nicht nur ein Stück mit Insektenklängen schreiben, oder eines, wie man es in der Klassik erwarten würde, voller Harmonien und Melodien. Sondern eines, das diese beiden Welten zusammenbringt.

 

Ein spannender Prozess …

Ja, meine Ohren haben sich in dem Prozess komplett geöffnet. Man denkt: „Eine Grille klingt wie eine Grille“. Als ich anfing, mich in diese Klangbibliotheken einzuhören und der Natur zuzuhören, fiel mir erst auf, wie unterschiedlich und schön die Klänge eigentlich sind. Im „Insect Concerto“ gibt es drei Hauptklänge. Die „singende“ Grille, die zirpt. Dann gibt es Grillen, die klingen, als hätten sie einen Schaden, sie klingen eher wie ein Zischen. Und dann gibt es eine Grille, die im 5/8-Takt zirpt. Wahrscheinlich eine lateinamerikanische Grille mit Rhythmusgefühl. Das wurde der Grundrhythmus des Stücks, das Hauptmotiv. Die „Komponistinnen“ und „Komponisten“ der zentralen Motive waren tatsächlich die Insekten selbst.

 

Zu Beginn des Konzerts nehme ich eine sehr harmonische akustische Krabbelei wahr; einen inneren Dschungel, der mich umgibt. Bereits ab Minute drei aber werden die Klänge unruhig-bedrohlich. Ist das bewusst so gesetzt …?

Ja. Das Thema „Insekten“ ist extrem dringend. Vielen Politikerinnen und Politikern ist noch nicht bewusst, wie nah wir am Abgrund stehen. Unser Leben als Spezies Mensch fußt auf der natürlichen Balance, die auch mit den Insekten zu tun hat. Wenn wir hier auf Risiko spielen und nur Profite im Blick haben, ist das gefährlich. Gleichzeitig muss man sich in einem solchen Stück auch fragen: Wie apokalyptisch muss es sein? Ich habe versucht, immer wieder eine schillernde Mitte zu finden. Trotzdem wollte ich deutlich machen, dass das Insect Concerto nicht nur eine heitere Zusammenkunft ist, sondern einen bedrohlichen Hintergrund hat.

 

Das Insektensterben. Sie wollen also zeigen: Diese wunderschöne akustische Kraft der Insekten könnte aus unseren Wiesen und Wäldern verschwinden …

Genau. Das Konzert soll aber eher die Faszination in den Vordergrund rücken, nicht die Apokalypse. Ich glaube daran, dass Menschen sich durch Faszination stärker als durch einen drohenden apokalyptischen Zustand bewegen lassen. Viele Menschen aber haben mir rückgemeldet, dass sie der Natur ganz anders zuhören, seit sie mein Konzert gehört haben. Sie gehen plötzlich über eine Wiese und hören den Insekten bewusst zu. Nehmen wahr, was fehlen würde, wenn es nicht mehr da wäre. Das ist mein Ziel.

 

Die „akustische Heldin“ in Ihrem Konzert ist die Grille, sie sticht besonders heraus. Haben Sie sich bewusst gegen andere Insekten entschieden?

Im Gegenteil. Ursprünglich hieß das Konzert „Cricket Concerto“, also Grillenkonzert. Natürlich sind die Grillen am markantesten. Aber ich möchte bewusst mit dem Namen „Insect Concerto“ auf alle Insekten hinweisen. Im Stück sind z. B. auch Ameisen versteckt. Aufnahmen, bei denen Forscher mit Mikrofonen ganz nah Ameisen aufgenommen und verstärkt haben: irrsinnig spannende Geräusche, die an elektronische Musik erinnern. Und der Mittelteil ist stark von der Bewegungsart einer Libelle inspiriert. Libellen mit ihrem schönen schillernden Körper bewegen sich sehr schnell – halten dann aber plötzlich inne. Das habe ich akustisch eingebunden.

Heißt: An der Oberfläche des Konzerts hören wir vor allem die Grillen. Inspiriert aber ist es von vielen verschiedenen Insekten und der Philosophie ihres Lebens. Das Flirrende, Überflutende spiegelt sich in den dichten Klangtexturen in dem Stück wider.

Gregor Amadeus Mayrhofer & Sandra Winzer
Gregor Amadeus Mayrhofer ist Komponist, Dirigent und Pianist. Sandra Winzer ist ARD-Journalistin beim Hessischen Rundfunk.
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