Eine Forderung bleibt: Zurück zur ermäßigten Mehrwertsteuer für Galerien
Die Ergebnisse der Galerienstudie 2020
Die Arbeit von Galerien verbindet Kunst und Wirtschaft auf eine ganz besondere Weise. Galerien sind eine Säule der Kunst aus Deutschland, die international einen einzigartigen Ruf hat. Als Partner der Künstler vermitteln sie Kunst, bieten Kontext und Infrastruktur, Raum und Netzwerk, Kommunikation und Kooperation – all das, was für die Kunst neben der Produktion notwendig ist. Galerien werden gegründet, um diesen kulturellen Mehrwert zu schaffen. Der wirtschaftliche Erfolg, der sich im besten Fall einstellt, ist nur ein Aspekt. Eine Betrachtung der wirtschaftlichen Situation von Galerien ist daher aus kulturpolitischer Sicht relevant, weil es darum geht, die enorme Kulturarbeit von privatwirtschaftlichen Akteuren für die Bildende Kunst in Deutschland so gut wie möglich zu unterstützen. Deshalb wurden in diesem Jahr zum zweiten Mal nach 2013 mit dem Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) die Galerien in Deutschland in einer Studie unter die Lupe genommen. Dazu gehörte eine Umfrage unter 700 Galerien in Deutschland, an der sich 237 Galerien beteiligt haben. Hier werden einige Ergebnisse aus dem Bericht vorgestellt, der am 20. November veröffentlicht wurde.
Die zeitgenössische Kunst ist ohne Galerien kaum vorstellbar
Die Galerien in Deutschland sind vielfältige Kulturorte und dezentral über das ganze Land verteilt mit Schwerpunkten in Berlin, Köln, Düsseldorf, München, Stuttgart, Frankfurt und Hamburg. Sie nehmen die besondere Aufgabe der Kunstvermittlung wahr und organisieren in einem normalen Jahr ohne Pandemie mehr als 4.000 Ausstellungen auf einer Fläche, die zusammen 13-mal so groß ist wie das Museum Ludwig oder die Bundeskunsthalle in Bonn. Zu den Vernissagen kamen im Jahr 2019 mehr als 400.000 Besucher. Hinzu kamen knapp 1,2 Millionen Besucher während der Öffnungszeiten von durchschnittlich 30 Stunden in der Woche. Galerien tragen als kultureller Standortfaktor nicht nur zu Urbanität und Attraktivität ihrer Stadt bei und befruchten Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel und Kreativwirtschaft. Die zeitgenössische Kunst ist ohne Galerien kaum vorstellbar. Sie stehen für die Vermittlung von neuen Positionen in der Kunst und sind eine der wichtigsten Einkommensquellen für die Kunstproduktion. Immerhin geht etwa die Hälfte des Umsatzes der Galerien an ihre Künstlerinnen und Künstler.
Mit der anderen Hälfte vom Umsatz finanzieren Galerien Räume, Ausstellungen und ihren täglichen Betrieb. Sie schaffen über 3.000 Arbeitsplätze. Bundesweit beschäftigen 80 Prozent der Galerien mindestens eine Person, ob fest angestellt, geringfügig beschäftigt oder in freier Mitarbeit. Neben den etwa 1.000 Inhabern – einige der 700 Galerien haben ein Führungsteam – arbeiteten 2019 knapp 1.300 Vollzeit-Beschäftigte in deutschen Galerien sowie knapp 400 geringfügig Beschäftigte und knapp 800 freie Mitarbeitende. Die wirtschaftliche Bedeutung der Galerien geht darüber hinaus, weil es zahlreiche Dienstleistungsunternehmen gibt, deren Arbeit ebenfalls in Anspruch genommen wird, wie z. B. Logistik- und Rahmenunternehmen, Kunstversicherungen, Rechtsanwalts- und Steuerbüros, Design- und Eventagenturen, Cateringunternehmen sowie nicht zuletzt die Kunstmessen.
Wirtschaftlich in drei unterschiedlichen Welten
Der Umsatz aller Galerien hat sich innerhalb von sieben Jahren von 2012 bis 2019 fast verdoppelt von 450 Millionen Euro auf 890 Millionen Euro. Er verteilt sich zu 75 Prozent auf den Primärmarkt, also auf den Erstverkauf künstlerischer Arbeiten, und zu 25 Prozent auf den Sekundärmarkt, dem Kunsthandel. Galerien erzielen 40 Prozent ihres Umsatzes mit Kunden aus der Region und 40 Prozent mit Kunden aus Deutschland außerhalb der Region. 20 Prozent vom Umsatz stammen von internationalen Kunden. Bei den großen Galerien werden international höhere Umsätze erzielt, deshalb stammen bei diesen im Durchschnitt mehr als 40 Prozent des gesamten Umsatzes aus dem Ausland und nur rund 20 Prozent aus der Region. Die Umsätze der Galerien verteilen sich sehr unterschiedlich. Knapp 5 Prozent der Galerien erzielen die Hälfte des gesamten Jahresumsatzes deutscher Galerien. Die andere Hälfte verteilt sich auf 95 Prozent der Galerien. Der mittlere Wert, Median, liegt bei 250.000 Euro Jahresumsatz. 50 Prozent der Galerien liegen darüber – zum Teil deutlich, 50 Prozent liegen darunter. Wir haben drei Umsatzklassen unterschieden. Die Top-Galerien, das sind etwa 17 Prozent und damit mehr als 100 Galerien, haben jeweils einen Umsatz von mehr als 1,5 Millionen Euro im Jahr erzielt. Zusammen erzielen sie damit 80 Prozent des gesamten Jahresumsatzes deutscher Galerien. 25 Prozent der Galerien liegen in einem Bereich von 400.000 Euro bis zu 1,5 Millionen Euro. Diese Galerien bezeichnen wir als Mittelstand der deutschen Galerien. Sie erwirtschaften zusammen 13 Prozent des gesamten Jahresumsatzes. Runde 60 Prozent, also die deutliche Mehrheit der deutschen Galerien, erwirtschaftet einen Jahresumsatz unter 400.000 Euro, diese Galerien erzielen zusammen knapp 7 Prozent vom gesamten Jahresumsatz.
Bei allen Umsätzen ist zu berücksichtigen, dass vom Verkaufserlös jeweils die Umsatzsteuer, der in der Regel 50-prozentige (Kommissions-)Anteil an die Kunstschaffenden, die Künstlersozialabgabe sowie Kosten für die Produktion, Logistik oder Versicherung der Kunstwerke abzuziehen sind, um den Rohertrag zu erhalten. Dieser liegt nach übereinstimmenden Aussagen in der Regel nicht über 35 Prozent. Der Rohertrag wird für Personal, Miete und weitere Fixkosten sowie für Messeteilnahmen und anderes verwendet. Was am Ende übrig bleibt, das ist der Gewinn der Galerie. Gewinn ist nur schwer zu erzielen, wenn der Rohertrag weit unter 35 Prozent liegt, Befragte sahen diese Schwelle zwischen 30 und 20 Prozent. Hieraus ist deutlich abzuleiten, welche entscheidende Rolle es spielt, ob die Umsatzsteuer für Galerien bei 19 oder 7 Prozent liegt.
Die Auswirkungen von Corona
Im ersten Halbjahr 2020 wurden 336 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Galerien erwarten im Durchschnitt für das Gesamtjahr 2020 mehr als 40 Prozent Verlust. Manche Galerien befürchten sogar einen vollständigen Zusammenbruch ihres Geschäfts. Durch Corona musste der Ausstellungsbetrieb unterbrochen und stark eingeschränkt werden, im Durchschnitt wurden die Galerien für acht bis neun Wochen geschlossen. Es sind 10 Prozent der Arbeitsplätze weggefallen. Kunstmessen wurden abgesagt, Ausstellungsprojekte wurden verschoben. Dadurch sind auf der anderen Seite auch Kosten gesunken. Zum Zeitpunkt ihrer Prognose für 2020 im August haben viele Galerien noch damit gerechnet, dass die Art Cologne im November stattfinden kann. Als Ende Oktober von der Politik Corona-Maßnahmen wieder verschärft wurden, musste auch diese Messe abgesagt werden. Die gegenwärtige Krise wirkt sich für jede Galerie individuell unterschiedlich aus und eine abschließende Bewertung der Folgen von Corona für Galerien ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.
Die durch Corona verursachte Situation des Wegfalls von Kunstmessen, Ausstellungen, Veranstaltungen und Projekten ist von vielen Galerien auch konstruktiv genutzt worden, um Kunst online zu zeigen und zu vermitteln; wieder mehr mit Sammlern zu telefonieren; mit den wenigen Besuchern intensive Gespräche zu führen; mehr Zeit für die Vermittlung der Kunst einzusetzen. Zudem gab es mehr Zeit zum Nachdenken hinsichtlich der eigenen Positionsbestimmung und Fokussierung, über mögliche neue Akzentsetzungen und Kooperationen sowie über das Thema Digitalisierung.
Die Krise kann sich in wenigen Jahren positiv auswirken
Wir können zuversichtlich sein, dass die aktuelle Krise sich in wenigen Jahren positiv auswirken wird. Galerien sind dabei, sich neu aufzustellen und schlagkräftiger zu werden, für sich und auch im Verbund mit anderen. Neben den großen Problemen durch die Pandemie wurden auch Entwicklungen angestoßen, die vielleicht in der Luft lagen und nun einen letzten Schwung bekommen haben. Eine der bleibenden Entdeckungen könnte sein, dass Austausch und Zusammenarbeit unter den Galerien ein Gewinn für alle ist.
Corona hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters veranlasst, 16 Millionen Euro aus Fördermitteln des Bundes zur Unterstützung von Galerien und zur Stabilisierung des deutschen Kunstmarkts zur Verfügung zu stellen, auf die sich alle professionell arbeitenden Galerien ab Anfang Oktober bewerben konnten. Die Höchstfördersumme beträgt 35.000 Euro. Es scheint kaum eine Galerie zu geben, die dieses Angebot nicht angenommen hat.
Was die Politik in Zukunft darüber hinaus und unabhängig von Corona zur Verbesserung der Situation unternehmen wird, liegt nicht in der Hand der Kunstgalerien, aber es gibt zielführende Wünsche: die Ankaufsetats für Museen erhöhen, Förderung der Galerien für herausragende Vermittlungsarbeit, für die Digitalisierung und für Messeteilnahmen anbieten. Vor allem aber: als privatwirtschaftliche Kulturarbeiter von der Politik ernst genommen und anerkannt werden.
Die größte und sehr konkrete Forderung bleibt: Zurück zur ermäßigten Umsatzsteuer, die 2014 für Kunstvermarkter abgeschafft wurde, während der reduzierte Satz für Künstler und für andere Kultursparten wie den Buchmarkt weiterhin gilt. Für manche Galerien entscheidet die Höhe der Umsatzsteuer darüber, ob nach allen Abgaben am Ende für die Galeristen genügend Auskommen für den eigenen Lebensunterhalt bleibt und somit die Fortsetzung der Galeriearbeit gesichert ist.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.
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