Eine Forderung bleibt: Zurück zur ermäßigten Mehrwertsteuer für Galerien

Die Ergebnisse der Galerienstudie 2020

Bei allen Umsätzen ist zu berücksichtigen, dass vom Verkaufserlös jeweils die Umsatzsteuer, der in der Regel 50-prozentige (Kommissions-)Anteil an die Kunstschaffenden, die Künstlersozialabgabe sowie Kosten für die Produktion, Logistik oder Versicherung der Kunstwerke abzuziehen sind, um den Rohertrag zu erhalten. Dieser liegt nach übereinstimmenden Aussagen in der Regel nicht über 35 Prozent. Der Rohertrag wird für Personal, Miete und weitere Fixkosten sowie für Messeteilnahmen und anderes verwendet. Was am Ende übrig bleibt, das ist der Gewinn der Galerie. Gewinn ist nur schwer zu erzielen, wenn der Rohertrag weit unter 35 Prozent liegt, Befragte sahen diese Schwelle zwischen 30 und 20 Prozent. Hieraus ist deutlich abzuleiten, welche entscheidende Rolle es spielt, ob die Umsatzsteuer für Galerien bei 19 oder 7 Prozent liegt.

 

Die Auswirkungen von Corona

 

Im ersten Halbjahr 2020 wurden 336 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Galerien erwarten im Durchschnitt für das Gesamtjahr 2020 mehr als 40 Prozent Verlust. Manche Galerien befürchten sogar einen vollständigen Zusammenbruch ihres Geschäfts. Durch Corona musste der Ausstellungsbetrieb unterbrochen und stark eingeschränkt werden, im Durchschnitt wurden die Galerien für acht bis neun Wochen geschlossen. Es sind 10 Prozent der Arbeitsplätze weggefallen. Kunstmessen wurden abgesagt, Ausstellungsprojekte wurden verschoben. Dadurch sind auf der anderen Seite auch Kosten gesunken. Zum Zeitpunkt ihrer Prognose für 2020 im August haben viele Galerien noch damit gerechnet, dass die Art Cologne im November stattfinden kann. Als Ende Oktober von der Politik Corona-Maßnahmen wieder verschärft wurden, musste auch diese Messe abgesagt werden. Die gegenwärtige Krise wirkt sich für jede Galerie individuell unterschiedlich aus und eine abschließende Bewertung der Folgen von Corona für Galerien ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.

 

Die durch Corona verursachte Situation des Wegfalls von Kunstmessen, Ausstellungen, Veranstaltungen und Projekten ist von vielen Galerien auch konstruktiv genutzt worden, um Kunst online zu zeigen und zu vermitteln; wieder mehr mit Sammlern zu telefonieren; mit den wenigen Besuchern intensive Gespräche zu führen; mehr Zeit für die Vermittlung der Kunst einzusetzen. Zudem gab es mehr Zeit zum Nachdenken hinsichtlich der eigenen Positionsbestimmung und Fokussierung, über mögliche neue Akzentsetzungen und Kooperationen sowie über das Thema Digitalisierung.

 

Die Krise kann sich in wenigen Jahren positiv auswirken

 

Wir können zuversichtlich sein, dass die aktuelle Krise sich in wenigen Jahren positiv auswirken wird. Galerien sind dabei, sich neu aufzustellen und schlagkräftiger zu werden, für sich und auch im Verbund mit anderen. Neben den großen Problemen durch die Pandemie wurden auch Entwicklungen angestoßen, die vielleicht in der Luft lagen und nun einen letzten Schwung bekommen haben. Eine der bleibenden Entdeckungen könnte sein, dass Austausch und Zusammenarbeit unter den Galerien ein Gewinn für alle ist.

 

Corona hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters veranlasst, 16 Millionen Euro aus Fördermitteln des Bundes zur Unterstützung von Galerien und zur Stabilisierung des deutschen Kunstmarkts zur Verfügung zu stellen, auf die sich alle professionell arbeitenden Galerien ab Anfang Oktober bewerben konnten. Die Höchstfördersumme beträgt 35.000 Euro. Es scheint kaum eine Galerie zu geben, die dieses Angebot nicht angenommen hat.

 

Was die Politik in Zukunft darüber hinaus und unabhängig von Corona zur Verbesserung der Situation unternehmen wird, liegt nicht in der Hand der Kunstgalerien, aber es gibt zielführende Wünsche: die Ankaufsetats für Museen erhöhen, Förderung der Galerien für herausragende Vermittlungsarbeit, für die Digitalisierung und für Messeteilnahmen anbieten. Vor allem aber: als privatwirtschaftliche Kulturarbeiter von der Politik ernst genommen und anerkannt werden.

 

Die größte und sehr konkrete Forderung bleibt: Zurück zur ermäßigten Umsatzsteuer, die 2014 für Kunstvermarkter abgeschafft wurde, während der reduzierte Satz für Künstler und für andere Kultursparten wie den Buchmarkt weiterhin gilt. Für manche Galerien entscheidet die Höhe der Umsatzsteuer darüber, ob nach allen Abgaben am Ende für die Galeristen genügend Auskommen für den eigenen Lebensunterhalt bleibt und somit die Fortsetzung der Galeriearbeit gesichert ist.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.

Hergen Wöbken
Hergen Wöbken ist Autor der Galerienstudie und Geschäftsführer vom Institut für Strategieentwicklung (IFSE).
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