Ihre Vorliebe für junge Künstler, Videokunst und der Wandel des internationalen Kunstmarkts bewegen die Frankfurter Galeristin Anita Beckers. Im Gespräch mit Ludwig Greven gibt sie Auskunft.
Ludwig Greven: Seit wann arbeiten Sie als Galeristin?
Anita Beckers: In meinem früheren Leben war ich Lehrerin an einer kaufmännischen Berufsschule. Nach einer Krankheit konnte ich dahin nicht zurück und habe 1990 als Grafikverlegerin begonnen. Daraus ist meine Galerie entstanden, erst in Darmstadt, seit 1998 in Frankfurt. Ein Abenteuer, das ich auch jetzt in einem Alter noch betreibe, in dem andere längst in Rente sind. Es gibt nichts Inspirierendes, als jeden Tag mit Kunst und Künstler, zu tun zu haben.
Wie sind Sie dazu gekommen?
Mein Mann hat schon immer Kunst gesammelt. Ich hatte davon wenig Ahnung und musste das erst mühsam lernen. Über ihn habe ich auch die Künstler kennengelernt und habe gespürt, dass ihre Werke zu betrachten in mir etwas auslöst, was ich in keinem Geschäft kaufen kann.
Sie konzentrieren sich auf junge Künstler. Weshalb?
Gesammelt hatten wir bereits etablierte Künstler, z. B. Schüler von Josef Beuys. Die hatten damals größtenteils Professuren, über sie öffnete sich für mich der Weg in die Kunsthochschulen. Vorwiegend zeigten wir junge Positionen, und dadurch konnte ich neu erworbenes Wissen mit etablierten Künstlern immer wieder abgleichen. Durch einen wunderbaren Zufall rief mich eine Journalistin an und sagte, in Wiesbaden gebe es eine Ausstellung von Preisträgern des Marler Videokunstpreises, dies sollte ich mir unbedingt ansehen. Dort habe ich den jungen Preisträger Bjørn Melhus getroffen, dessen Werk hat mich in einer Weise begeistert und gefordert, wie ich es bis dahin nicht kannte. Das war die Initialzündung zur Eröffnung eines zusätzlichen Videoraums, den wir fast 20 Jahre lang neben der Galerie betrieben haben. Wir waren eine der ersten Galerien, die Videokunst auch auf Messen gezeigt haben. Darauf beruht wohl der internationale Bekanntheitsgrad der Galerie.
Ist das ein eigener Markt?
Ich habe immer dafür gekämpft, dass man die Videokunst nicht von der übrigen Kunst separiert. Aber die Zeige- und Sammelbedingungen sind andere. Wir haben anfangs fast nur an innovative Sammlungen und Museen verkauft. Es ist immer noch schwierig. Nur ungefähr 5 Prozent der weltweit vermarkteten Kunst ist Videokunst.
Wie wird so etwas gehandelt? Ein Bild, eine Skulptur ist ein Unikat. Von einem Video kann man theoretisch beliebig viele Kopien herstellen.
Das wird genauso gehandhabt wie in der Fotografie. Kein Künstler wird seinen eigenen Markt zerstören, indem er unerlaubt weitere Kopien in Umlauf bringt. Durch die Digitalisierung können die Kunstwerke heute mittels USB-Stick gehandelt werden. Der kommt in eine Box, mit einem Zertifikat, in dem der Künstler versichert, dass dies eine Kopie einer Edition von beispielsweise fünf ist, dass er eine Masterkopie als Sicherheit für sich behält und dass er den Film im Nachhinein nicht mehr verändert.
Wie bei Spielfilmen oder Fotografien könnte man nur das Nutzungsrecht verkaufen, sodass die Video-Werke auch für andere zugänglich blieben und nicht in einem Archiv verschwinden.
Ob auch die Videokunst und der künstlerische Film in Zukunft nur noch so gehandelt werden und ob damit eine größere Verbreitung einhergeht, wird von den Angeboten entsprechender Plattformen abhängen. Die Coronakrise hat dazu beigetragen, dass bereits vorhandene Möglichkeiten der Partizipation verstärkt angenommen werden. Mit der Hamburger Kollegin Julia Sökeland habe ich 2012 die Plattform Blinkvideo geschaffen. Darüber kann man sich ca. 2.000 Video-Kunstwerke anschauen. Die Plattform nutzen vor allem Kuratoren und Sammler zu Recherchezwecken. Verkauft wird allerdings noch immer über die Galerien.
Wie kommen Sie an neue Künstler und wie kommen die zu Ihnen?
Ich bin viel international unterwegs, gehe immer noch sehr viel in Hochschulen und bekomme Tipps von anderen Künstlern, Ausstellungsmachern oder Kunstprofessoren. Eigentlich habe ich schon zu viele Künstler, die ich betreue. Aber ich bin viel zu neugierig, um mit einem statischen Künstlerprogramm zu arbeiten. Ich schaue immer: Wo gibt es neue künstlerische Tendenzen, die ich vorher so noch nicht gesehen habe.
Haben Sie zu einigen Künstlern eine lange Verbindung?
Ja, mit dem Fotografen Anton Corbijn z. B. arbeite ich schon 25 Jahre zusammen. Mit vielen Künstlern entstehen zum Teil enge Freundschaften. Es ist das größte Glück für mich, an ihrer Welt teilhaben zu dürfen. Das eröffnet mir immer wieder neue Horizonte.