Ein gutes Leben für alle Menschen ermöglichen

Die kulturelle Dimension des Klimawandels

Dadurch hat sich der Dschagannath-Wagen von Anthony Giddens in Bewegung gesetzt, der kaum noch zu bremsen scheint und uns gerade in seinen ökologischen Auswirkungen zu zermalmen droht. Die immer weiter fortgesetzte ökonomische Verbesserung jedes einzelnen und jeder einzelnen Volkswirtschaft ist zum Imperativ geworden, der den Blick auf ein übergeordnetes, globales Kulturprojekt zu verstellen droht.

Dennoch ist die Situation nicht aussichtslos. Die Menschheit hat in den letzten Jahrhunderten bewiesen, dass sie zu grundlegenden „moralischen Revolutionen“ nach Anthoy Appiah in der Lage ist, die auf der Idee der Gleichheit aller Menschen beruhen: von der Abschaffung der Sklaverei bis zur Einführung des Frauenwahlrechtes. Die Umsetzung einer „Nachhaltigen Entwicklung“ markiert die nächste einer solchen grundlegenden moralischen Revolution in der Menschheitsgeschichte.

 

Die sich international entfaltende Kraft der „Fridays for Future“-Bewegung macht Mut. Es ist eine kulturelle Bewegung. Sie zeigt, dass eine junge Generation erkennt, dass das 21. Jahrhundert für sie andere Herausforderungen bereithält, als nur den eigenen materiellen Wohlstand zu maximieren. Für sie ist es Bürde, aber auch Geschenk zugleich, in eine Phase der Menschheitsgeschichte geboren zu sein, in der eine neue Dimension von Humanismus Wirklichkeit werden kann.

 

Die „Fridays for Future“-Bewegung liefert eine kulturelle Hintergrundkulisse für viele Bewegungen weltweit, die versuchen, andere Formen lebensdienlicher Ökonomien greifbar werden zu lassen. Von der Buen-Vivir-Bewegung in Südamerika über die „Transitions Towns“ bis zu neuen Formen des Social Entrepreneurships. Der notwendige kulturelle Wandel benötigt beides: globale Bewegungen und Leitorientierungen sowie vielfältige Experimente gerade vor Ort, die deutlich machen, dass sich Gesellschaften und Ökonomien auch anders entwickeln können. Auch dafür steht der Begriff der „Zukunftskunst“: Es ist das kreative und lustvolle Experimentieren mit den Möglichkeiten einer alternativen Zukunft.

 

Der Blick auf die Beobachtungs- und Interventionsformen der Kunst liefert dabei einen umfassenden Anregungsraum für alle, die am Transformationsprojekt einer „Nachhaltigen Entwicklung“ teilhaben. Deswegen ist es äußerst wichtig, dass sich Wissenschaft, Kunst und Transformationsbewegungen in Zeiten des Umbruchs noch intensiver begegnen und befruchten als das bisher der Fall war.

 

Wir müssen raus aus den Silos, um das faszinierende Kulturprojekt „Nachhaltige Entwicklung“ auf den Weg zu bringen. Lassen Sie uns alle zu Zukunftskünstlerinnen und -künstlern werden!

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.

Uwe Schneidewind
Uwe Schneidewind ist Präsident des Wuppertal Institutes für Klima, Umwelt, Energie.
Vorheriger ArtikelUmsetzung der Agenda 2030 ist eine kulturelle Aufgabe
Nächster ArtikelKlima: „Fridays for Future“ fordert grundlegenden kulturellen Wandel